Buch über neuen Faschismus: Jung, migrantisch, konform

Canberk Köktürk, Gag-Autor bei Jan Böhmermann, Sohn türkischer Einwanderer, will etwas Provokantes über Deutschland schreiben. Aber so sehr er sich in seinem Essaybuch „Fascholand“ auch anstrengt, er schafft es nicht. Dabei ließe sich über seine These streiten: Köktürk sieht das Deutschland von heute kurz davor, in den Abgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit zu stürzen und wieder zum „Fascholand“ zu werden.

Eine Warnung soll sein Buch sein – ein „Sachbuchkrimi“, wie es auf dessen schreiend rotem Rücken heißt. Wie ein Detektiv will Köktürk darin dem geheimen faschistischen Deutschland auf die Schliche kommen und so den Etikettenschwindel unserer Nachkriegsdemokratie aufdecken.

Kapitel für Kapitel legt er deshalb als „Ermittlungsakte“ an. Er trifft Zeugen des schleichenden Sittenverfalls, etwa Betroffene rassistischer Gewalt oder seine diskriminierungskritischen Verbündeten in den Medien, von denen es nach Einschätzung des Autors kaum mehr welche gibt.

Keine neuen Erkenntnisse

Und er interviewt Faschismusexperten wie den britischen Historiker Roger Griffin oder den deutschen Politologen Marcel Lewandowsky, die ihm und uns erklären, dass Rechtspopulisten die liberale Demokratie von innen heraus zerstören, was keine falsche, aber auch keine neue Erkenntnis ist.

Alle Gesprächspartner befragt Köktürk zu seiner These und bekommt dabei fast immer, wonach er sucht: Bestätigung. Bleibt die einmal aus, weil einer der Befragten mit seiner Meinung von der des Autors abweicht, so kommt es nicht etwa zum offenen Dissens, sondern zu einem monologischen Lamento: „Ich war enttäuscht, dass er mir widersprach.“ Provokation und Streit klingen anders. Kann es sein, dass es Köktürk weniger um Kritik an autoritärer Ideologie und mehr um seinen Wunsch nach Einigkeit geht?

Das weiß-christlich-heteronormativ-patriarchal-Mantra

Gleiches gilt für die Signalfloskeln, die dem Leser alle drei Absätze fett markiert entgegenrufen und offensichtlich dabei helfen sollen, die Lernmantras des Buches einzuüben. Zum Beispiel: „weiß-christlich-heteronormativ-patriarchale Gesellschaft“, Köktürks Lieblingsbegriff, mit dem er seine These der Refaschisierung der Deutschen zu erklären versucht.

Fascholand

Canberk Köktürk: „Fascholand. Wir sind hier immer noch in Deutschland“. Ullstein, Berlin 2025, 320 S., 9,99 Euro

Und es stimmt ja auch: Das Problem, dass die Mitte immer rechter wird, ist real. Nur konnten flache Feindbildmalereien wie diese dem Machtspiel wütender Rechtspopulisten bisher nichts entgegensetzen. Linke Mäßigungsversuche scheitern weiter und auch Köktürk bietet keine bessere Lösung an.

All das ist schade. Denn junge und migrantische Stimmen, die der Konsensversessenheit deutscher Debatten mit Dissidenz begegnen, fehlen. Warum also sucht ein Autor mit Migrationshintergrund, dessen deutsche Paranoia begründet ist, nur Bestätigung? Köktürk gibt die Antwort selbst: Er schreibt, dass es ihm als deutschem Autor mit türkischem Namen nicht möglich sei, sich anders – also klar, gefühlvoll und provokativ zu äußern, denn „sonst glauben dir die Deutschen kein Wort!“

Vergessen Sie die Deutschen!

Man möchte ihm zurufen: Vergessen Sie die Deutschen mal für einen Moment. Es gibt doch Passagen in Ihrem Buch, die erzählerische Nähe, unkonventionelle Takes und damit auch neue Erkenntnisse zulassen. Etwa, wenn Sie tatsächlich mal „gnadenlos subjektiv“ über Ihre widersprüchliche Ruhrpott-Liebe oder Ihre gut begründete Verachtung gegenüber dem Klassendünkel deutscher Akademiker schreiben.

Warum nicht mehr davon? Warum nicht mal was richtig Provokantes schreiben? Mit koketter Konformität zumindest hat man den Faschismus noch nie aufgehalten – besonders nicht in Deutschland.