Bayern München im Pokalfinale: 3:2 gegen Hoffenheim – dank Pernille Harder – Sport

Pernille Harder musste kurz aufpassen, dass sie nicht hängen blieb. Aber dann hatte sie es über die Werbebande geschafft und stand hinter dem Tor beim Fanblock des FC Bayern, der die Fußballerin zu sich gerufen hatte und ihr dann ein Megafon gab. Der Vorsänger wurde jetzt zum Einflüsterer, bis Harder unfallfrei beim „Super Bayern, super Bayern, hey, hey!“ angekommen war und ihre Mitspielerinnen zum Hüpfen gebracht hatte. Harder hat in ihrer Karriere schon sehr, sehr oft getroffen, aber mit dem Megafon vor den Fans, das war selbst für sie eine neue Erfahrung. Und dass sie diese nun machte, spiegelte wider, wie bedeutsam Harder am Samstag gewesen war.

Dank ihr, so deutlich kann man das sagen, hat es der FC Bayern ins Finale des DFB-Pokals geschafft. Zum sechsten Mal stehen die Münchnerinnen im Endspiel, zum zweiten Mal nach 2012 können sie diesen Wettbewerb gewinnen. Und egal, ob Werder Bremen oder Zweitligist Hamburger SV am Sonntag gewinnt: der große Favorit auf den Titel ist der FC Bayern, wenn am 1. Mai in Köln das erste Mal nach zehnjähriger Regentschaft nicht Wolfsburg die Trophäe überreicht bekommen wird. Der VfL hatte im Viertelfinale überraschend gegen die TSG 1899 Hoffenheim verloren – die in München kurz davor war, für den nächsten Coup zu sorgen, hätte Harder nicht nach einem katastrophalen Start mit zwei frühen Gegentoren noch für einen 3:2-Sieg gesorgt. „Das war sehr schwer“, sagte sie. „Hoffenheim hat es sehr gut gemacht, mit viel Intensität.“

Während die 32-Jährige Fragen beantwortete, flog von der Seite auf einmal ein Ball auf sie zu, Harder hatte ihn tatsächlich im Campus-Stadion vergessen. Mit schwarzem Filzstift war eine Drei darauf gemalt, Finale stand an einer anderen Stelle sowie die Ansetzung mit dem Ergebnis. Stolz schaute sie auf ihr Souvenir: „Ich bin in guter Form, ich fühle mich wirklich gut auf dem Platz!“ Beim ersten Tor hatte die Dänin den Ball mit der Stirn ins linke Eck gelenkt. Beim zweiten Tor hatte sie einen Handelfmeter verwandelt. Und dann war auch noch ein Abschluss mit dem Fuß dazu gekommen. Den Ball hatte sie sich also wirklich verdient. „Sie zeigt, dass sie Weltklasse ist. Ich würde sie für niemanden eintauschen“, sagte Bayern-Trainer Alexander Straus, als Harder – mit Ball – von den Mikrofonen zur Kabinenparty entschwunden war. „Sie macht den Unterschied.“

Spätestens seit dem Wolfsburger Pokal-Aus ist das Double zum Mindeststandard für diese Saison geworden

Er fühlte sich sicherlich auch deshalb so erlöst, weil es bei diesem Sieg ja nicht allein um den Einzug ins Pokalfinale ging. Sondern um die ganze Saisonbilanz. Innerhalb von einer Woche hätte die bajuwarische Gefühlswelt bei einer Niederlage von einem Alles ist möglich zu einem Alles ist im Eimer changiert. In die entscheidende Saisonphase war sein Team mit einem 3:1 in der Bundesliga gegen Dauerrivale Wolfsburg gestartet, das hat in der Meisterschaft ein Polster von sechs Punkten gebracht. Am Dienstag folgte ein 0:2 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Olympique Lyon. Vorbehaltlich eines kleinen Fußballwunders beim Rekordsieger am 26. März muss der FC Bayern weiter auf den ersten Triumph in der Königsklasse warten. Aber spätestens seit dem Wolfsburger Pokal-Aus war das Double zum Mindeststandard für diese Saison gesetzt worden. „Ich denke, wir sind in der Lage, dieses Jahr Großes zu leisten“, sagte Straus. Der FC Bayern will den nächsten Schritt gehen.

Dass man dabei aber aufpassen muss, nicht zu stolpern, daran erinnerte Hoffenheim all jene, die womöglich mit einem Durchmarsch des Tabellenführers gegen den Ligasechsten gerechnet hatten. Kaum eine Viertelstunde verging bis zum ersten Überraschungsmoment: Die Münchner Abwehr war überwunden worden durch einen langen Ball, den am Ende Ereleta Memeti gekonnt über Torhüterin Ena Mahmutovic hinweg zur Hoffenheimer Führung lupfte. Die dadurch ausgelöste Nervosität zeigte sich unter anderem in Form eines misslungenen Rückpasses von Sydney Lohmann, der riskant und zu schnell war für Innenverteidigerin Magdalena Eriksson. Der Schuss von Memeti wurde zwar geblockt, aus dem anschließenden Versuch von Féli Delacauw aber resultierte das 0:2.

Beim Aufkommen nach der Ballabwehr blieb Hoffenheims Torhüterin Martina Tufekovic liegen – und konnte das Stadion nicht selbst verlassen. Später lief sie mit Krücken wieder selbstständig. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Der frühe Rückstand wirkte wie eine Folge der zahlreichen personellen Veränderungen, zu denen sich Straus in den jüngsten Partien veranlasst sah. Schon im Vergleich zum Wolfsburg-Spiel hatte der Norweger gegen Lyon die Startelf auf sechs Positionen verändert, inklusive der Rückkehr von Torhüterin Maria Luisa Grohs nach einer Krebserkrankung. Nun tauschte Straus wieder auf sechs Positionen, ins Tor kehrte Mahmutovic zurück. Kapitänin Glódís Viggósdóttir und Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn fehlten verletzungsbedingt, Gwinn, weil sie noch zu große Schmerzen an einer genähten Wunde am Fuß nach dem Lyon-Spiel verspürt haben soll. Dass bei so viel Rotation das Selbstverständnis leiden kann, war auch gegen Hoffenheim zu sehen.

Straus präferierte jedoch eine andere Lesart der Lage: „Möglicherweise“, sagte er, „hat es uns die Rotation ermöglicht, nach dem 0:2-Rückstand wieder zurückzukommen.“ Stichwort Belastungssteuerung. Eine Konstante war aber eben ganz entscheidend: In der 35. Minute weckte Harder ihr Team mit ihrem Kopfball auf, vier Minuten später hätte Klara Bühl beinahe ausgeglichen. Per Handelfmeter traf dann erneut Harder (40.), ihr Schuss war zu präzise für TSG-Torhüterin Martina Tufekovic.

Diese verletzte sich kurz nach der Pause so schwer, dass sie ausgewechselt und mit der Trage aus dem Stadion gebracht werden musste. Und vielleicht wäre diese hitzige Partie sonst anders gelaufen. Ersatzkeeperin Laura Dick, sich der Relevanz dieses Einsatzes bewusst, stürmte in der 53. Minute aktionistisch auf einen langen Ball zu, den die erfahrenere Tufekovic womöglich erstmal weiter beobachtet hätte. Weil Dick den Ball gut 40 Meter vor ihrem Revier mit ihrem Kick verfehlte, konnte Harder mit dem Ball davonziehen und musste nur noch einschieben.

Wie die nächsten Tage für jene Stürmerin aussehen, die nun wettbewerbsübergreifend 20 Tore erzielt hat, stand für Alexander Straus schon kurz nach dem Abpfiff fest: Sie möge im Bett bleiben und gut essen bis zum Champions-League-Wiedersehen mit Lyon am Mittwoch. Kein Training, viel Regeneration. Pernille Harder, das ist klar, darf sich auf keinen Fall verletzen – sie soll in dieser Saison noch möglichst oft Bälle mit nach Hause nehmen.