Beim Pitti Uomo in Florenz sind die Männer toll gekleidet





18. Oktober 2025 · Beim Pitti Uomo in Florenz sind die Männer toll gekleidet. Wie machen die das? Und kann man davon lernen?




Beim Pitti Uomo in Florenz zeigen immer im Januar und im Juni Hunderte Männermodemarken ihre Entwürfe für die nächste Saison. Dass sich diese Zusammenkunft in der Fortezza da Basso weiter „die größte Herrenmodemesse der Welt“ nennen darf, das ist auch sein Verdienst: Agostino Poletto ist Generaldirektor des Messeveranstalters Pitti Immagine. Und er geht in der Vermarktung mit gutem Beispiel voran. Sein Sakko ist von Lardini, sein Hemd von Bagutta, seine Hose von Briglia, das Einstecktuch von Massimo Alba – diese italienischen Marken haben also schon an seiner Person ihren großen Messeauftritt. Der Manager, der seit 1993 beim Pitti arbeitet, beweist, dass lockerer Stil keine Frage des Alters ist. Wo sonst hat man schon einmal einen Generaldirektor in Espadrilles gesehen?












Deutsche Männermodels sind der Öffentlichkeit meist unbekannt; Jonas Glöer und Alpha Dia kennt man zwar in Mailand, aber kaum in Deutschland. Die Ausnahme ist Johannes Huebl. Er lebt in New York und ist vermutlich öfter in Paris zu sehen als in seiner niedersächsischen Heimat. Aber der Siebenundvierzigjährige ist schon etwas länger dabei, ist durch Kampagnen bekannt, hat eine Million Follower und wird auf vielen Veranstaltungen fotografiert, auch wegen seiner Frau Olivia Palermo. (Wobei F.A.Z.-Leser natürlich eher seinen älteren Bruder kennen, den Philosophen Philipp Hübl.) So oder so: Johannes Huebl sieht toll aus und kleidet sich sehr gut. Ein Poloshirt zum zweireihigen Sakko trägt er so locker wie eine teure Uhr zum Dreitagebart und die Sonnenbrille im gescheitelten Haar.




Wie neugierig er schon schaut! Angelo Flaccavento ist der Patrick Bahners des Modejournalismus: der scharfsinnigste und kritischste Beobachter, den man sich denken kann. Die italienische Modeszene hat seine gesalzenen Kommentare in der Zeitung „Il Sole 24 Ore“ und bei „Business of Fashion“ bitter nötig; denn sie besteht vor allem aus Claqueuren, oft im wahren Sinne, also aus Journalisten, die bei jeder noch so banalen Äußerung eines Designers begeistert applaudieren. Vor und nach den Schauen wird „poeticallypunk“, wie er sich auf Instagram nennt, oft fotografiert. Denn auch an seinen eigenen Look legt Flaccavento, der aus Sizilien stammt und ein distanzierter Beobachter geblieben ist, hohe Maßstäbe an. Mit einem Miyake-Rock erfüllt er sie bei Florentiner Hitze auf coole und kühlende Art.








Pietro Fadda kommt locker daher: Die Hosenbeine hängen über die Schuhe, die Tasche hängt über der Schulter, das Hemd hängt teils aus der Hose. Er kann es sich erlauben. Fadda stammt aus der Seidenstadt Como, hat am Istituto Marangoni studiert, der wohl besten italienischen Modeschule, hat vier Jahre lang als Herrendesigner bei Missoni gearbeitet und ist seit einem Jahr bei der Traditionsmarke Canali in Mailand für „formal wear“ zuständig – mehr Mode geht nicht. Seine Lässigkeit hat also System: Den Look aufzubrechen, das probiert er auch an sich selbst. Am wichtigsten sei die Silhouette, sagt er, und die strebe bei den Hosen unten in die Weite und Länge. Selbst die Tasche, sein auffälligstes Accessoire, unterstützt den entspannten Look: Es ist ein minimalistisches Modell von „curated by“.




Manche Männer muss man einfach mögen. Daher ist es auch nicht übertrieben, Kaku Itakura hier zum zweiten Mal zu präsentieren; schon vor einem Jahr war er an dieser Stelle zu sehen, ähnlich gut gekleidet. Während sich die „Pitti Peacocks“, die Pfauen der Messe, unten in der Sonne in leuchtenden Anzügen und mit peinlichen Zwirbelbärten gefallen, bleibt er stilvoll zurückhaltend. Kein Wunder, Itakura, der 1947 geboren wurde, lebt in Mailand und berät als Geschäftsführer der japanischen Men’s Fashion Unity (MFU) Modefirmen. Jil-Sander-Hemd, Alden-Schuhe, Borsalino-Kappe, Marchesi-Brille: Dieser Mann liebt gute Marken. Er fragt denn auch sofort, mit was für einem Fotoapparat er aufgenommen wird. „Nikon? Sehr gut! Deutsche Autos, japanische Kameras, so ist’s am besten.“








Yu Masui zeigt nicht nur, wie vielseitig er selbst ist. An diesem schönen Morgen in Florenz beweist der japanische Modejournalist mit seinem Look auch, wie versatil Raf Simons ist, einer seiner Lieblingsdesigner. Denn die kurze schwarze Hose stammt aus der Zeit des belgischen Modemachers bei der Marke Jil Sander. Und das ärmellose Oberteil mit einem bunten Pop-Art-Druck ist ein Sammlerstück aus der Kollektion der Marke Raf Simons für Frühjahr und Sommer 2014. Die Schuhe, die Brille, die Haare: Yu Masui, der bei Tokio aufwuchs, in London lebt und für japanische Magazine schreibt, hat nicht umsonst 85.000 Instagram-Follower. Und dann noch diese McDonald’s-Tüte als Handtasche! Sie hat auch symbolische Bedeutung: Er geht öfters mal zu McDonald’s, „gerne auch nach einem Fashion Dinner“.




„No Chaser“ gehört zu den coolsten New Yorker Magazinen über Stil und Kultur. Man erkennt es schon am Style Director des Hefts, Kamau Hosten. Er nimmt das Leben easy, trägt zur kurzen weißen Hose rote Puma-Sneaker, und das maßgeschneiderte Leinenhemd des neapolitanischen Schneiders Ciriello ist weit aufgeknöpft. An den Ärmeln ist das Hemd ebenso locker umgeschlagen wie es die Ärmel der frei interpretierten maßgeschneiderten Smoking-Jacke des Hongkonger Herstellers Ascot Chang sind. Die Base Cap hat er falsch herum aufgesetzt, die getönte Brille hat die Ausmaße von Glasbausteinen, die Schnürsenkel sind halb offen. Der Stylist, der auch Stars für die Met Gala und andere Veranstaltungen ausstattet, weiß, wie man es macht. So sind die Accessoires alle aus Gold, von der Uhr bis zum Ohrstecker.








Bei aller Liebe zur Mode hat sich Julian Daynov einen gesunden Hang zur Ironie bewahrt. Sein Instagram-Account steht unter dem Motto „big mouth | bigger heart | skinny bitch | heavy jet set | never jet lag“. Aber die Mode nimmt Daynov so ernst, dass er nach der Präsentation der Miyake-Männermodelinie Homme Plissé alle Farbskalen und Experimentalentwürfe des Designteams postet. Der aus den Vereinigten Staaten stammende Kreativdirektor, Trendscout und Markenberater, der lange in New York für Saks Fifth Avenue arbeitete und nun die deutsche Modeszene in Berlin mit seinen Ideen belebt, ist eben auch an der Inszenierung von Kollektionen interessiert. Klar, dass er an diesem Abend in einer Medici-Villa über den Dächern von Florenz die Marke Miyake auch mit seinem eigenen Look feiert.




Anirwan Bansriyar reist durch die Welt, um neue Marken zu entdecken und neue Märkte zu finden. Als Produkt- und Designchef bei den indischen Bekleidungsherstellern Aquarelle India Pvt Ltd und Tropic India (die zu Ciel Textiles gehören) braucht er dauernd Anregungen, um neue Produkte zu entwickeln. Bansriyar selbst, der in Delhi am National Institute of Fashion Technology studiert hat, geht mit gutem Beispiel voran – und überträgt den aktuellen Jeans-Trend mit Indigofarben auf sein Mundu-Wickelgewand von der Marke Mykynd. Da passt einfach alles! Der Sonne in Florenz begegnet er mit dem tief ins Gesicht gezogenen Hut, der Sonnenbrille und natürlich dem Wickelrock. „Ich lebe in Bangalore – da kennen wir uns mit Hitze aus“, sagt Bansriyar. „Bei diesem Klima ist ein Mundu einfach super.“








Man sieht ihn schon von Ferne, wegen seiner hochgesteckten Dreads. Hassani Abdulahi Mgoya, „Vintage Trader and Curator“, hat auch seinen Look von Kopf bis Fuß kuratiert. Dieses Mal sind die Siebzigerjahre leitend. Er ruft die Zeit mit seiner Levi’s-Jeans auf, denn auch Schlaghosen sind ja wieder da. Den langen Kragen seines gelben Hemds legt er über die rostrote Jacke wie John Travolta einst in „Saturday Night Fever“. Der Vierunddreißigjährige, der aus Tansania stammt, in Italien aufwuchs und in London lebt, sammelt alte Modestücke und verkauft sie samstags auf dem Portobello Vintage Market. „Es ist noch nicht lange her, dass sich Männer so gut wie möglich gekleidet haben“, sagt Hassani Abdulahi Mgoya. „Dieser Sinn scheint verlorenzugehen.“ Er hält ihn am Leben.




Ein Deutscher! Selten genug, dass wir stilprägende Männer (oder Frauen) zu bieten haben. Wobei Cristobal Machhaus, wie sein Vorname verrät, über seine Mutter auch einen chilenischen Hintergrund hat. Als Director International Sales des Herrenmodeunternehmens Digel aus Nagold kennt er sich mit Männertrends aus – und wendet sie auch auf sich an. „Sakkos werden langsam abgelöst durch lockere Overshirts“, sagt er. „Und die Hosen bekommen durch Bundfalten mehr Weite.“ Bei Digel hält man sich daran, wie man sieht. Fürs Foto schnappt sich Machhaus noch schnell seine Zara-Tasche. Klamotten sind für den Modemann, der in Boppard aufwuchs, in Trier studierte und in Bad Homburg lebt, eine Kunstform. Er kombiniert Vintage, Klassik, Fashion – und kleidet sich jeden Tag anders.








Sollen wir? Sollen wir nicht? Wer in diese Reihe aufgenommen wird, das entscheiden Autor und Fotograf gemeinsam. Bei Alessandro Bagnacani entschied nicht der erste Blick, weil er fast unauffällig vorbeilief. Aber der zweite Blick. Das Blassrosa, die Bundfaltenhose (von Briglia), die fast wie eine Haremshose unten eng zusammenläuft, die Penny-Loafer von Doucal’s, die Freundschaftsarmbänder – sie stehen für einen mutigen Look, der auch Gegensätze wie die männliche Pilotenbrille und die weiblichen Farben in sich vereint. Was ist wichtig für seinen persönlichen Stil? „La personalità è la cosa più importante“, sagt der Einundfünfzigjährige, der in einer Bank arbeitet und im Nebenberuf Modefan ist. Er hat gut reden: Er lebt in Rimini, wo man jede Farbe und jede Silhouette tragen kann.




Unauffälliger geht es kaum – besser auch kaum. Die großen Zeiten des Minimalismus seien vorbei, heißt es oft. Aber Überdekoration, Kitsch und Wichtigtuerei verleiden den Blick auf die neue Mode. Gut also, dass man Paolo Petrelli trifft, der als Einkäufer bei der Kaufhauskette Rinascente arbeitet und den Charme der Zurückhaltung schätzt, der sich in guten Stoffen und gewählten Farben ausdrückt. „Für mich ist es wichtig, dass die Mode bequem ist“, sagt der Einunddreißigjährige, der aus Apulien stammt, in Bologna Jura studiert hat und erst dann zu seinem Traumjob als Männermode-Einkäufer gefunden hat. Das dunkelblaue Longsleeve von Lemaire ist aus „ice cotton“, hält also bei Hitze kühl. Bequem ist auch seine Hose von Marni: Zwei Bundfalten bedeuten, dass sie „wunderbar luftig“ ist.








Kann man so kastig durch die Weltgeschichte gehen? Rubén Herrera Hernández kann das. Der Spanier, der in Stockholm lebt, kennt sich aus, schließlich arbeitet er für einen skandinavischen Modehersteller. „Viele Firmen sind sehr gut, was das Handwerk angeht, aber nicht so gut darin, ihre Prozesse zu optimieren“ – das macht dann er. Optimiert hat Herrera Hernández auch seinen zweireihigen Anzug. Damit die Überweite etwas lockerer aussieht, trägt er ihn offen. Das Hemd ist so weit aufgeknöpft, dass eine Tätowierung auf der Brust hervorblitzt. Die Hosen enden im Nirgendwo und geben den Blick auf die Schuhe frei. Zu seiner Tasche von Masmi sagt er: „Weniger ist mehr.“ Auf sein Leben trifft das nicht zu: „Alicante war zu klein für mich.“ Also ist er zu seiner schwedischen Freundin gezogen.




Wenn hier langsam der Eindruck entsteht, dass sich diese Männer vor allem um ihr Aussehen kümmern und darum, wegen ihres Aussehens fotografiert zu werden, dann ist das natürlich – richtig. Und doch auch falsch. Ricky Winston zum Beispiel ist nicht zur Stazione Leopolda gekommen, um sich für uns wichtig zu machen, sondern um die Schau eines koreanischen Labels zu begutachten. Als Einkäufer der britischen Kaufhauskette Selfridges sucht er neue Labels und bespricht mit seinen Kolleginnen, was für ihre Männermode-Abteilungen in Frage kommt. Sein persönlicher Stil? „Die Basis ist Schwarz – und dann kann man Farben ergänzen.“ Er hat ziemlich viele Tätowierungen auf den Armen, leidet da nicht die Autorität bei Selfridges? „Nein“, ruft seine Chefin, „im Büro trägt er lange Ärmel.“








Es begann mit Hosen. Heute bietet die unterfränkisch-internationale Marke Drykorn eine Rundum-Kollektion im Contemporary-Segment an – modisch und trotzdem bezahlbar. Rüdiger Oberschür weiß das natürlich, denn als Moderedakteur von „Fashion Network“ kennt er viele Kollektionen und sucht sich gleich auch seine persönlichen Teile aus, zum Beispiel diesen Drykorn-Jacquard-Anzug, den er auf dem Weg zum letzten Messetag trägt. Das auffällige Schlangenmuster kombiniert er neutral, hier mit einem schwarzen T-Shirt von John Richmond, schwarzen Sandalen von Cos und einer Sonnenbrille von Diesel. Lust auf Akzente hat er immer, zum Beispiel mit seinem auffälligen Schmuck, den er bei Chrome Hearts fand – und auf dem Flohmarkt. Muss ja nicht unbedingt teuer sein.