Berlin Reporterpreis 2015: alle Gewinner – Medien

Ein besonderer Moment, auch einer, der über das übliche Branchengeklatsche hinausgeht, kam am Montagabend, als das „Reporter:innen-Forum“ den Sonderpreis verlieh. Im Berliner Heimathafen Neukölln hatte Claus Kleber soeben die Laudatio auf die palästinensische Journalistin Ghada Alkurd gehalten, die per Video aus Gaza zugeschaltet war. Von dort berichtet sie unter anderem für den Spiegel und die BBC und, so die Jury, ihre Recherchen machten sichtbar, was sonst verborgen bliebe: Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und das Leid der Zivilbevölkerung. Vor Ort nahm ihre Schwester den Preis für Alkurd entgegen, und als sich die beiden am Bildschirm sahen, hatte das etwas sehr Berührendes, es gab Standing Ovations.

Als beste Reportage wurde Julia Kopatzki ausgezeichnet, für ihren Text im Spiegel „Darf ich raus?“ war sie in einer geschlossenen Mädchen-Wohngruppe in der Niefernburg, wo sie drei Mädchen in ihrem Alltag begleitet hat. „Leicht und humorvoll“ habe Julia Kopatzki „dieses schwere Thema“ erzählt, lobte die Jury.

Michael Martens erhielt den Preis in der Kategorie bestes Interview, das er mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučićs in der FAS geführt hat. Die Jury lobte seinen Mut, ein solches Gespräch trotz möglicher Repressionen zu führen, seine präzisen, teils ironischen Nachfragen, und sieht in „Das habe ich nie gesagt“ einen „Moment journalistischer Ermächtigung mit Vorbildcharakter“.

Zur besten Lokalreportage meint die Jury: „Manuela Müller ist eine Reporterin mit Klasse“

Was man noch sagen dürfe, vor allem, wenn es rechte Narrative bediene, danach fragt Manuela Müller in ihrem Text „Die dunkle Seite des Schenkens“ für die Freie Presse, der in der Kategorie beste Lokalreportage gewonnen hat. Es geht um eine inzwischen eingestellte Geschenkaktion der Zwickauer Tafel. Sie beschreibt den Frust der Ehrenamtlichen über mangelnde Wertschätzung, auch durch Tafelgäste mit Migrationsgeschichte, und fragt: Müssen Beschenkte grundsätzlich dankbar sein? Die Jury meint: „Feine Recherche, angemessen dosierte Reflexions-Elemente, brüllend komisch aufgeschrieben innerhalb einer knappen Woche: Manuela Müller ist eine Reporterin mit Klasse.“

Außerdem wurden in der Kategorie beste Investigation das Projekt des Spiegel „Wie ein ukrainisches Geheimkommando Nord Stream sprengte“, der ZeitPodcast „Irma. Das Kind aus Srebrenica“ (von Simone Gaul und Bastian Berbner) sowie das Multimediaprojekt über Femizide in Deutschland„Und dann malt er ein Herz aus ihrem Blut ans Fenster“, ebenfalls von der Zeit, ausgezeichnet. Als beste Kulturreportage gewann Philipp Daum mit „Sie erlaubten Scheidungen und liebten gutes Brot“ über Orchideenfächer an Universitäten – und das ausgestorbene Volk der Hethiter.

Die Gewinner im Überblick:

Beste Reportage: Julia Kopatzki – Darf ich raus?

Bestes Interview:  Michael Martens – „Das habe ich nie gesagt“

Investigation: Fidelius Schmid, Jörg Diehl, Roman Höfner, Martin Knobbe, Roman Lehberger, Thomas Schulz, Wolf Wiedmann-Schmidt, Anika Zeller – Wie ein ukrainisches Geheimkommando Nord Stream sprengte

Datenjournalismus und Multimedia: Elisabeth Raether, Annick Ehmann, Tamara Flemisch, Dana Hajek – Und dann malt er ein Herz aus ihrem Blut ans Fenster

Beste Lokalreportage: Titel: Manuela Müller – Die dunkle Seite des Schenkens

Newcomer: Jonas Waack – Das Dorf der Unbeugsamen

Beste Kulturreportage: Philipp Daum – Sie erlaubten Scheidungen und liebten gutes Brot

Bester Podcast: Simone Gaul, Bastian Berbner – Irma. Das Kind aus Srebrenica

Beste Wissenschaftsreportage: Matthias Thome – Das Bersten der Berge

Beste freie Reportage: Nik Afanasjew – Spitzbergen ist der nördlichste Ort der Welt, an dem Menschen wohnen

Bester Essay: Elia Blülle – Wo es wehtut

Sonderpreis: Ghada Alkurd

Das „Reporter:innen-Forum“ ist ein Verein, der seit 2009 Journalisten auszeichnet. In diesem Jahr wurden 940 Arbeiten eingereicht und von der Jury, in denen Zeitungsjournalisten, Fernsehleute, Schauspieler, Wissenschaftlerinnen und Unternehmer sitzen, bewertet.