Brände in Los Angeles: Von der Zelle an die Feuerfront – Panorama

Shari Shaw hat seinen Namen noch geschrien, sie wollte, dass er mitkommt, weg hier, so schnell wie möglich. Aber Victor, ihr Bruder, wollte bleiben und das Haus beschützen, da wirbelte schon die glühende Asche herum. So hat es Shari Shaw dem Lokalsender KTLA 5 erzählt. „Ich habe zurückgeschaut, und das Haus ging in Flammen auf, ich musste fliehen.“

Victor Shaw ist einer von mindestens zehn Menschen, die den verheerenden Waldbränden in Los Angeles zum Opfer gefallen sind. Bisher. Denn immer wieder stoßen Rettungskräfte auf Menschen, die nicht loslassen können. Die ihre Häuser, ihr Zuhause, ihr Ein und Alles nicht den Flammen überlassen wollen, Menschen wie Victor Shaw. Seine Familie hat am nächsten Tag nach ihm gesucht, als das Feuer weitergezogen war und nur Schutt und Asche hinterlassen hatte. Sie fanden seine verkohlte Leiche im Vorgarten, den Gartenschlauch noch in der Hand.

Fünf Brandherde

Die Behörden rechnen damit, dass die Todeszahlen noch steigen werden. Während zwei der großen Feuer in Los Angeles am Donnerstag eingedämmt werden konnten, brach gleichzeitig ein neues aus. Und das größte der derzeit fünf im Großraum Los Angeles wütenden Feuer – „Palisades Fire“ genannt – brenne aktuell auf einer Fläche von rund 8000 Hektar, teilte die Feuerwehr mit. Das „Eaton Fire“ wuchs derweil auf mehr als 55 Quadratkilometer an. Es sei „weiterhin zu null Prozent“ eingedämmt, sagte Anthony Marrone, Feuerwehrchef im Los Angeles County.

Wieder ein neuer Brandherd: Das Kenneth Fire erweitert die Brandherde auf fünf. (Foto: Eric Thayer/AP)

Laut einer vorläufigen Schätzung des privaten US-Wetterdienstes AccuWeather könnten der Gesamtschaden und die wirtschaftlichen Verluste bei 135 bis 150 Milliarden Dollar (131 bis 146 Milliarden Euro) liegen. Es handele sich um eine der kostspieligsten Waldbrandkatastrophen in der modernen Geschichte der USA, sagte Chefmeteorologe Jonathan Porter.

Im Kampf gegen die Flammen wird jede helfende Hand benötigt. Weil die regulären Einsatzkräfte offenbar nicht genügend Personal haben und durch viele Einsätze überlastet sind, unterstützen auch fast 800 Häftlinge die Feuerwehr. Nach Angaben des California Department of Corrections and Rehabilitation (CDCR) schlagen sie an den „Frontlinien“ etwa Feuerschneisen und entfernen brennbare Stoffe in der Nähe von Häusern, um zu verhindern, dass sich die Brände schnell ausbreiten. Die Arbeit der Strafgefangenen könne nicht hoch genug bewertet werden, zitiert der Guardian den CDCR-Leiter Jeff Macomber.

Bevor die Häftlinge gegen die Flammen kämpfen, durchlaufen sie ein Trainingsprogramm, wenn auch nur ein sehr kurzes. In Kalifornien betreibt das CDCR dafür 35 sogenannte Fire Camps. Nach einem Fitnesstest würden die Freiwilligen vier Tage im Klassenraum ausgebildet und vier Tage „im Gelände“. Anschließend sollen sie Behörden bei Bränden, Fluten und anderen Katastrophen unterstützen.

Dass inhaftierte Feuerwehrleute als günstige und nur kurz ausgebildete Helfer Brände löschen, ist in Kalifornien keine Seltenheit und schon seit Jahren gängige Praxis. Sie stellen zeitweise bis zu 30 Prozent der staatlichen Kräfte gegen Waldbrände, wie die Los Angeles Times berichtet.

Allerdings darf nicht jeder Häftling außerhalb der Gefängnismauern gegen Brände kämpfen. Die Freiwilligen müssten die niedrigste Sicherheitsstufe haben, schreibt das CDCR, sich zudem im Gefängnis gut verhalten und nicht mehr als acht Jahre ihrer Haftstrafe offen haben. Wer wegen Verbrechen wie Vergewaltigung oder anderen Sexualstraftaten einsitzt, ist nicht zugelassen. Naheliegend ist auch: Wer schon mal geflohen ist oder Brandstifter war, darf ebenfalls nicht mitmachen.

Apokalyptische Szenen in Los Angeles. (Foto: ZUMA Press Wire /action press)

Zwar können die verurteilten Strafgefangenen der Gesellschaft mit ihrem Einsatz helfen, jedoch gibt es auch Kritik daran. Denn die Häftlinge sind im Kampf gegen die Flammen großen Gefahren ausgesetzt, bekommen dafür aber deutlich weniger Geld als reguläre Feuerwehrleute: je nach Qualifikation zwischen 5,80 und 10,24 Dollar am Tag. Bei Notfällen gibt es einen Dollar pro Stunde zusätzlich, bei Katastropheneinsätzen bis zu 26,90 Dollar für eine 24-Stunden-Schicht. Der Lohn sei zwar dürftig, berichtet der Guardian, für einen Häftlingsjob sei die Notfall-Arbeit jedoch hoch bezahlt. Teilnehmer wüssten die höhere Bezahlung zu schätzen, allerdings könne die Arbeit auch hart sein.

Amika Mota, vor Jahren selbst inhaftiert und Absolventin eines Fire Camps, setzt sich inzwischen als Anwältin und Aktivistin für aktuelle und ehemalige Gefangene ein. „Die Feuerwehrleute wollen rausgehen“, sagte sie dem Guardian. Sie wollten „die Gemeinden unterstützen und Menschen und Eigentum schützen“. Allerdings hätten sie trotz des vergleichsweise hohen Lohns Mühe, über die Runden zu kommen. Die Gefangenen könnten sich kaum Hygieneartikel leisten und kein Geld für die Zeit zu Hause zurücklegen oder Geld an ihre Familien schicken.

Das CDCR hingegen hebt hervor, dass die Häftlinge auch langfristig von ihrem Einsatz profitierten: Das Programm ebne den Weg für Beschäftigungsmöglichkeiten und Vorteile nach der Entlassung, darunter Fortbildungen, Zertifizierungen und gelöschte Vorstrafen. Allerdings tun sich Absolventen des Programms trotzdem offenbar nicht leicht, nach ihrer Zeit in Haft entsprechende Arbeitsplätze zu finden, obwohl sie im Einsatz gegen die Flammen eine so wichtige Rolle einnehmen.