
Ein bisschen abgerechnet wird dann doch. Während Fans, Kritiker, Beobachter, vor allem aber wohl die Swifties mit Spannung auf Taylor Swifts zwölftes Studioalbum „The Life of a Showgirl“ gewartet haben, gab es Spekulationen darüber, ob der berühmteste Popstar dieser Zeit wohl austeilen würde, etwa in dem Song „Ruin The Friendship“. Damit war doch bestimmt Blake Lively gemeint, die Swift in den vergangenen Monaten medienwirksam in einen Skandal verwickelt hatte, dem Swift offensichtlich entkommen wollte! Doch der Titel ist eine Finte. Tatsächlich geht es um einen früheren Freund, den Swift sich einst nicht traute zu küssen, aus Angst davor, die Freundschaft zu zerstören. Heute ist der Freund tot – und ihr Rat ist: Lieber die Freundschaft ruinieren, als es später zu bereuen, für immer.
Einen „Diss-Track“ gibt es trotzdem – auch wenn man ihn ganz einfach als Antwort verstehen kann. Der britischen Popsängerin Charli XCX war im Sommer 2024 mit ihrem Album „BRAT“ der lang ersehnte Durchbruch gelungen. In „Sympathy is a knife“ sang Charli wohl über Taylor, es ist ein schonungslos ehrlicher Song: „Ich will sie nicht backstage beim Konzert meines Freunds sehen.“ Charli XCX ist mit dem Schlagzeuger der Band The 1975 verheiratet (damals war er noch der Boyfriend) – und Swift datete eine kurze, wilde Zeit lang den Sänger der Band, Matty Healy. Die Hinweise waren also mehr als eindeutig.
Die dramaqueenmäßige Taylor-Swift-Weise
Und Taylor? Ist in ihrer Entgegnung, so sie denn eine ist, nicht gerade zurückhaltend. Spätestens seit „Look What You Made Me Do“, einem Song, der mutmaßlich an Kanye West und Kim Kardashian gerichtet war, ist bekannt, dass Taylor Swift fies sein kann, auf diese herrlich pathetische, dramaqueenmäßige Taylor-Swift-Weise eben. In „Actually Romantic“ heißt es: „Ich hab gehört, du nennst mich ‚langweilige Barbie‘, wenn das Koks dich mutig macht.“ Sie fühle sich geehrt, meint Taylor weiter, so geehrt, dass es sie irgendwie auch anturne: „Es fühlt sich an, als würdest du mit mir flirten“, singt sie, um am Ende für Swift-Verhältnisse mal so richtig explizit zu werden: „Es macht mich irgendwie feucht.“ Alright!
Easter Eggs, Ostereier, nennen Taylor-Swift-Ultras die vielen kleinen Hinweise, mit denen sie ihre Songs, Videos, Auftritte stets spickt und damit die Spekulationen im Internet so richtig anheizt. Ein Spiel, das Stars wie Sabrina Carpenter ihr längst nachmachen, doch Taylor Swift ist und bleibt die Easter-Egg-Queen, der Chef-Osterhase quasi. Dafür hat sie Sabrina Carpenter, die schon bei der Eras-Tour gemeinsam mit Swift auftrat, für ein Duett verpflichtet, den titelgebenden Song „The Life of a Showgirl“.
In „CANCELLED!“, so könnte man es zumindest interpretieren, geht es dann doch um Blake Lively. „Gut, dass meine Freunde mir gefallen, wenn sie gecancelt wurden“, heißt es da; Swift singt von „vergifteten, dornigen Blumen“, womöglich eine Anspielung auf die Floristin, die Blake Livelys Charakter in „It Ends With Us“ spielte, jenem Film, der ihr eine öffentliche Fehde mit Justin Baldoni einbrachte, in die Swift dann auch juristisch hineingezogen wurde. Wer aber nun mit einer Abrechnung gerechnet hat, wird enttäuscht: Swift steht zu ihren Freunden, Cancel-Skandale hin oder her. Sie selbst ist schließlich so viel öffentlich durch den Dreck gezogen worden, meint sie: „Wenigstens weißt du am Ende genau, wer deine Freunde sind: Die mit denselben Narben wie du.“
Ansonsten gibt es natürlich jede Menge Liebe und Liebeserklärungen an Swifts Verlobten Travis Kelce, mit dem sie „für immer im Dunkeln tanzen“ will, frei nach Bruce Springsteen, der bei seiner Version allerdings eher verzweifelt und verloren war.
Es dauert genau elf Sekunden, bis Max Martin und Shellback „Hello again“ sagen
Neben den lyrischen sind da auch musikalische Anspielungen: Zum Beispiel beginnen die beiden Songs, die sich mutmaßlich um real existierende Frauen drehen, ohne Drums oder Bass. Nur E-Gitarren sind es, ein an die Pixies erinnernder Sound in „Actually Romantic“, noch grungiger wird es im Beginn von „CANCELLED!“. Und dann dauert es auf dem Album genau elf Sekunden, bis die beiden Produzenten Max Martin und Shellback „Guten Tag“ sagen, oder vielleicht: „Hello again!“ Da setzt nämlich der Beat ein, ein Pop-Beat, der entfernt an Swifts größten Hit „Shake It Off“ erinnert, der damals ebenfalls von den beiden produziert worden war. Immerhin war es für Fans und Kritiker durchaus eine Überraschung, dass Swift statt mit Jack Antonoff, mit dem sie seit 2013 zusammenarbeitete, wieder mit Martin und Shellback aufnahm.
Ein Zeichen, dass es wieder so werden würde wie auf „1989“ (das in Teilen allerdings auch schon mit Antonoff entstanden ist), ihrem großen Popalbum voller tanzflächentauglicher Banger? Das kann man von „The Life of a Showgirl“ nicht behaupten, es ist nachdenklicher und erwachsener – wie Swift eben auch. Die wiederaufgenommene Zusammenarbeit mit den beiden Produzenten zeigt vielmehr auf, welche Entwicklung Swift als Künstlerin und Songwriterin durchlaufen ist. Wie sie vom glühenden Popstar zur nie mehr verglühenden Legende geworden ist. Das Leben einer Showlegende eben.