
Bärbel Bas wählte klare Worte: „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben.“ Und: „Arbeitsverweigerer erhalten künftig keine Leistungen mehr.“ Die Bundesarbeitsministerin der SPD versuchte bei der Pressekonferenz am Donnerstagmorgen im Kanzleramt deutlich zu machen, dass nun eine andere Zeit anbrechen werde in Sachen Sozialleistungen für Arbeitslose. Das Thema Bürgergeld sei beendet, hatte Kanzler Friedrich Merz (CDU) kurz zuvor gesagt. Und Bas schloss sich mit der Bemerkung an, sie selbst spreche schon lange nicht mehr vom Bürgergeld, sondern von Grundsicherung.
Was soll nun gelten unter der neuen Grundsicherung? Der Gesetzentwurf von Bas, der fertig ist, sieht ein deutlich härteres Sanktionsregime vor. Denn Ziel müsse sein, so Bas und Merz, Menschen in Arbeit zu bringen.
Im Extremfall auch Geld für Wohnung gestrichen
Jeder Arbeitslose schließt mit seinem Sachbearbeiter im Jobcenter eine Kooperationsvereinbarung. Die gibt es schon jetzt. So soll laut Bas „Augenhöhe“ hergestellt werden zwischen dem Arbeitssuchenden und dem Arbeitsvermittler. Aber diese Vereinbarung fordert auch Mitwirkungspflichten ein.
Nimmt ein Arbeitsloser den ersten Termin, den er beim Jobcenter hat, nicht wahr, wird sogleich ein Folgetermin vereinbart und eine Art Verwarnung ausgesprochen. Erscheint die Person auch zum zweiten Termin nicht, werden sofort 30 Prozent der Geldleistungen (momentan 563 Euro für eine alleinstehende Person) gestrichen. Wird auch ein dritter Termin nicht wahrgenommen, werden hundert Prozent gestrichen. Wenn dann das Jobcenter auch im Folgemonat keinen Kontakt zu dem Arbeitslosen bekommt, ihn auch nicht zu Hause antrifft, dann wird auch das Geld für die Wohnung gestrichen. Dann bekommt diese Person also keinerlei staatliche Leistungen mehr.
In den Mechanismen des Bürgergeldes war bei Terminversäumnissen deutlich weniger gekürzt worden, auch die komplette Streichung von Sozialleistungen gab es eigentlich nicht. Obwohl das Bundesverfassungsgericht dies ausdrücklich für rechtens hält, wenn der Staat den Eindruck bekommen muss, dass ein Arbeitsloser doch nicht auf Leistungen des Staates angewiesen ist, weil er nicht mitwirkt.
Parteilinke Schmidt traf sich mit Linnemann
Auch bei jenen Personen, die eine vom Jobcenter vermittelte Arbeit nicht aufnehmen, werden die Geldleistungen künftig komplett gestrichen. Hinzu kommt, dass das Schonvermögen von Arbeitslosen künftig anders berechnet wird, es richtet sich nach Lebensalter und Dauer, die in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurde. Auch hier gilt: Es wird ungemütlicher für Arbeitslose. Ausgenommen sind weiterhin diejenigen, die etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht zu Terminen erscheinen können. Das betonte Bas am Donnerstagmorgen mehrfach.
Lange hatte die SPD die Maßnahmen, die die Koalitionäre nach ihrem neun Stunden dauernden Koalitionsausschuss verkündeten, abgelehnt. Wie kam es also zum Sinneswandel? Und wie will die SPD den eigenen Leuten das verkaufen? Immerhin trägt die Partei ja seit 20 Jahren schwer an ihrer Hartz-IV-Geschichte, die sie selbst als traumatisch empfindet. Das Bürgergeld hatte die SPD zu Ampelzeiten als Überwindung dieses Traumas empfunden und gefeiert. Und jetzt begräbt eine Sozialdemokratin genau dieses Bürgergeld.
Dafür haben sich Bas und die übrige SPD-Spitze ein geschicktes Vorgehen überlegt. Zwar verhandelten auch Merz und Bas bilateral zum Bürgergeld. Eine Ebene weiter unten betrauten die Parteien aber zwei Politiker mit der Feinarbeit, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen: den Knallhart-Reformer Carsten Linnemann und die SPD-Linke Dagmar Schmidt. Wenn Linnemanns Motto „Einfach mal machen“ ist, dann lautet das von Schmidt „Moment, das müssen wir uns genau angucken“.
Das Ende der Partei der Arbeitslosen?
Für Linnemann, der selbst gerne Arbeitsminister geworden wäre, ist die Abschaffung des Bürgergeldes ein zentrales Thema. Schmidt wiederum ist Vorsitzende der Parlamentarischen Linken in der SPD. Was aber erst wie eine Reformverhinderungspersonalie der SPD wirkte, entpuppte sich als cleveres Vorgehen. Linnemann und Schmidt kommen persönlich gut miteinander klar, das hört man aus beiden Lagern. Zwar musste vor allem die SPD-Seite ein weites Stück in den Verhandlungen gehen, aber offenbar verband die Erkenntnis, dass man zu einer Reform kommen muss, die die Bürger auch als solche wahrnehmen.
Denn die SPD hatte im Bundestagswahlkampf oft an den Wahlständen gehört, dass das Bürgergeld gar nicht gut ankommt bei der eigenen Klientel. Die SPD wurde zusehends als Partei der Arbeitslosen wahrgenommen, nicht als die der Arbeiter. Da war auch den traditionell links stehenden Funktionären in der Partei klar, dass sich etwas ändern muss.
Bas fasste das am Donnerstag mit den Worten zusammen: „Wir fordern Arbeit statt Arbeitslosigkeit.“ Weder Merz noch Bas wollten am Donnerstag aber sagen, wie viel Geld sich so einsparen lassen wird. Es gehe darum, Menschen in Arbeit zu bringen, sagte Bas abermals. Wenn 100.000 Personen neu eine Arbeit aufnähmen, sparte das eine Milliarde Euro pro Jahr.