Bischof Georg Bätzing und Kirchenpräsidentin Christiane Tietz


Wird in der Kirche zu wenig gelacht? „Alles hat seine Zeit, vielleicht nicht gerade bei einem Begräbnis“, antwortet der Limburger Bischof Georg Bätzing auf die Frage von F.A.Z.-Herausgeber Carsten Knop. Aber als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz komme er viel herum bei Amtseinführungen und Verabschiedungen. „Ich nehme mir immer vor, dass bei der Begrüßung alle wenigstens einmal lachen“, sagt Bätzing. Dann gebe es ja noch die gereimten Predigten an Fastnacht.

Neben ihm auf dem Podium sitzt beim F.A.Z.-Kongress Christiane Tietz, seit Anfang des Jahres Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Auch sie hat nichts gegen eine humorvolle Predigt. Dass nicht ganz so viel gelacht werde in der Kirche, liege aber auch an der Atmosphäre des Kirchenraums, in dem man die Gegenwart Gottes spüren könne. „Und das ist erstmal positiv.“

Ob mit oder ohne Heiterkeit, über den eigenen Glauben werde wenig geredet, stellt Knop fest und berichtet von der Überraschung, wenn es doch jemand tue. Dabei sei das besonders wichtig, wenn die Kirche Mitglieder verliere, sagt Kirchenpräsidentin Tietz. „Die Menschen sind in Scharen ausgetreten, aber wir können sie nur einzeln zurückgewinnen.“ Wenigstens gehöre noch die Hälfte der Deutschen einer Kirche an.

Engere Zusammenarbeit von Gemeinden und Pfarreien

Das ist für den Limburger Bischof einer der Gründe für die „große Sprachlosigkeit beim Reden über den Glauben.“ In der Mehrheitsgesellschaft würden Themen, die alle verbänden, nicht besprochen. Hier könnten die Großen etwas von den kleinen Kirchen lernen. Bätzing und Tietz zeigen sich aufgeschlossen gegenüber Knops Vorschlag, neue Gemeindemitglieder zu besuchen und gezielt anzusprechen. Das übernähmen oft Gruppen, weil das nicht immer der Pfarrer könne. Knop fragte deshalb, weil er beim wegen der Pandemie virtuellen ökumenischen Kirchentag in einer Online-Gesprächsgruppe auf Unverständnis gestoßen war. „Dabei waren das alles Kirchentags-Ultras.“

Wenn die Pfarreien und Gemeinden größer werden und das Personal schrumpft, könnten die Kirchen da nicht enger zusammenarbeiten? Bei der Telefonseelsorge und bei Gelegenheiten, bei denen die Kirche offiziell vertreten sein solle, mache man das schon, sagt Bätzing. „Wir werden als Christen wahrgenommen, bei Befragungen rangiert die Konfession ganz weit unten.“

Tietz berichtet von einem Gemeindezentrum in Darmstadt, das sich die evangelische und katholische Gemeinde teilten. „Dort ist dann auch viel mehr los.“ Eine Hürde für die Ökumene ist das Verständnis des Abendmahls, bei dem nach Worten des Herausgebers auch viele F.A.Z.-Leser auf Differenzierung Wert legen, wie Leserbriefe zeigten. „Der gemeinsame Text dazu hat sich noch nicht durchgesetzt“, sagt die Kirchenpräsidentin.

Bätzing kann als katholischer Bischof nicht sagen, alle seien eingeladen. Aber wer vor seinem Gewissen glaube, dass Gott gegenwärtig sei, könne auch zur Kommunion gehen. Dass im Januar die katholischen und evangelischen Gemeinden in Frankfurt konfessionsübergreifend Gottesdienste mit Abendmahl und Eucharistie gefeiert haben, findet der Bischof gut.

„Wenn die Würde der Menschen missachtet wird, hat das politische Konsequenzen“

Als inhaltlich angemessen, aber in der Tonalität nicht überzeugend bewertet Bätzing das Schreiben der Berliner Prälaten, die vor dem Bundesparteitag der CDU die migrationspolitischen Pläne von Friedrich Merz kritisiert hatten. Knop fragt nach, weil der Bischof vor kurzem nicht nur mit der AfD, sondern erstmals auch mit deren Wählern ins Gericht gegangen sei.

Dieser erzählt, er habe in den Talkrunden Alice Weidel zugehört, die sich öffentlich zum Programm der AfD bekannt habe. „Die Wähler konnten wissen, was sie wählen“, sagt Bätzing. Dann müssten sie auch die Verantwortung dafür übernehmen.“

Auch aus Sicht der evangelischen Kirchenpräsidentin kann sich die Kirche nicht ins Private zurückziehen. „Wenn die Würde der Menschen missachtet wird, hat das politische Konsequenzen.“ Dabei dürfe die Kirche natürlich nicht parteipolitisch werden. Wenn sie die Meinung eines Menschen nicht teile, unterscheide sie zwischen der Person und ihrer Position: „Sie bleibt ein Mensch.“ Es könne helfen, über das zu reden, was demjenigen Angst und Sorge mache.

Vertrauen der Kirche nach Missbrauchsskandalen beschädigt

Erst auf eine Wortmeldung aus dem Publikum hin kommt die Runde auf den sexuellen Missbrauch zu sprechen. „Weil wir wussten, das wird die erste Frage“, berichtet Knop aus dem Vorgespräch. Für Bätzing gibt es nichts zu beschönigen. „Der Missbrauch und seine Vertuschung ist der größte Skandal der Kirche, der ihre Glaubwürdigkeit infrage stellt.“ Sie könne Glaubwürdigkeit nicht einfach zurückgewinnen.

„Wir können nur versuchen, Vertrauen neu aufzubauen.“ Der Synodale Weg sei die Konsequenz daraus, weil die katholische Kirche die systemischen Ursachen beseitigen müsse. „Es gibt auch heute die Gefährdung, denn es geht um die Ausübung sexueller Macht.“ Für die evangelische Kirche, deren große Studie dazu voriges Jahr veröffentlicht worden ist, sei Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention ebenfalls tägliche Aufgabe und nichts, was man hinter sich habe, sagt Tietz.

Zu Beginn des Gesprächs hatte sich der Herausgeber nach dem Gesundheitszustand des Papstes erkundigt. Auch er wisse nur, dass es ihm besser zu gehen scheine, sagte der Limburger Bischof. Am Ende meldet sich jemand aus dem Publikum und fragt, ob die Kirche nicht besser wahrgenommen würde, wenn die Kardinäle einmal einen „jungen, dynamischen Papst“ wählten? Franziskus sei ein „sympathischer Chaotiker“ und schon ziemlich dynamisch, antwortet Bätzing. Die Kirche „ein bisschen durcheinander zu bringen“, was er sich vorgenommen habe: „Das hat er geschafft.“