Berlusconis Medienholding MFE räumt bei ProSiebenSat.1 radikal auf

Erst im April wurde der Vertrag von Bert Habets um drei Jahre bis Oktober 2028 verlängert. Nun muss der Vorstandschef des börsennotierten Medienkonzerns Pro Sieben Sat.1 schon wieder gehen. Sein Nachfolger an der Spitze in Unterföhring ist kein Unbekannter: Marco Giordani, bislang Finanzvorstand des italienischen Großaktionärs, dem Fernsehunternehmen Media For Europe (MFE).

Die Mailänder Holding der Familie Berlusconi hatte sich vor wenigen Wochen eine Dreiviertelmehrheit an ProSiebenSat.1 gesichert, nun greift sie vehement durch. Denn nicht nur Habets muss das Unternehmen vorzeitig verlassen, auch sein Finanzvorstand Martin Mildner wird „in bestem gegenseitigem Einverständnis“ abgelöst. Dessen Vertrag war sogar Ende August, nur ein paar Tage vor Ablauf des Übernahmeangebots von MFE, durch den Aufsichtsrat von Pro Sieben Sat.1 um ebenfalls drei Jahre bis Mai 2029 verlängert worden. Aus Sicht von MFE sind diese Vertragsverlängerungen ungünstig, sichern sie doch Mildner wie Habets eine höhere Abfindung zu.

Wie es in einer Mitteilung des Konzerns heißt, wird Habets seinen Nachfolger Giordani bis Jahresende beraten, „insbesondere um einen nahtlosen Übergang sicherzustellen“. Neuer Finanzvorstand ist von sofort an Bob Rajan, der den Posten auf Interimsbasis übernehmen soll, „um vor allem den Reorganisationsprozess voranzutreiben und die Profitabilität des Unternehmens zu steigern.“ Die Neuordnung in der obersten Führungsetage von Pro Sieben Sat.1 rundet der sofortige Abschied von Markus Breitenecker ab, der für das operative Geschäft zuständig war. Sein Vorstandsposten soll nicht neu besetzt werden.

Giordanis Einfluss ist groß

Der 63 Jahre alte Giordani ist ein Urgewächs der MFE-Gruppe, die Silvio Berlusconi einst unter dem Namen Mediaset gegründet hat. Seit einem Viertel Jahrhundert ist Giordani MFE-Finanzvorstand. Die Expansion nach Spanien und nach Deutschland hat er wesentlich mitbestimmt. Bei Pro Sieben Sat.1 ist er gut bekannt, weil über ihn meist die Kontakte nach Italien liefen. Nicht wenige dort hielten ihn für den wahren Chef des Konzerns.

Das mag übertrieben sein, doch groß ist Giordanis Einfluss in jedem Fall. Er soll auch weiterhin dem MFE-Verwaltungsrat angehören, was zeigt, dass Pier Silvio Berlusconi, der Sohn des verstorbenen italienischen Ministerpräsidenten, ihn weiter in seiner Nähe haben will. Schon vor seiner Ernennung zum MFE-Finanzvorstand war Giordani in leitenden Funktionen bei der Gruppe tätig. Er gilt auch als ein anerkannter TV-Experte. Deutsch spricht er freilich nicht, Englisch wird die Verkehrssprache mit ihm sein.

Seine akademische Ausbildung erhielt der gebürtige Mailänder Giordani an der Bocconi-Universität in seiner Heimatstadt. Vor seinem Eintritt bei Mediaset-MFE arbeitete er für die Kaufhauskette Rinascente und für eine Finanzholding der Industriefamilie Agnelli. Und nun übernimmt er die Regie bei der wichtigsten Tochtergesellschaft.

Keine Überraschung

Der Durchgriff der Italiener überrascht nicht, höchstens wie schnell er geschieht. Vorstandschef Habets, der lange auf die Eigenständigkeit von Pro Sieben Sat.1 gepocht hatte, zeigte sich in den vergangenen Monaten immer offener für eine engere Kooperation mit MFE. Man erkenne „an, dass eine Kombination von Geschäftsaktivitäten innerhalb einer paneuropäischen Gruppe“ wie die Zusammenführung der Geschäftsaktivitäten von MFE und Pro Sieben Sat.1 „zusätzliche strategische Vorteile und erhöhte Synergiepotenziale in gewissem Maße bieten könnte“, hatte der Vorstand schließlich in der nach Aktienrecht vorgeschriebenen begründeten Stellungnahme zum Übernahmeangebot schließlich mitgeteilt.

MFE will in einem engen Schulterschluss mit den deutschen Sendern erheblich Kostensynergien heben. Von jährlichen Einsparungen von bis zu 150 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern war die Rede. Und dies setze „die vollständige rechtliche Integration von Pro Sieben Sat.1 in MFE voraus“, hatten die Italiener verlautbaren lassen.

Derzeit leiden sowohl MFE als auch Pro Sieben Sat.1 unter einem rückläufigen Werbemarkt und der starken Konkurrenz der Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime oder Disney. Die deutsche Sendergruppe ist zudem mit 1,3 Milliarden Euro sehr hoch verschuldet und besitzt mit der Onlineparfümerie Flaconi oder der Datingplattform Parship-Meet einige Internetbeteiligungen, die sich derzeit kaum verkaufen lassen.