Bayern München im Pokalfinale: 3:2 gegen Hoffenheim nach 0:2 – Sport

Pernille Harder musste kurz aufpassen, dass sie nicht hängen blieb. Aber dann hatte sie es über die Werbebande geschafft und stand hinter dem Tor beim Fanblock des FC Bayern, der die Fußballerin zu sich gerufen hatte und ihr dann ein Megafon gab. Der Vorsänger wurde jetzt zum Einflüsterer, bis Harder unfallfrei beim „Super Bayern, super Bayern, hey, hey!“ angekommen war und ihre Mitspielerinnen zum Hüpfen gebracht hatte. Darüber schien sie so erleichtert, als habe sie eben mit einer komplizierten Körperdrehung noch ein wichtiges Tor erzielt. Harder hat in ihrem Leben als Stürmerin schon sehr, sehr oft getroffen, aber mit dem Megafon vor den Fans, das war selbst für sie eine neue Erfahrung. Und dass sie diese nun machte, spiegelte wider, wie bedeutsam Harder am Samstag war.

Dank ihr, so deutlich kann man das sagen, hat es der FC Bayern ins Finale des DFB-Pokals geschafft. Zum sechsten Mal stehen die Münchnerinnen im Endspiel, zum zweiten Mal nach 2012 können sie diesen Wettbewerb gewinnen. Und sie sind gegen Werder Bremen oder Zweitligist Hamburger SV der große Favorit auf den Titel, wenn am 1. Mai in Köln das erste Mal nach zehnjähriger Regentschaft nicht Wolfsburg die Trophäe überreicht bekommen wird. Der VfL hatte im Viertelfinale überraschend gegen die TSG Hoffenheim verloren – die nun auch in München kurz davor war, für den nächsten Coup zu sorgen, hätte Harder nicht nach einem katastrophalen Start mit zwei frühen Gegentoren noch für einen 3:2-Sieg gesorgt. „Das war sehr schwer“, sagte sie. „Hoffenheim hat es sehr gut gemacht, mit viel Intensität.“

Während die 32-Jährige Fragen beantwortete, flog von der Seite auf einmal ein Ball auf sie zu, Harder hatte ihn tatsächlich im Campus-Stadion vergessen. Mit schwarzem Filzstift war eine Drei darauf gemalt, Finale stand an einer anderen Stelle sowie die Ansetzung mit dem Ergebnis. Stolz schaute sie auf ihr Souvenir: „Ich bin in guter Form. Ich fühle mich wirklich gut auf dem Platz.“ Beim ersten Tor hatte die Dänin den Ball mit der Stirn ins linke Eck gelenkt. Beim zweiten Tor hatte sie einen Handelfmeter verwandelt. Und dann war auch noch ein Abschluss mit dem Fuß dazu gekommen. Den Ball also hatte sie sich wirklich verdient. „Sie zeigt, dass sie Weltklasse ist. Ich würde sie für niemanden eintauschen“, sagte Bayern-Trainer Alexander Straus, als Harder – mit Ball – von den Mikrofonen zur Kabinenparty entschwunden war. „Sie macht den Unterschied.“

Spätestens seit dem Wolfsburger Pokal-Aus ist das Double zum Mindeststandard für diese Saison geworden

Er fühlte sich auch deshalb so erlöst, weil es bei diesem Sieg ja nicht allein um den Einzug ins Pokalfinale ging. Sondern gleich um die ganze Saisonbilanz. Innerhalb von einer Woche hätte die bajuwarische Gefühlswelt bei einer Niederlage von einem Alles ist möglich zu einem Alles ist im Eimer changiert. In die entscheidende Saisonphase war sein Team mit einem 3:1 in der Bundesliga gegen Dauerrivale Wolfsburg gestartet, das hat in der Meisterschaft ein gewisses Punktepolster gebracht. Am Dienstag aber folgte ein 0:2 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Olympique Lyon. Vorbehaltlich eines kleinen Fußballwunders beim Rekordsieger am 26. März muss der FC Bayern auf den ersten Triumph in der Königsklasse weiter warten. Und spätestens seit dem Wolfsburger Pokal-Aus war ohnehin das Double zum Mindeststandard für diese Saison geworden. Der FC Bayern will den nächsten Schritt gehen.

Dass man dabei aber aufpassen muss, nicht zu stolpern, daran erinnerte Hoffenheim all jene, die womöglich mit einem Durchmarsch des Tabellenführers gegen den Ligasechsten gerechnet hatten. Kaum eine Viertelstunde verging bis zum ersten Überraschungsmoment: Die Abwehr war überwunden worden durch einen langen Ball, den am Ende Ereleta Memeti über Bayern-Torhüterin Ena Mahmutovic hinweg zur Hoffenheimer Führung lupfte. Die dadurch ausgelöste Nervosität zeigte sich auch in einem misslungenen Pass von Sydney Lohmann in Richtung des eigenen Strafraums, der riskant und zu schnell war für Innenverteidigerin Magdalena Eriksson. Der darauffolgende Schuss von Memeti wurde zwar geblockt, aus dem anschließenden Versuch von Féli Delacauw aber resultierte das 0:2.

Beim Aufkommen nach der Ballabwehr blieb Hoffenheims Torhüterin Martina Tufekovic liegen – und konnte das Stadion nicht selbst verlassen. Später lief sie mit Krücken wieder selbstständig. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Der unerwartete, frühe Rückstand wirkte wie eine Folge der zahlreichen personellen Veränderungen, zu denen sich Straus in den jüngsten Partien veranlasst sah. Schon im Vergleich zum Wolfsburg-Spiel hatte der Norweger gegen Lyon die Startelf auf sechs Positionen verändert, inklusive der Rückkehr von Torhüterin Maria Luisa Grohs nach einer Krebserkrankung. Nun tauschte Straus wieder auf sechs Positionen, ins Tor kehrte Mahmutovic zurück. Kapitänin Glódís Viggósdóttir und Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn fehlten verletzungsbedingt, Gwinn, weil sie noch zu große Schmerzen an einer genähten Wunde am Fuß nach dem Lyon-Spiel verspürt haben soll. Dass bei so viel Rotation zwangsläufig der Spielfluss verloren geht, war auch gegen Hoffenheim nicht zu übersehen.

Straus präferierte jedoch eine andere Lesart der Lage: „Möglicherweise“, sagte er, „hat es uns die Rotation ermöglicht, nach dem 0:2-Rückstand wieder zurückzukommen.“ Stichwort Belastungssteuerung. Eine Konstante war aber eben ganz entscheidend: In der 35. Minute weckte Harder ihr Team mit ihrem Kopfball auf, vier Minuten später hätte Klara Bühl beinahe ausgeglichen. Per Handelfmeter traf dann aber erneut Harder (40.), ihr Schuss war zu präzise für TSG-Torhüterin Martina Tufekovic.

Diese verletzte sich kurz nach der Pause so schwer, dass sie ausgewechselt und mit der Trage aus dem Stadion gebracht werden musste. Und vielleicht wäre die Partie sonst anders gelaufen. Ersatzkeeperin Laura Dick, sich der Relevanz dieses Einsatzes bewusst, stürmte in der 53. Minute nämlich aktionistisch auf einen langen Ball zu, den die erfahrenere Tufekovic womöglich erstmal weiter beobachtet hätte. Weil Dick ihn gut 40 Meter vor ihrem Tor dann auch noch mit ihrem Kick verfehlte, konnte Harder mit dem Ball davonziehen und musste nur noch einschieben.

Wie die nächsten Tage für die Stürmerin, die mit zwei Toren schon so entscheidend für den Sieg gegen Wolfsburg gewesen war, aussehen, stand für Alexander Straus schon kurz nach dem Abpfiff fest: Sie solle im Bett bleiben und gut essen bis zum Champions-League-Wiedersehen mit Lyon am Mittwoch, kein Training für sie. Pernille Harder, das war klar, darf sich auf keinen Fall auch noch verletzen – sondern soll in dieser Saison noch möglichst oft Bälle mit nach Hause nehmen.