Bundesarbeitsgericht stärkt Equal Pay: Frauen dürfen vergleichen


Der Grundsatz der Lohngleichheit („Equal Pay“) stand am Donnerstag zum wiederholten Mal vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht in Erfurt auf dem Prüfstand. In einem Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Streit zwischen einer Abteilungsleiterin von Daimler Truck und ihrem Arbeitgeber entschieden, dass sich Frauen nicht länger mit dem Unterschied zu einem Mittelwert zufrieden geben müssen, wenn sie eine identische Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen fordern. Im besten Fall können sie sich an dem Spitzenverdiener mit einer vergleichbaren Tätigkeit in ihrem Unternehmen orientieren, heißt es im Urteil des achten Senats (Az.: 8 AZR 300/24).

Verweis auf Europarecht

„Der Mittelwert ist ohne Bedeutung“, sagte die Vorsitzende Richterin Martina Ahrendt laut Nachrichtenagentur dpa in der Verkündung. Sie begründete die Entscheidung auch mit der bisherigen Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs. Das BAG verwies den Fall zur Entscheidung in der Sache zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg. Somit erhält Daimler Truck abermals die Gelegenheit, Gründe für die geringere Bezahlung der Klägerin nachzureichen.

„Der mühsame Gang durch die Instanzen hat sich gelohnt – endlich steht fest: Frauen müssen sich nicht mit Mittelmaß zufriedengeben“, sagte Sarah Lincoln, Anwältin der Klägerin, nach der Verkündung der Entscheidung. „Sie können sich mit jedem Kollegen vergleichen, der die gleiche Arbeit macht. Wenn der Arbeitgeber den Lohnunterschied nicht begründen kann, muss er den Lohn angleichen“, betonte Lincoln, die Juristin der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ist.

Deutliche Lohndifferrenz

Die seit rund 30 Jahren im Daimler-Konzern beschäftigte Managerin hatte nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit in den Zehnerjahren festgestellt, dass sie deutlich weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen auf gleicher Ebene. Daimler Truck schaffte über ein internes Vergleichssystem Transparenz in Sachen Entgelt, unterschied jedoch dabei nach Männern und Frauen.

Der beklagte Arbeitgeber hatte im Verfahren geltend gemacht, dass die zum Vergleich herangezogenen Kollegen nicht die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie die Klägerin verrichten. Zudem beruhe die unterschiedliche Entgelthöhe auf Leistungsmängeln der Klägerin.

Durch das Urteil sehe man sich bestätigt, dass nicht nur eine gleichwertige Tätigkeit, sondern auch die individuelle Leistung bei der Entgeltfestlegung berücksichtigt werden muss, teilte eine Sprecherin von Daimler Truck auf Anfrage mit. Mit der Rückverweisung könnten beide Parteien ihre Standpunkte zu Gleichwertigkeit, Vergleichbarkeit und individueller Leistung erneut darlegen.

LAG muss neu entscheiden

In den Vorinstanzen war die Frau noch unterlegen gewesen. Das Arbeitsgericht sprach ihr lediglich die Differenz zum Medianentgelt ihrer männlichen Vergleichsgruppe zu, das jedoch nicht dem durchschnittlichen Einkommen ihrer männlichen Kollegen entspricht. Im Oktober 2024 hatte ihr das LAG rund 130.000 Euro brutto für den Zeitraum von 2018 bis 2022 zugesprochen. Ursprünglich hatte sie rund 420.000 Euro brutto von ihrem Arbeitgeber gefordert.

In einer weiteren Revision hatte eine Tierärztin ihren Vater verklagt, der eine Tierklinik betreibt. Sie forderte eine vergleichbare Vergütung zu ihrem Bruder, der ebenfalls als Tierarzt im elterlichen Betrieb arbeitet, aber ein deutlich höheres Bruttogehalt bezieht (Az.: 8 AZR 269/24). In dem Rechtsstreit musste sich das (BAG) vor allem mit der Darlegungslast und Auskunftsansprüchen beschäftigen.

Mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die bis Juni 2026 in ein nationales Gesetz umgesetzt sein muss, dürften solche Forderungen künftig deutlich einfacher durchzusetzen sein als nach der bisherigen Rechtslage.