
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens
(BGE) hat in den vergangenen Jahren viel Hoffnung und Begeisterung geschürt.
Die Auswertung eines Experiments mit dem BGE, an der auch das DIW beteiligt war, zeigt nun – auch für mich – ein
ernüchterndes Resultat: Die Probanden haben mit dem Erhalt regelmäßiger und
bedingungsloser Geldzahlungen über drei Jahre so gut wie nichts in ihrem Leben
verändert. Welche Schlüsse ergeben sich daraus für unsere Gesellschaft und für
den Sozialstaat?
Das BGE wird in Deutschland von vielen befürwortet: 53 Prozent der Menschen sprachen sich bei repräsentativen Umfragen aus dem Jahr
2022 für dessen Einführung aus, nur 36 Prozent waren dagegen. Selbst eine Mehrheit derer mit hohen Einkommen
(einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 5.000 Euro im Monat) und Menschen mit
hoher Bildung (Hochschulabschluss oder Fachhochschulreife) stehen einer
Einführung positiv gegenüber, selbst wenn es sie schlechterstellen würde.
Das vielleicht wichtigste Argument für das BGE ist
das positive Menschenbild, auf dem es beruht: Der Mensch ist ein soziales
Wesen, das eine intrinsische Motivation hat, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu
leisten. Und Menschen sind besser in der Lage, einen solchen Beitrag zu
leisten, wenn sie Freiheiten haben und Unterstützung erhalten, als wenn sie
sanktioniert oder in ihren Freiheiten beschränkt werden. Daher beruht das
Konzept des BGE auf einem proaktiven, befähigenden und nicht auf einem
sanktionierenden Sozialstaat. Das war das Argument, das mich selbst von einem
Kritiker zu einem vorsichtigen Befürworter machte.
Viele Gegner argumentieren jedoch, das Grundeinkommen führe zu Ungerechtigkeiten. Zum Beispiel, weil sich einige eben nicht stärker einbringen und die Umverteilung innerhalb der Gesellschaft zunehme.
Ein Experiment für wissenschaftliche Evidenz
Ein groß angelegtes Experiment hat nun untersucht, wie das bedingungslose Grundeinkommen wirkt: Von Juni 2021 bis Mai 2024 hat der Verein Mein Grundeinkommen rund 120 Personen 1.200 Euro pro Monat ausgezahlt, finanziert
über Spenden und wissenschaftlich begleitet von unabhängigen Expertinnen und
Experten (zur Transparenz: darunter auch meine Kollegin Sandra Bohmann und mein
Kollege Jürgen Schupp).
Um die Resultate wissenschaftlich belastbar und
aussagekräftig zu gestalten, wurden aus mehr als zwei Millionen Bewerberinnen und Bewerbern über
verschiedene Stufen 1.700 Personen durch bestimmte Faktoren ausgewählt und von diesen wiederum zufällig gut 120 für das Grundeinkommen bestimmt,
die anderen 1.580 bildeten die Kontrollgruppe. Die Gruppe wurde zudem auf Menschen begrenzt, die zwischen 21 und 40 Jahre
alt sind, in einem Single-Haushalt leben und ein geringes bis mittleres
Einkommen haben (zwischen 1.100 und 2.600 Euro netto pro Monat). Der Grund: Unter diesen Menschen würde man die größten
Effekte eines BGE erwarten. Denn eine 75 Jahre alte Rentnerin wird
weniger wahrscheinlich ihr Verhalten durch zusätzliche 1.200 Euro im Monat ändern –
ebenso wenig wie Spitzenverdienende. Zum anderen wurden Mehrpersonenhaushalte ausgeschlossen, um individuelle
Effekte der Geldzahlungen besser untersuchen zu können.
Keine Änderung beim Arbeitsverhalten
Die Resultate des Experiments sind für die
Befürwortenden eines BGE ernüchternd, wie eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin zeigt. Die Geldempfänger haben faktisch nichts Grundlegendes an ihrem Arbeitsverhalten
verändert. Sie haben weder ihre Arbeitszeit noch ihre Tätigkeit verändert. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch zwei andere Studien für die USA. Positiv formuliert könnte man sagen: Die soziale Hängematte ist ein Mythos. Aber ein bedingungsloses Grundeinkommen führt eben auch nicht dazu, dass sich Menschen beruflich verbessern.
Es gibt aber zwei signifikante Unterschiede zwischen den Empfängern
des BGE und ihren quasi identischen Zwillingen aus der Kontrollgruppe:
Erstere sind deutlich und nachhaltig zufriedener mit ihrem Leben und haben eine
bessere mentale Gesundheit. Und sie spenden doppelt so viel für soziale Zwecke (29 Euro im Vergleich zu 13 Euro). Ein gutes Drittel des BGE-Geldes wurde zudem gespart. Die
Hälfte des Geldes wurde für den Konsum genutzt, wie für Reisen, Kleidung oder
Freizeit. Stark vereinfacht könnte man das Fazit wie folgt zusammenfassen: Geld
macht zufriedener. Das ist jedoch (auch wissenschaftlich) wenig überraschend.
Und rechtfertigt dies die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens?
Man sollte, wie immer in der Wissenschaft,
vorsichtig mit den Erkenntnissen umgehen. Die Resultate basieren auf
einer kleinen, begrenzten Gruppe von Probandinnen und Probanden. Die größte Schwäche eines
solchen Experiments – wie letztlich aller Verhaltensexperimente – ist die
Tatsache, dass das Geld nur für drei Jahre und nicht permanent ausgezahlt
wurde. Ein Mensch mag sich anders verhalten, wenn er davon ausgehen kann, dass
er das Geld stetig erhält. Bei einer Auszahlung über lediglich drei Jahre ist
es vernünftig, zumindest einen Teil davon zu sparen und den Job nicht zu
kündigen. Was jedoch gegen diese These spricht, ist die Tatsache, dass sich
kaum jemand eine Auszeit vom Job genommen hat und die allerwenigsten trotz des
Geldes gewillt waren, sich fortzubilden oder sich selbstständig zu machen.