
Viele setzen große Hoffnungen in
die geplante Reform des Bürgergelds und die Umbenennung in Grundsicherung. Doch
wird die neue Grundsicherung wirklich die Beschäftigung erhöhen, Kosten
reduzieren und mehr Gerechtigkeit schaffen? Diese Hoffnungen dürften
größtenteils enttäuscht werden. Die große Chance, die Grundsicherung klug und
im Sinne aller neu aufzustellen, hat die Bundesregierung verpasst.
Die Namensänderung vom Bürgergeld
zur Grundsicherung soll offenbar einen Systemwechsel signalisieren. Dieser
besteht aus drei zentralen Elementen, die den Kern der Reform ausmachen:
Erstens sollen schärfere
Sanktionen mehr Menschen in Arbeit bringen. Jobcenter können künftig nicht nur
die mehrfache Ablehnung von Jobangeboten, sondern auch das Versäumen von
Terminen mit Leistungskürzungen sanktionieren. Diese Sanktionen können drastisch
sein, bis hin zur kompletten Kürzung der finanziellen Leistungen, in einem
letzten Schritt sogar inklusive der Wohnkosten.
Zweitens sollen die Verringerung
des Schonvermögens – also der Ersparnisse, die Betroffene behalten dürfen – und
ein schnellerer Umzug aus zu teuren Wohnungen zu finanziellen Einsparungen
führen.
Drittens soll die Vermittlung in
einen Job im Mittelpunkt stehen; die Priorität liegt damit auf der
Beschäftigung, nicht auf der Qualifizierung. Die Hoffnung ist, dass dadurch
mehr Menschen in Arbeit kommen und bleiben.
Doch wie effektiv werden diese
Reformen tatsächlich sein? Können sie die gesetzten Ziele – zusätzliche
Beschäftigung, Kostenreduktion und mehr Gerechtigkeit – wirklich erreichen?
Die neue Grundsicherung dürfte
sich in Bezug auf die Beschäftigung eher kontraproduktiv erweisen. Zwar können
Sanktionen beziehungsweise deren Androhung Betroffene kurzfristig dazu bewegen,
besser zu kooperieren und schneller eine Arbeit aufzunehmen. In der Realität ist diese Beschäftigung jedoch
häufig nur temporär, und viele Betroffene kehren schneller wieder in die
Arbeitslosigkeit – und damit in die Grundsicherung – zurück. Auch der
Vermittlungsvorrang könnte sich dadurch langfristig als nachteilig erweisen.
Ein Pyrrhussieg für die Gerechtigkeit
Die Gruppe derjenigen, die Jobangebote mehrfach ablehnen oder Termine systematisch versäumen, ist eine sehr kleine Minderheit. Die Gefahr ist jedoch groß,
dass in der öffentlichen Debatte alle Betroffenen stigmatisiert werden –
einschließlich der Mehrheit, die sich nach Kräften um Arbeit bemüht. Das
erschwert die Arbeitsaufnahme, statt sie zu erleichtern. Kurzfristig könnten Sanktionen und
Vermittlungsvorrang mehr Menschen in Arbeit bringen, langfristig ist jedoch
eher das Gegenteil zu erwarten, wie zahlreiche Studien zeigen: steigende
Arbeitslosigkeit und wachsende Zahlen von Grundsicherungsbeziehenden.
Auch bei den Kosten dürften
Einsparungen gering ausfallen; im schlimmsten Fall könnten sogar zusätzliche
Ausgaben entstehen. Die Reduzierung des Schonvermögens und der schnellere Umzug
aus teuren Wohnungen werden wohl kaum nennenswerte Einsparungen
bringen. Die Bundesregierung wird daher die versprochenen Milliarden nicht
einsparen können. Das Gegenteil ist nötig: Die Jobcenter müssten finanziell besser
ausgestattet werden, um mehr Ressourcen für die Zusammenarbeit mit den
Betroffenen und eine erfolgreiche Vermittlung zu haben.
Die geplante Reform ist auch in
Bezug auf Gerechtigkeit ein Pyrrhussieg. Schafft sie wirklich mehr
Gerechtigkeit, wenn arbeitende Menschen keinen Vorteil haben, während
Arbeitslose stärkeren Sanktionen unterliegen und schneller aus ihren Wohnungen
verdrängt werden können?
Eine weitere Schwäche der Reform dürfte die fehlende Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und der Sicherung des
Existenzminimums sein. Zahlreiche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
sind in den kommenden Jahren zu erwarten. Wie in der Vergangenheit könnte das
Gericht der Bundesregierung Grenzen bei den Sanktionsmöglichkeiten setzen und
Teile der Reform zurückweisen. Dies würde die Glaubwürdigkeit der
Bundesregierung und der Jobcenter beschädigen.
Die Reform der Grundsicherung ist
eine verpasste Chance, weil sie nicht die Maßnahmen enthält, die deutlich mehr
Menschen in Arbeit bringen würden. Dafür müsste die Bundesregierung die Jobcenter finanziell besser ausstatten, um
Qualifizierung und Vermittlung zu stärken.
Außerdem müssten viele Hürden im
sozialen Sicherungssystem abgebaut werden, damit sich Arbeit wieder mehr lohnt
– insbesondere für die fast 800.000 sogenannten Aufstocker, also Beschäftigte,
die trotz Arbeit zusätzliche Leistungen benötigen. Ihnen werden zu viele
Hindernisse in den Weg gelegt, um mehr Stunden zu arbeiten und besser bezahlt
zu werden.
Doch es gibt noch Hoffnung: Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der Reform bietet die Möglichkeit, die skizzierten Risiken und negative Aspekte zu minimieren. In den Plänen der Bundesregierung
sind Sanktionen und andere Maßnahmen nicht verpflichtend, die Jobcenter
erhalten somit mehr Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung. Sie zu stärken, wird daher entscheidend sein.