Es gibt diese Tage in der Politik, an denen sich die Dinge ganz grundsätzlich neu sortieren. Der Montag dieser Woche war ein solcher Tag. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist auf dem Weg in zwei Landesregierungen. Für die einen ist das eine große Hoffnung. Für die anderen ein riesiger Horror. Ein Rückblick auf Stunden, die einiges ändern könnten.
10 Uhr
Es wird leise im Konferenzraum im Potsdamer Landtag, als Dietmar Woidke, SPD, Ministerpräsident von Brandenburg, und Robert Crumbach, Landesvorsitzender des BSW, eintreffen. Schon bald, so ihre Botschaft, sollen Koalitionsgespräche beginnen, man wolle zusammen regieren. Dann geht es schnell nur noch um eins: Außenpolitik. Sahra Wagenknecht hatte in den vergangenen Wochen immer wieder neue Forderungen an ihre möglichen Regierungspartner in den Ländern gestellt: mehr Diplomatie, keine Stationierung von US-Raketen in Deutschland. In Thüringen und Sachsen drohten die Verhandlungen deshalb zu scheitern. Und in Potsdam? Macht die Kanzlerpartei einfach mit?
Ein Zettel wird an die Journalisten verteilt. Man sei übereingekommen, steht darauf, sich für eine „diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts“ einzusetzen. Man sehe die Stationierung der US-Raketen „kritisch“. Und: „Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.“
Formulierungen, die für Unruhe sorgen dürften. Dietmar Woidke sagt: „Es ist nicht 100 Prozent SPD, es ist auch nicht 100 Prozent BSW.“ Im Papier steht auch, dass der Krieg völkerrechtswidrig sei und von Russland ausgehe. Die Fähigkeit der Bundeswehr zur Verteidigung müsse gestärkt werden.
11 Uhr
Jan Redmann läuft über die Gänge des Potsdamer Landtags. Er ist Brandenburgs CDU-Chef und sagt: Bei den US-Raketen hätte seine CDU niemals diese Zugeständnisse gemacht. Später titelt die Bild: „Die Unterwerfung von Potsdam. SPD in Brandenburg auf Kreml-Kurs.“ In der Bundesspitze der Partei hält man sich mit Äußerungen zurück. Man scheint es hinzunehmen. Wohl auch, weil Woidke – der sich im Wahlkampf von Kanzler Olaf Scholz distanziert hatte – nach seinem Wahlsieg aus einer Position der Stärke kommt.
13 Uhr
In Thüringen hat die Brandenburger Einigung den Druck erhöht. Hier verhandelt die SPD schon seit Wochen mit CDU und BSW. Aber die Gespräche stehen kurz vor dem Scheitern wegen Wagenknechts Forderungen, die weder SPD noch CDU mittragen wollen. Jetzt der Brandenburger Kompromiss.
Wird sich die Formulierung von dort auch hier durchsetzen? Wird das BSW sie zur Voraussetzung für eine Koalition machen? Oder ist Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf kompromissbereiter?
Erste Gerüchte machen die Runde: Möglicherweise könnte hier auch noch etwas passieren heute. Wenig später lädt die CDU zum Statement ein.
16 Uhr
Der Weg zu den Mikrofonen, die in einem Flur im Erfurter Landtag aufgebaut sind, ist lang. Steffen Schütz und Katja Wolf, die beiden BSW-Chefs, gehen ihn gemeinsam mit Mario Voigt von der CDU und Georg Maier von der SPD. Es gibt auch hier eine Einigung, nur klingt die anders als in Brandenburg. Nichts, das man „Unterwerfung“ nennen könnte. Zwar sollen auch hier nun die Koalitionsgespräche beginnen. Aber es gibt keine überparteiliche Ablehnung der US-Raketen. Es wird nur „anerkannt“, so steht es im gemeinsamen Papier, dass „viele Menschen“ die Raketen „kritisch sehen bzw. ablehnen“.
Dafür wird in dem Schreiben die Verschiedenheit der drei Parteien betont. „CDU und SPD sehen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs.“ Hinsichtlich der Waffenlieferungen sei man „unterschiedlicher Auffassungen“, aber alle eine das Ziel eines „dauerhaften, gerechten Friedens“. Es wird eine breit angelegte Debatte angekündigt. Aber reicht das Wagenknecht? Oder geht die Thüringer Partei einen eigenen Weg? Katja Wolf sagt, die Formulierung sei intensiv mit Berlin diskutiert worden. Eine Zustimmung von Wagenknecht sei „formal nicht nötig“.
Das BSW muss über das Papier im Landesvorstand abstimmen, was bis Redaktionsschluss am Montagabend noch nicht geschehen war.
18.30 Uhr
Und dann: kritisiert Sahra Wagenknecht das Bündnis Sahra Wagenknecht. Dem Spiegel sagt sie am Abend, der Erfurter Kompromiss sei ein Fehler im Vergleich zu dem aus Potsdam. Das könnte der Anfang des ersten großen BSW-Streits sein.
Es gibt diese Tage in der Politik, an denen sich die Dinge ganz grundsätzlich neu sortieren. Der Montag dieser Woche war ein solcher Tag. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist auf dem Weg in zwei Landesregierungen. Für die einen ist das eine große Hoffnung. Für die anderen ein riesiger Horror. Ein Rückblick auf Stunden, die einiges ändern könnten.
Es wird leise im Konferenzraum im Potsdamer Landtag, als Dietmar Woidke, SPD, Ministerpräsident von Brandenburg, und Robert Crumbach, Landesvorsitzender des BSW, eintreffen. Schon bald, so ihre Botschaft, sollen Koalitionsgespräche beginnen, man wolle zusammen regieren. Dann geht es schnell nur noch um eins: Außenpolitik. Sahra Wagenknecht hatte in den vergangenen Wochen immer wieder neue Forderungen an ihre möglichen Regierungspartner in den Ländern gestellt: mehr Diplomatie, keine Stationierung von US-Raketen in Deutschland. In Thüringen und Sachsen drohten die Verhandlungen deshalb zu scheitern. Und in Potsdam? Macht die Kanzlerpartei einfach mit?