Bauern und Verbraucher fluchen: Die Kartoffelernte ist top – und niemand profitiert

Bauern und Verbraucher fluchenDie Kartoffelernte ist top – und niemand profitiert

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Kartoffeln gehören noch immer zu den liebsten Speisen der Deutschen. (Foto: picture alliance / Rene Traut Fotografie)

Die Kartoffelernte ist in diesem Jahr reichhaltig. Doch der Jubel von Landwirten und Verbrauchern fällt verhalten aus: Agrarmarktexperten verzeichnen weder steigende Einnahmen noch fallende Preise. Die Gründe sind vielfältig.

Des einen Leid ist nicht immer des anderen Freud‘ – das gilt jedenfalls für die aktuelle Situation der Kartoffelbauern. So sind wegen einer guten Kartoffelernte und eines großen Angebots die Erzeugerpreise eher mau. Aber auch die Verbraucher profitieren kaum, wie der Kartoffelmarkt-Experte Christoph Hambloch von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn mitteilt.

Dem Experten zufolge erhalten Landwirte im Schnitt derzeit pro 100 Kilogramm Kartoffeln nicht viel mehr als zehn Euro. In den Supermärkten liegen die Preise oft bei mehr als 1,50 Euro pro Kilogramm. „Die Verbraucherpreise liegen teilweise um das 10- bis 15-Fache über dem, was die Landwirte bekommen“, sagt Hambloch.

Im Vorjahresvergleich sind die Verbraucherpreise somit durchschnittlich um bis zu sieben Cent gesunken. Dennoch spricht Hambloch von immer noch zu hohen Preisen: Für die Landwirte seien die Preise dieses Jahr ein Desaster, aber auch die Verbraucher hätten keinen Grund zum Jubeln. Die gesamte Lieferkette, von den Packbetrieben über die Logistik bis zum Lebensmitteleinzelhandel, wolle Geld verdienen.

Kartoffelernte legt um fünf Prozent zu

Der Hauptgrund für die eher mäßigen Erzeugerpreise liegt in einer deutlichen Ausdehnung des Kartoffelanbaus. In Deutschland sei die Anbaufläche für Kartoffeln im vergangenen Jahr um knapp 7 Prozent auf etwas mehr als 300.000 Hektar ausgedehnt worden, sagt Sebastean Schwarz, Geschäftsführer der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft (Unika) in Berlin.

Die Ernte ist Schwarz zufolge in diesem Jahr um mehr als 5 Prozent gewachsen. Gleichzeitig seien auch in den europäischen Nachbarländern Kartoffelanbau und damit die Erntemenge ausgedehnt worden. Als einer der Spitzenproduzenten in Europa sei Deutschland auf den Export von Speise- und Verarbeitungskartoffeln angewiesen.

Aber aus dem Ausland habe Deutschland Konkurrenz bekommen: „Auf dem Weltmarkt für Tiefkühlpommes sind mit China, Indien und weiteren Ländern neue Wettbewerber eingestiegen und die Nachfrage nach europäischer Ware ist auch aufgrund der Stärke des Euro gesunken“, erklärt Schwarz.

Abnahmemengen durch Lieferverträge geregelt

Was viele Laien nicht wissen: Kartoffeln werden gezielt nach Sorte für klar definierte Verwertungsrichtungen angebaut. So wird unterschieden zwischen Speisekartoffeln, Verarbeitungskartoffeln etwa für Pommes oder Chips, Stärke-Kartoffeln und Pflanzkartoffeln. Ein Austausch zwischen diesen Verwertungsrichtungen sei nur sehr schwer möglich, erläutert Schwarz: Stärke-Kartoffeln seien für den direkten Verzehr schlicht nicht schmackhaft, Pflanzkartoffeln könnten nicht für die Verarbeitung verwendet werden.

Eine Folge dieser Spezialisierung ist, dass vor allem für Kartoffeln, die zur Verarbeitung zu Chips, Knödeln oder Pommes bestimmt seien, schon im Vorjahr Liefermengen vereinbart werden. In einem Jahr mit guter Ernte sei der Bedarf gedeckt, und Kartoffeln, die ohne vertragliche Bindung angebaut wurden, fänden daher keinen Abnehmer. „Das kommt in diesem Jahr mit einer europaweit großen Ernte ganz besonders zum Tragen und die Produzenten, die keine Abnahmeverträge im Vorjahr ausgehandelt haben, müssen alternative Verwertungsmöglichkeiten finden“, sagt Schwarz.

Nur in Einzelfällen bleiben Kartoffeln im Acker

Das könne sogar die Folge haben, dass die nicht gebrauchten Kartoffeln in die Biogasanlage gehen oder als Tierfutter verwendet werden. Denn eine Lagerung sei zu teuer, koste Platz und Energie, erklärt der Unika-Geschäftsführer. Außerdem sei die Lagerfähigkeit von Kartoffeln begrenzt.

Berichte über Landwirte, die ihre unverkäuflichen Kartoffeln einfach im Acker lassen, beziehen sich aus Sicht von Hambloch und Schwarz eher auf Einzelfälle. Kartoffeln, die ungeerntet im Boden bleiben, könnten Krankheiten übertragen, sagt Hambloch. Vereinzelt sei das geschehen – „insbesondere, wenn der Betrieb entscheidet, künftig keine Kartoffeln mehr anzubauen“, erklärt Schwarz.

Quelle: ntv.de, chr/dpa