Begegnungen zwischen Mährobotern und Igeln müssen nicht tödlich enden

Philip Larkin wurde zu Lebzeiten unter die bedeutendsten englischen Dichter gezählt, geehrt, zum Ritter geschlagen und, da er beruflich ein engagierter Bi­bliothekar war, in den Aufsichtsrat der British Library gewählt. Das Bild des in Coventry geborenen, klassisch gelehrten Autors und modernen Künstlers bekam nach dessen Tod 1985 allerdings hässliche Risse. In Larkins schriftlichem Nachlass oder dem, was davon nach der teilweisen eigenen Vernichtung durch den Autor übrig geblieben war, fanden sich Korrespondenzen mit einzelnen rassistisch zu verstehenden Bemerkungen und Spuren eines intensiven Hin­gezogenseins zu Pornographie. Das beschädigte die „Englishness“ seiner Existenz in den Augen vieler Landsleute und Leser erheblich.

Als Bibliothekar hat Larkin Unglaubliches geleistet. Doch bevor er jahrzehntelang für umfangreiche Buchankäufe sorgte und an seinen Gedichten arbei­tete, hatte er in Oxford studiert und langwährende Freundschaften geschlossen, darunter die besonders wichtige mit Kingsley Amis. Larkin war also ein widersprüchlicher Charakter, der gelegentlich widerwärtige Bemerkungen machte und tageslichtuntaugliche, aber eben nicht kriminelle Vorlieben hatte.

„Der Rasenmäher stockte zweimal“

Man hat das Gefühl, dies voranschicken zu müssen; man muss, wenn man von ihnen erfährt, mit den Entdeckungen über die Toten leben. Gelingt es, das Unangenehme einzuordnen, lässt sich die naturverbundene Seite Larkins entdecken, so in einem Gedicht auf einen Igel, das man als einen poetischen Nachruf lesen kann. Denn Larkin hatte den Igel, von dem er schreibt, unabsichtlich ge­tötet und zeigte sich davon erstaunlich erschüttert. Gartenbesitzer oder andere, die viel draußen sind, kennen diese besondere Verbindung zu Wildtieren, die sich aufbaut, wenn man dasselbe Tier immer wieder sieht und das Gefühl hat, man sei mit ihm vertraut. Das Gedicht „Der Mäher“ schrieb Larkin 1979: „The mower stalled, twice; kneeling, I found / A hedgehog jammed up against the blades, / Killed. It had been in the long grass“. Der Rasenmäher stockt zweimal, der sich hinknieende Gärtner findet den von den Messern des Mähers getöteten Igel, der sich im langen Gras verborgen hatte.

„I had seen it before, and even fed it, once. / Now I had mauled its unob­trusive world / Unmen­dably. Burial was no help“. Das lyrische Ich hatte den Igel schon manchmal ge­sehen und auch einmal gefüttert. Jetzt hatte es die un­einnehmbare Welt des Igels unheilbar zerfleischt. Das Begräbnis half nicht: „Next morning I got up and it did not“. Am nächsten Tag stand er auf, der Igel nicht.

Der Igel gilt jetzt als potenziell gefährdet

Am ersten Tag nach einem Todesfall, schreibt Larkin, ist diese neue Abwesenheit immer gleich. Und er schließt damit, dass wir aufeinander achten und einander Freundlichkeit erweisen sollten – „While there is still time“. So wird das Gedicht über den unabsichtlich getöteten Igel zu einem Nachdenken über den ei­genen Tod. Dessen Unausweichlichkeit und auch die Ungewissheit über den Zeitpunkt seines Eintretens lässt den gütigen Umgang mit anderen Lebewesen erst recht dringlich erscheinen.

Das Gedicht sollte auf den Verpackungen und in den Gebrauchsanweisungen von Rasenmähern stehen. Gegenüber 1979 hat sich die Lage für den Igel keineswegs verbessert. Der bekannte Braunbrustigel, den man aus Gärten, Parks und Terrassen kennt, ist auf der Vorwarnliste der vom Aussterben bedrohten Tierarten zu finden. Diese Einschätzung beruht auf Studien, in de­nen die Anzahl der toten Igel an Straßen etwa in Bayern ausgewertet wurde. Die abnehmende Zahl von toten Igeln erlaubt den Rückschluss, dass die Zahl der Igel überhaupt abnimmt. Auch die Weltnaturschutzunion IUCN hat ihn in die Kate­gorie der potentiell gefährdeten Arten gelistet. Das ist besonders erschütternd, wenn man bedenkt, dass es die Vorfahren des Igels schon vor Millionen Jahren gab.

Ein Nachtfahrverbot für Mähroboter

Das neue Problem des Igels ist der Mähroboter. Igel sind keine Fluchttiere, das Einrollen, das vor den Fressfeinden schützt, lässt sie in den Messern der Roboter umkommen. Da Igel nachtaktiv sind, führen die ersten Gemeinden jetzt schon das Nachtfahrverbot für Mähroboter ein. Aber wie soll das kontrolliert werden? Das Verbot bringt das Thema immerhin in die Öffentlichkeit und klärt über das Problem auf. Doch die Vorschrift in Betriebsanleitungen, Mähroboter nicht unbeaufsichtigt laufen zu lassen, wird selten befolgt. Wozu hat man einen Roboter, wenn man neben ihm stehen bleiben muss? Die Anweisung sorgt vor allem für die Entlastung der Hersteller. Diese ziehen sich auch aus der Verantwortung, indem in die Anleitung schreiben, man solle das zu mähende Areal vorher kontrollieren.

Anne Berger hat jetzt am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Crashtest Dummys entwickelt, die in Tests wie Igel funktionieren. Mit ihnen wäre es möglich, Mähroboter so zu verbessern, dass sie sich bei der Begegnung mit einem Igel abschalten. Kein einziger Mähroboter verschont Igel bisher ganz sicher. Jetzt sind die Dummys marktreif und können von denselben Firmen, die menschliche Crashtest Dummys her­stellen, produziert werden, und dann kann etwa die Stiftung Warentest prüfen, inwieweit sie ihr Sicherheitsversprechen in der Praxis tatsächlich erfüllen. Auf diese Testergebnisse sollten Käufer von Mährobotern in Zukunft achten. Wer mehr tun will, macht mit bei der Melderunde für Igel, zu der die Deutsche Wildtier­stiftung dieses Frühjahr vom 16. bis zum 26. Mai aufruft, wenn die Paarungszeit Hochsaison hat und die Igel sich viel zeigen.

Barrierefreie Gärten sind auch wichtig. Wenn man in Stabmattenzäune oder Mauern Löcher mit einer Größe von 13 mal 13 Zentimetern macht, damit die Igel, die nachts ein bis zwei Kilometer zurücklegen können, passieren können, rettet das auch viele Tiere. Denn sonst sind sie häufiger gezwungen, Grundstückseinfahrten zu nutzen, die oft direkt auf die Straße führen, wo sie dann leicht überfahren werden. Reisig und Laub sollte man in kleinen, wilden Ecken des Gartens liegen lassen. Überhaupt solle man es mit der Rasenpflege nicht übertreiben, im Mai schon gar nicht, damit die Wildkräuter hochkommen können. Mähroboter sind nicht die einzigen Mordinstrumente im Garten: Freischneider, Motorsensen und normale Rasenmäher wie der von Larkin müssen genauso vorsichtig eingesetzt werden.