Berliner Kunstraum CCA im Portrait: Ein Ort, der bleibt

Kühl ist es dieser Tage im schattigen Vorbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz, auf dem sich der unverwüstliche Wasserklops erhebt. Noch ein paar Tage ist „Frühling“ im CCA. So heißt die aktuelle Gruppenausstellung im Center for Contemporary Arts, das nun seit zwei Jahren fest in den Räumen der Kirche untergebracht ist.

Gleich im Eingang hängt eine Autotür an Stahlseilen von der Decke: „To Have Been A Part (Where Are We Today …)“ heißt die Installation von Jo­shua Tarelle Reid & Ross Alexander Payne, deren Am­bient-Sound aus einem eingebauten Lautsprecher in den Raum rieselt. „Dabei gewesen zu sein. (Wo sind wir heute?)“.

Ein Titel, der nicht nur zur Arbeit des britischen Künstlerduos passt, das sich mit der englischen Rave-Bewegung befasst, sondern auch zu einem Besuch im CCA selbst, das sich in nur wenigen Jahren zu einem der interessantesten Kunsträume Berlins entwickelt hat.

Kunst in den zentral angeordneten Räumen des Glasbaustein-Baus von Egon Eiermann zu zeigen, ist kein leichtes Unterfangen – zu distinktiv ist die Architektur. Gegen sie anzukuratieren, hat keinen Sinn; die Werke müssen mit ihr kommunizieren, sich einfügen in die kammerartigen, holzvertäfelten und durch Glaswände getrennten Zimmer.

Eine neue Institution für Berlin

Etwa wie die Arbeit des schwer zu fassenden Design-Kunst-Mode-Interior-Kollektivs BLESS, das mit einer seiner klugen, ortsspezifischen Fototapeten und weirden Gebrauchsobjekten den zentralen Ausstellungsraum um eine doppelte Perspektive erweitert.

Die zweite Seite des Protestbanners „No place – for violence“ der Künstlerin Rene Matić



Foto:
Diana Pfammatter


Dass das CCA ausgerechnet hier ein neues Zuhause fand – in dem Bau, der ursprünglich als Foyer der Kirche geplant war –, ist zwar ein glücklicher Zufall, die Entscheidung, sich bei der Wahl des Orts im Stadtraum nach Westen zu orientieren, dorthin, wo zwar viele Galerien, aber wenige Institutionen sitzen, hingegen keineswegs.

Eine neue, gemeinnützige Kunstinstitution für Berlin sollte es sein, als Kurator Fabian Schöneich das CCA 2022 – damals noch in Räumen in der Schöneberger Kurfürstenstraße – gründete. Kein sammelndes Museum und auch keine Verkaufsgalerie, sondern ein nicht profitorientierter Ort. Nicht nur für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, sondern auch für Musik, Literatur und Diskurs.

Mit internationalem unterstützenden Beirat, offen für alle und finanzierbar auch ohne öffentliche Gelder. „Ein Experiment“, wie Schöneich sagt: „Meine These war: Berlin ist groß genug für mehr Institutionen.“ Um das möglich zu machen, sammelt der in Zürich ausgebildete Kunsthistoriker Spenden ein.

Das liebe Geld

„Es war immer klar, dass es keine Anschubfinanzierung von der Stadt geben wird – diese Art von Förderung existiert generell nicht. Es gibt eine kleine Basisförderung, auf die man sich nach zwei Jahren bewerben kann, die bei uns aber nicht greift, da sie für kleinere Projekträume mit Summen bis 20.000 Euro vorgesehen ist. Wir benötigen mindestens 100.000 Euro pro Jahr und sind dafür zu groß. Die Stadt fördert nach dem Gießkannenprinzip – auch wenn sie dem wahrscheinlich widersprechen würde.“

Frühling 2025

bis 12. Juli 2025. CCA Berlin, ­Breitscheidplatz, 10789 BerlinDi–Sa: 11:00–18:00. Freier Eintritthttps://cca.berlin/de/

Schöneich aktiviert sein Netzwerk: Sammler, Galerien, Menschen, mit denen er studierte und aus seinen beruflichen Stationen bei Hauser & Wirth, Witte de With, der Kunsthalle Basel und seinen Jahren als Kurator des von Kaspar König gegründeten Frankfurter Portikus. Schließlich erhält er genug Beträge zwischen 1.000 und 20.000 Euro, um eine gGmbH zu gründen und mit gesicherter Finanzierung für die ersten Jahre zu starten – und dabei gleichzeitig eine größere inhaltliche Unabhängigkeit und Spontaneität zu gewährleisten, als staatliche Gelder oft ermöglichen.

Inwieweit die Interessen der Spen­de­r:in­nen dabei berücksichtigt werden müssen? „Es gibt keine inhaltlichen Bedingungen. Die Spen­de­r:in­nen knüpfen keinerlei Vorgaben an ihre Unterstützung, viele finden es toll, bei der Neugründung einer Institution dabei zu sein“, so Schöneich. „Gleichzeitig suchen wir stetig nach neuen Unterstützer:innen, um uns für die Zukunft abzusichern“, ergänzt er, mittlerweile gibt es einen Freundeskreis für För­de­r:in­nen und Unterstützende.

Vormals eher versteckt im Stadtbild, Rücken an Rücken mit der Galerie Heidi, eröffnet das CCA mit Arbeiten der 1985 verstorbenen Bildhauerin Charlotte Posenenske. Es folgen Einzelausstellungen von Hanne Lippard und He Xiangyu, Gruppenausstellungen, das an verschiedenen Orten im Stadtraum verortete Literaturprojekt Displayed Words und Veranstaltungen. Das Programm ist international, schnell und übersichtlich. Häufig wird nur ein Werk gezeigt, ergänzt durch Lesungen, Konzerte, Diskussionen, Filmvorführungen.

Ein Raum für die ganze Stadt

Der Eintritt im CCA ist kostenlos. Die Ausstellungstexte werden auf Deutsch, Englisch und bei Einzelpräsentationen in den Herkunftssprachen der ausgestellten Künst­le­r:in­nen verfasst – was schnell die verschiedensten kulturellen Communities der Stadt anzieht. Das multidisziplinäre Konzept unterstützt dies. So sammelt sich auf den Eröffnungen mittlerweile eine ganz eigene Mischung der Berliner Kulturszene.

Der Kurator und Direktor des CCA: Fabian Schöneich



Foto:
Diana Pfammatter


In Berlin anzukommen, ist nicht leicht. Nicht nur Politik und Wirtschaft, auch Kunst und Kultur umweht der sagenumwobene Duft des Klüngels. Den 1985 in Gera geborenen Schöneich scheint das nicht groß aufzuhalten. Mit messerscharfer Höflichkeit und intelligentem Stoizismus siedelt er sein Projekt einfach direkt über dem Klein-Klein des Berliner Kunstbetriebs an – und ergänzt ihn so subtil um ein internationales, ernst gemeintes Haus.

Mit vollem Erfolg: Das CCA kooperierte mit dem Ausstellungsraum Para Site in Hongkong, dem Festival Glasgow International und dem MoMA PS1 in New York, wohin die Doppelausstellung von Enzo Camacho und Ami Lien reiste. Die von Schöneich im ehemaligen Kranzler-Komplex präsentierte Künstlerin Nazanin Noori war der unangefochtene Geheimtipp der letzten Art Week und gewann vor wenigen Wochen auch den renommierten Ars-Viva-Preis für 2026.

Rene Matić‘ Ausstellung im CCA wurde für den Turner Prize nominiert

Und nun ist auch noch die britische Künstlerin Rene Matić mit ihrer Ausstellung „As Opposed to the Truth“ für den Turner-Preis nominiert – eine leise, intensive und poetische Auseinandersetzung mit nationaler Identität, dem globalen Aufstieg der Neuen Rechten und der ihr entgegenzustellenden Fürsorge.

Matić’ stille, beobachtende und zugleich analytische Arbeitsweise – etwa, wenn sie ein doppelseitiges Protestbanner mit den Worten „No Place / For Violence“ im Ausstellungsraum anbringt und damit auf Joe Bidens und Barack Obamas Worte nach dem versuchten Attentat auf Donald Trump verweist – entlarvt die Doppelmoral westlicher Rhetorik. Matić’ Ausstellung steht exemplarisch für die künstlerischen und kuratorischen Intentionen des CCA.

Und spätestens jetzt auch als vollendete Beweisführung für Schöneichs These: Berlin hat genug Platz für eine Kulturinstitution mehr. Es bleibt zu hoffen, dass sie bleiben wird.