
Der Börsenverein vergisst seinen großen Festredner
In dieser Woche feiert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sein 200-jähriges Bestehen, und er tut es im Wissen, Thomas Mann gleich zweimal düpiert zu haben. Was bisher geschah: Zum 100. Geburtstag des ältesten Branchenverbandes Europas hielt Mann eine Rede, in der er sich vieles wünschte, unter anderem „eine Literatur der Menschlichkeit, der Freiheit … eine im unsterblich deutlichen Sinne des Wortes unpolitische Literatur“. Der Literaturwissenschaftler Friedhelm Marx von der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft sieht darin „ein frühes, mutiges Statement gegen den nationalen Führerwahn, gegen die Idee, Dichter sollten Führer der Nation sein – und für eine transnationale, europäische Einigung“. Die Mahnungen blieben damals freilich folgenlos. Auch der Börsenverein – so heißt es lapidar und treffend in der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe der Werke Thomas Manns – erwies sich als „hitlergläubig“.