Bundesgerichtshof: Urteil über sieben Meter hohe Bambushecke – Panorama

Wahrscheinlich lässt es sich nicht letztgültig beantworten, ob Nachbarn besser oder schlechter miteinander auskommen, wenn sie ihre Gärten mit Hecken, Mauern oder Zäunen voneinander abgrenzen. Oft lebt man friedlicher zusammen, wenn die Grenze klar und sichtbar ist. Aber manchmal verhindert so eine Grenzeinrichtung nicht den Streit, sondern löst ihn aus. Dann trifft man sich vor Gericht.

Am Freitag hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über eine Bambushecke zu entscheiden, die ein hessischer Grundstücksbesitzer an die Grenze gepflanzt hatte. Bambus, muss man dazu wissen, bildet nicht von Natur aus eine Hecke, wird aber juristisch dazu, wenn die Pflanzen „einen geschlossenen Eindruck als Einheit“ bilden, definiert der BGH anschaulich – auf den „Dichtschluss“ komme es an. Er gehört zur Familie der Süßgräser, aber von der niedlichen Bezeichnung sollte man sich nicht täuschen lassen. Das Gehölz wächst rasant, in diesem Fall war es nach gerade einmal fünf Jahren bei sechs bis sieben Metern angelangt, dicht an dicht – eher eine grüne Wand als eine Hecke, noch dazu auf einer Aufschüttung gepflanzt. Der Nachbar klagte.

Im hessischen Nachbarrechtsgesetz gibt es, wie in den meisten Ländern, zwar detaillierte Regeln. Pfeifensträucher und rotblättrige Haselnuss müssen einen Meter Grenzabstand wahren, Fichte und Rot-Tanne zwei Meter, Rotbuche und Stieleiche vier Meter. Für Hecken gilt: mindestens 75 Zentimeter, wenn sie mehr als zwei Meter hoch sind. Mehr steht dort leider nicht. In anderen Gesetzen wächst der vorgeschriebene Abstand mit der Heckenhöhe– nicht jedoch in Hessen und übrigens auch nicht in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Wer eine Armlänge von der Grenze wegbleibt, der darf seine Hecke in den Himmel über Hessen wachsen lassen.

Zwar haben mehrere Gerichte versucht, eine Maximalhöhe von drei Metern herbeizudefinieren: Was höher sei, gelte als Baum. So verfuhr das Landgericht Saarbrücken mit einer Fichtenreihe. Ein semantischer Trick, dem der BGH nun eine klare Absage erteilt hat. „Eine allgemeine Höhenbegrenzung kann nicht schon aus dem Begriff der Hecke abgeleitet werden“, erläuterte die Senatsvorsitzende Bettina Brückner.

Eine Hecke bleibt immer eine Hecke, egal, wie hoch sie wird

Denn würde man dieser Logik folgen, wäre die Hecke eine Art Gestaltwandler. Jenseits der drei Meter würde sie zur Baumreihe, nach dem Rückschnitt wäre sie aber wieder eine Hecke. Zu kompliziert, findet der BGH. Eine Hecke bleibt immer eine Hecke, egal, wie hoch sie wird. Sonst müsste man ja keine gestaffelten Abstandsregeln treffen, wie das beispielsweise Niedersachsen getan hat. Dort hatte man sogar Hecken mit mehr als 15 Metern Höhe auf dem Schirm, für die dann acht Meter Grenzabstand gilt. „Solche Vorschriften wären sinnlos, wenn Hecken schon begrifflich nicht höher als drei Meter sein dürften“, erläuterte Brückner.

Für den klagenden Nachbarn hinter der Bambuswand heißt dies: Er muss seine Hoffnung auf den hessischen Landtag in Wiesbaden richten. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, Höhenbegrenzungen und Abstandsvorschriften für hochwachsende Hecken zu treffen, befand der BGH. Dass Hessen dies, anders als andere Länder, unterlassen habe, müssten die Gerichte respektieren, sagte Brückner. Es geht hier nicht nur um Grundstücksteilung, sondern auch um Gewaltenteilung: Die Gerichte halten sich raus, wenn der Gesetzgeber eigene Regeln erlassen hat.

Es gibt aber auch Situationen, in denen der BGH Nachbarn nicht allein lässt mit den manchmal unzureichenden Regeln des Nachbarrechts. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, dann greift er auf das „nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis“ zurück. Das ist eine Art juristischer Universalschlüssel für einen richterlich verfügten Ausgleich widerstreitender Interessen. Also für Lösungen, auf die man mit Vernunft und Einsicht auch selbst hätte kommen können. Zum Einsatz kommt diese Rechtsfigur allerdings nur im Notfall, zur Abwehr ungewöhnlich schwerer Beeinträchtigungen, so der BGH. Sieben Meter Bambus werden dafür nicht reichen.

Überhaupt sind die Gerichte zurückhaltend, wenn jemand einfach nur „mehr Licht und Luft“ einklagen und benachbarte Gehölze beseitigt sehen will. In einem Streit um 25 Meter hohe Eschen auf einer Grünanlage beschied der BGH vor zehn Jahren dem Eigentümer des angrenzenden Gartens, dass er den Schatten der mächtigen Bäume hinnehmen müsse – weil sie rund 10 Meter von der Grenze entfernt stünden, also weit mehr als der dort vorgeschriebene Abstand von vier Metern.

Ganz verloren hat der Kläger hinter der Bambushecke trotzdem nicht. Wegen eines Verfahrensfehlers hat der BGH eine neue Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt angeordnet. Wahrscheinlich muss jetzt nachgemessen werden, ob die Hecke tatsächlich den 75-Zentimeter-Abstand einhält. Steht sie näher an der Grenze, droht doch noch ein radikaler Rückschnitt – dann sind nur noch zwei Meter Höhe erlaubt.