Der berühmte Spruch von Enoch Powell, dass alle politischen Karrieren zum Scheitern verurteilt seien, sofern sie nicht auf halbem Weg an einem glücklichen Wendepunkt unterbrochen würden, lässt sich besonders treffend auf die Generaldirektoren der seit Jahren von einer Krise in die nächste stolpernden BBC anwenden.
Rücktritt wegen „systemischer Voreingenommenheit“
Tim Davie, der am Sonntagabend nach fünf turbulenten Jahren wegen neuerlicher Vorwürfe „systemischer Voreingenommenheit“ zurückgetreten ist, war seit der Jahrtausendwende der fünfte Mann am zunehmend wackeligen Ruder der nationalen Rundfunkanstalt. Von diesen fünf Generaldirektoren sind nur zwei nicht unter öffentlichem Aufruhr aus dem Amt geschieden. Einer davon war Tony Hall, der jedoch nachträglich in Ungnade fiel. Er musste seinen nächsten Posten als Kuratoriumsvorsitzender der Londoner National Gallery aufgeben, als 2021 zutage kam, dass er das betrügerische Verhalten von Martin Bashir im Zusammenhang mit dem notorischen „Panorama“-Interview mit Prinzessin Diana in den Neunzigerjahren unter den Teppich gekehrt hatte.
Enoch Powell postulierte, dass das unvermeidliche Scheitern von Politikerkarrieren in der „Natur der Politik und der menschlichen Angelegenheiten“ liege. In Streit um die BBC geht es um das Wesen der Institution, der konservative Kritiker unterstellen, eine „woke großstädtische Sekte“ geworden zu sein. Anlass für die jüngste Furore, die auch die Nachrichtenchefin Deborah Turness um ihren Posten gebracht hat, gab die Veröffentlichung eines neunzehn Seiten langen Dossiers mit einem Katalog von Beispielen eklatanter Voreingenommenheit. Der Verfasser ist Michael Prescott, ein ehemaliger Journalist, der bis zum Sommer drei Jahre lang unabhängiger Berater des BBC-Gremiums für redaktionelle Richtlinien und Standards war. In seinem an den Vorstand gerichteten, dem „Daily Telegraph“ zugespielten Schreiben machte Prescott seiner „Verzweiflung“ über die „Tatenlosigkeit der BBC-Exekutive“ im Hinblick auf „ernste und systemische Probleme“ Luft, die selbst ein systemisches Problem geworden sei.

An erster Stelle der von Prescott genannten Beispiele stand die Manipulation von Donald Trumps Rede vor dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 in einer unmittelbar vor der amerikanischen Wahl im vergangenen Jahr ausgestrahlten „Panorama“-Sendung. Prescott legte die Ergebnisse eines internen Berichts ausführlich dar, der zu Protokoll gab, wie die Redaktion zwei Auszüge aus Trumps Wortschwall zusammengeschnitten hatte, um den Eindruck zu erwecken, der Präsident habe seine Anhänger zur Gewalt angeheizt.
Das sei die „übliche Praxis“
Die Sendung habe andere Verzerrungen enthalten, auf die der interne Bericht aufmerksam gemacht hatte, bemängelte Prescott. Dennoch habe der Vorstand die Erklärung des stellvertretenden Nachrichtenchefs akzeptiert, dass es „übliche Praxis“ sei, Reden in kleine Ausschnitte zu zerlegen, und dass nicht versucht worden sei, die Zuschauer über Inhalt und Wesen der Rede zu täuschen. Zu den anderen Steinen des Anstoßes gehörten die einseitige Berichterstattung des arabischen Senders der BBC, für die Prescott alarmierende Belege lieferte, sowie die Einstellung zur Genderpolitik, für die in der vergangenen Woche das Beispiel einer Moderatorin genannt wurde, die sich eine Rüge der BBC einholte, weil sie sich auf dem Bildschirm dagegen gesperrt hatte, „pregnant people“ statt „pregnant women“ zu sagen.
Die Reaktion des Vorstands auf den Sturm, den das brisante Dossier entfacht hat, wirkt wie der Beweis für Prescotts Anklage. Eine Woche nach der Veröffentlichung hatte sich die BBC-Spitze noch immer nicht zu einer Stellungnahme durchgerungen. Sie tat kund, keine Kommentare zu zugespielten Dokumenten abgeben und sich schriftlich gegenüber dem Medienausschuss äußern zu wollen.
Der BBC-Moderator Nick Robinson berichtete, dass sich der Vorstand wegen des Widerstands politisch motivierter Mitglieder nicht über die von der Exekutive formulierte Erklärung habe einigen können. Damit bekräftigte er seine am Samstag in der Flaggschiff-BBC-Radiosendung geäußerte Einschätzung, dass zwar Bedenken über redaktionelle Maßstäbe und Fehler bestünden, gleichzeitig aber werde auch eine politische Kampagne von Personen geführt, die die BBC zerstören wollten.
Boris Johnson legt los
Boris Johnson fühlte sich angesprochen. Er hatte an dem Tag in seiner wöchentlichen Kolumne geschrieben, es sei an der Zeit, dass Reporter in althergebrachter Manier vor Davies Haus stünden und riefen, ‚„Was ist Ihre Antwort auf den Prescott-Bericht? Wann haben Sie zuerst gewusst, dass ,Panorama‘ gelogen hat? Warum haben Sie nichts unternommen?‘“ Nach ein paar Tagen werde Davie schließlich aus seinem Fuchsloch herausschlüpfen müssen und entweder eine überzeugende Erklärung für die linke Voreingenommenheit bei der BBC abgeben oder zurücktreten zugunsten von jemandem, der den Verfall stoppe. Johnson erklärte, so lange die Zahlung der Rundfunkgebühr zu verweigern, bis Davie erkläre, wie es zur Manipulierung der Trump-Rede gekommen sei, oder zurücktrete. Am Sonntag schleuderte Johnson Robinson entgegen, dass der Vorwurf einer Kampagne gegen die BBC eine Ablenkungstaktik einer Organisation sei, die zu hochmütig sei, um zu denken, dass sie im Unrecht sein könne.
Der angekündigte Brief an die Vorsitzende des Medienausschusses kam erst am Montagmittag, als sich die Ereignisse durch den Rücktritt von Davie und Turness und den von David Yelland, dem ehemaligen Chefredateur der „Sun“, erhobenen Vorwurf zugespitzt hatten, dass der Generaldirektor Opfer einer internen „Kabale toxischer Verschwörer“ geworden sei.
Der Vorstandsvorsitzende Samir Shah bestritt gegenüber dem Medienausschuss, Prescotts Bedenken nicht ernst genommen zu haben. Er hob hervor, dass das Memorandum eine persönlicher Darstellung von Sitzungen gewesen sei, an denen Prescott teilgenommen habe; sie gäben aber kein vollständiges Bild wieder. Außerdem treffe der durch die Berichterstattung entstandene Eindruck nicht zu, dass Prescotts Memorandum, Vorgänge enthüllt habe, die der Sender habe verdecken wollen. Es ist unwahrscheinlich, dass Shahs Erläuterung der internen Diskussionen um die Frisierung der Trump-Rede und die Einsicht, dass die „Art, in der die Rede redigiert wurde, in der Tat den Eindruck eines direkten Aufrufes zur gewalttätiger Aktion“ gegeben habe, die Kritiker des Senders überzeugen werden, der nicht nur von außen angegriffen wird, sondern auch interne Auseinandersetzungen auszufechten hat.
Eine Regierung nach der anderen hat den öffentlichen Sender der linken oder der rechten Voreingenommenheit bezichtigt, je nachdem welche Partei an der Macht war. Zwei Jahre vor der Erneuerung der dem Rundfunkstaatsvertrages entsprechenden Königlichen Charter steht für den nationalen Sender in einer dramatisch veränderten medialen und politisch zunehmend polarisierten Landschaft mehr auf dem Spiel als je zuvor. US-Präsident Donald Trump hat der BBC am Montag ein Schreiben zukommen lassen, in dem er mit juristischen Schritten droht. Er will, wie es aus “Anwaltskreisen“ heißt, die BBC auf die Summe von einer Milliarde Dollar verklagen.
