BSW-Generalsekretär Oliver Ruhnert: Der freundliche Wutbürger

Kaum zum Generalsekretär gewählt,
ist der Oli, wie sie ihn beim BSW nennen, schon so etwas wie die letzte
Hoffnung einer taumelnden Partei. Dieser unscheinbare Mann in dunkelblauen
Pullovern und dunkelblauer Stoffhose, der für Interviews lieber die Brille
abnimmt und sich vor seiner ersten großen Parteitagsrede noch schnell ein
Kuchenstück vom Buffet stibitzt.

Beim Parteitag in Magdeburg haben 92,6
Prozent der Delegierten Oliver Ruhnert, den ehemaligen Fußballmanager, zum neuen Generalsekretär gewählt. Im zutiefst
zerstrittenen BSW ist so ein gutes Ergebnis durchaus eine Leistung. Als
„letzter Lichtblick“ gilt er in den Ost-Landesverbänden, die sich mit Sahra Wagenknecht
und ihren Getreuen überworfen haben.

Wer also ist dieser Mann? Gerade 54
Jahre alt geworden, stammt Ruhnert aus dem Städtchen Arnsberg im Sauerland
(„genau wie unser Bundeskanzler“). Karriere machte er im Fußball, und zwar in
der Nachwuchsförderung – zuerst für Schalke, dann für Union Berlin. Beim
Berliner Traditionsverein stieg er zwischenzeitlich sogar zum Geschäftsführer
Profifußball auf, ließ sich aber 2024 wieder zum Talentscout zurückstufen – auf
eigenen Wunsch, wie es hieß. Damals hatte Ruhnert schon Kontakt mit dem Wagenknecht-Bündnis.

Denn, das sagt er bei seiner
Bewerbungsrede, er sei immer ein politischer Mensch gewesen. Wie die meisten
BSWler war er lange in der Linkspartei aktiv. „Politik war immer mein zweites
Hobby – 16 Jahre Fraktionsvorsitzender in der Lokalpolitik.“  Aus seiner Zeit als Linker Stadtrat in Iserlohn
in NRW kennt er auch die heutige Parteiführung um Amira Mohamed Ali und
Christian Leye. Im Mai 2024 wechselte er zum BSW, wurde von Wagenknecht als
„prominentes Gesicht“ gefeiert und sogleich Spitzenkandidat für die
Bundestagswahl in Berlin. Ruhnert kandidierte im Osten der Hauptstadt für ein
Direktmandat, doch sein Bezirk Marzahn-Hellersdorf fiel an die AfD. Gerade
einmal 8,6 Prozent der Erststimmen holte er. Und das, obwohl er doch wenige
Kilometer entfernt in der Alten Försterei, dem Stadion von Union Berlin, ein und aus ging.

„Wie kann man nur so verrückt sein?“

Trotzdem hat sich Ruhnert jetzt ganz
für die Politik entschieden: Sein Arbeitsvertrag mit Union ist aufgelöst, das
BSW zahlt ihm als Generalsekretär ein Vollzeitgehalt. In seinem neuen Job wird Ruhnert auch genug
zu tun haben. Um in der außerparlamentarischen Opposition und ohne Gründerin Sahra
Wagenknecht zu überleben, braucht das BSW ein schärferes Profil und größere Geschlossenheit.
Ruhnert scheint also ein Herz für Underdogs zu haben, ob im Fußball oder in der Bundespolitik.
Wobei Union Berlin immerhin noch mit dem Klassenerhalt in der Bundesliga rechnen
kann, während das BSW – um Bild zu bleiben – schon abgestiegen ist.

Nicht wenige, sagte Ruhnert in
seiner Bewerbungsrede in Magdeburg, hätten ihn gefragt: „Wie kann man denn so
verrückt sein, so etwas zu tun, in die Politik zu gehen?“. Aber er sei eben
überzeugt: Die Politik brauche „eine vernünftige Alternative“ und die sehe er
nur beim BSW. „Ich wäre als echter Demokrat
sonst Nichtwähler geworden.“

Man darf sich
Oliver Ruhnert als freundlichen Wutbürger vorstellen
. Als einen, der nicht so geschliffen reden kann wie
der neue BSW-Vorsitzende Fabio De Masi. Doch während De Masi mit seinen
akribisch zusammenrecherchierten Notizen nie zum Ende kommt, ist Ruhnert
ein Mann, der aus dem Bauch redet und kurze, einfache Sätze verwendet. 

„Ja, wo
sind wir denn hingekommen?“, ist ein Ausruf, den man häufiger von ihm hört.

Zum Beispiel, wenn er sich über den freiwilligen Wehrdienst aufregt, den die
schwarz-rote Koalition gerade beschlossen hat. Die Mehrheit der jungen Menschen
habe Angst vor einem sinnlosen Tod im Krieg, sagt Ruhnert. „Wann nimmt das
denn endlich mal jemand ernst in diesem Land, meine Damen und Herren?“