
Nach den blutigen Kämpfen im Westen Syriens hat Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa die Anhänger des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad zur Kapitulation aufgefordert. Die alawitischen Kämpfer müssten sich ergeben, „bevor es zu spät ist“, sagte al-Scharaa am Freitag in einer Ansprache auf Telegram. „Sie haben sich gegen alle Syrer gewandt und einen unverzeihlichen Fehler begangen. Der Gegenschlag ist gekommen.“
In der mehrheitlich von Mitgliedern der religiösen Minderheit der Alawiten – welcher auch Assad angehört – bewohnten Region im Westen des Landes finden seit Donnerstag die bisher schwersten Kämpfe zwischen Assad-treuen Milizen und Truppen der neuen islamistischen syrischen Machthaber statt. Berichten zufolge kam es auch zu Massakern an der Zivilbevölkerung.
Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seit Donnerstag 95 Kämpfer getötet, 162 alawitische Zivilisten seien von Regierungstruppen „hingerichtet“ worden.
Berichte über Massaker an Zivilisten
Auch Frauen und Kinder sollen unter den Toten sein. Aktivisten aus der Stadt Idlib, mit denen die Deutsche Presse-Agentur (dpa) sprechen konnte, machten bewaffnete Unterstützer der Übergangsregierung aus ihrer Provinz, die sich Befehlen aus Damaskus widersetzt haben sollen, für die Massaker verantwortlich.
Ein Augenzeuge in der Stadt Banias, wo allein 60 Menschen getötet worden sein sollen, sagte der dpa am Telefon, es herrsche Chaos. „Unschuldige Menschen, die unbewaffnet waren, wurden entweder in ihren Häusern oder davor vor den Augen ihrer Familien erschossen“, so der Mann, der aus Angst vor Repressalien nicht namentlich genannt werden wollte.
Im syrischen Staatsfernsehen hieß es, Unbekannte hätten sich in Uniformen der Regierungstruppen verkleidet und die Taten begangen, um einen Bürgerkrieg anzustiften. Der Chef des syrischen Geheimdiensts, Anas Khatab, hatte die eigenen Kämpfer zur Zurückhaltung aufgerufen. Er machte führende Figuren aus Assads früherem Militär- und Sicherheitsapparat für die Auseinandersetzungen verantwortlich. Ihre Operation, bei der auch Dutzende Mitglieder von Armee und Polizei getötet worden seien, würde aus dem Ausland gesteuert.
Viele Syrer wollen hartes Durchgreifen
Tausende Menschen hatten sich nach Ausbruch der Kämpfe am in Damaskus und etlichen anderen Städten versammelt, um gegen die bewaffneten Assad-Anhänger zu demonstrieren.

Viele forderten, die bewaffneten Angriffe zurückzuschlagen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Am Freitag verkündete die Übergangsregierung den Beginn eines „großangelegten“ Einsatzes, der auf „die Überreste von Assads Milizen und ihre Unterstützer“ zielt. Übergangspräsident Al-Scharaa erklärte bei Telegram zudem, die Übergangsregierung wolle ein „Waffenmonopol in den Händen des Staates“. Es werde keine unkontrollierten Waffen mehr geben.
Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz hatten Anfang Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft von Assad beendet. Seit ihrer Machtübernahme hat die neue syrische Führung wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Die Alawiten fürchten jedoch Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Gemeinschaft, sowohl als religiöse Minderheit als auch wegen ihrer Treue zur Assad-Familie.