Bauern sind gefrustetWas hinter dem Preissturz bei Butter steckt
Von Juliane KipperArtikel anhören(05:58 min)

Butter ist so günstig wie lange nicht mehr: Verbraucher zahlen für die 250-Gramm-Packung inzwischen nur noch 99 Cent. Während sich Kunden über den Preissturz freuen, schlagen Landwirte Alarm. Der Bauernverband in Bayern schaltet sogar das Kartellamt ein. Zu Recht?
Die Kunden im Supermarkt freuen sich: Butter ist zuletzt drastisch billiger geworden. Inzwischen liegt der Preis für die 250-Gramm-Packung der Eigenmarken bei 99 Cent. Der Butterpreis hat sich damit innerhalb eines Jahres mehr als halbiert.
Der Grund dafür: Milch ist auf dem Weltmarkt günstiger geworden. Die Molkereien haben mehr Milch geliefert als im Vorjahreszeitraum. „Seit dem Sommer sind die Milchmengen nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU und weiteren wichtigen Exportregionen der Welt gestiegen. Das hat keiner so erwartet“, sagt Agrarökonom Holger Thiele vom Institut für Ernährung und Ernährungswissenschaft (ife) auf Anfrage von ntv.de. Hinzu kommt: Der Fettgehalt in der Milch ist gestiegen. Für die Herstellung eines Päckchens werden rund 5 Kilogramm Rohmilch benötigt. Je mehr Fett die Milch enthält, desto weniger Milch wird dafür gebraucht.
Der Milcherzeugerpreis wird von den Molkereien anhand verschiedener Kriterien wie Marktlage, Milchmengen und Fettgehalt festgelegt. In der ersten Jahreshälfte 2025 lag der im Bundesdurchschnitt an die Landwirte ausgezahlte Preis laut dem Verband Deutscher Milchviehalter bei rund 53 Cent pro Kilo Rohmilch. Die Produktionskosten lagen im Juli bei 53,53 Cent pro Kilo und konnten damit „gerade so abgedeckt“ werden. Seit dem Sommer sind die Erzeugerpreise laut Verband jedoch gefallen – auf zuletzt durchschnittlich 46 Cent.
Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung (IAMO), hält wenig von Schuldzuweisungen. „Auf Märkten findet eine Selbstorganisation statt. Angebot und Nachfrage gleichen sich zwar nicht immer kurzfristig aus, wohl aber mittelfristig“, sagt der Agrarökonom ntv.de. Bei hohen Preisen könne man niemandem vorwerfen, wenn viel produziert wird – im Gegenteil. „Am ehesten könnte man den Molkereien vorwerfen, dass man sich dort offensichtlich verschätzt hat. Aber auch da sollte man mit Wertungen zurückhaltend sein. Sie zahlen jetzt ja auch einen Preis dafür.“
Für Bauernpräsident Joachim Rukwied sind die Preissenkungsrunden der vergangenen Monate inakzeptabel: „So kann man kein hochwertiges Lebensmittel verramschen, auch wenn man das als Lockangebot vor Weihnachten nutzen will.“ Die Milcherzeuger hätten große Sorgen, dass sich der Preisrückgang fortsetzt. Laut Berechnungen von ife-Ökonom Thiele bleibt bei einem Preis von 0,99 Cent für ein 250-Gramm-Päckchen momentan ein Betrag übrig, der weder die Vollkosten der Milcherzeuger noch die der Molkereien decken kann. „Das geht nur kurzfristig und mit Quersubventionierung.“
Balmann erklärt darüber hinaus: Während normaler Preisphasen steigen unterdurchschnittlich erfolgreiche Betriebe nach und nach aus der Produktion aus und überdurchschnittlich erfolgreiche Betriebe investieren und erhöhen ihre Produktion. „In Hochpreisphasen steigen kaum Betriebe aus der Produktion aus, Kühe werden länger genutzt, soweit Stallplätze vorhanden sind. Das führt dann zu einem höheren Angebot an Rohmilch, was letztlich zu Preiskorrekturen führt“, sagt der Agrarökonom.
„Für uns bedeuten solche Preise ein wirtschaftliches Desaster“, sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, Hans Foldenauer. Er stellt aber auch klar: Die Ursache der Milchkrise liege nicht beim Lebensmitteleinzelhandel, sondern in den Übermengen auf dem Markt, die den Milchpreis unter Druck setzten.
Der Bayerische Bauernverband (BBV) beklagt derweil, der Preisverfall sei nicht nur verantwortungslos, sondern möglicherweise auch unzulässig. Er fordert das Kartellamt deswegen auf, den Butterpreis zu prüfen. Bei dem aktuellen Verbraucherpreis seien die Produktionskosten in der Lebensmittelkette nicht gedeckt – weder bei den Molkereien noch bei den Landwirten, argumentiert der BBV. „Das wirft Fragen auf, ob Butter zu diesem Preis noch kostendeckend gehandelt oder möglicherweise unter Einstandspreis verkauft wird – ein Vorgehen, das rechtlich unzulässig sein kann.“
Die deutschen Lebensmittelhändler weisen die Vorwürfe zurück. Die Preissenkung sei eine notwendige Reaktion auf die Ausnahmesituation am Rohstoffmarkt und ein Überangebot an Rohmilch, teilte etwa der Discounter Lidl mit. “Wenn diese Mengen nicht abfließen, droht möglicherweise ein noch stärkerer Preisverfall.“ Bei der Preisgestaltung halte man sich strikt an geltendes Recht und die kartellrechtlichen Leitplanken.
Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) weist die Kritik als unbegründet zurück. “Da aktuell zu viel Ware auf dem Markt ist, sinkt der Preis“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die Entwicklung zeige, dass der Wettbewerb funktioniere. Der Handel gebe sinkende Preise direkt an Verbraucher weiter. Eine Beschwerde beim Kartellamt sei aussichtslos, da sich die Händler an geltendes Recht hielten.
Balmann rechnet ebenfalls nicht damit, dass die Beschwerde erfolgreich sein wird. Er vermutet hinter dem Vorstoß eher einen „populistischen Schachzug“, der den Mitgliedern zeigen solle, man nehme sich des Problems an. Er hält die Argumentation des Verbandes nicht für schlüssig. „Ursache und Wirkung werden hier beliebig durcheinander geworfen.“
Milchbauern haben im vergangenen Wirtschaftsjahr nach Rückgängen wieder deutlich mehr verdient – der durchschnittliche Gewinn sprang um gut 46 Prozent auf 115.300 Euro. Die allermeisten Betriebe können den aktuellen Rückgang laut Balmann gut wegstecken. „Die Betriebe, die es nicht verkraften könnten – und das dürfte nicht den Großteil der Produktion betreffen –, haben innerbetriebliche Probleme.“ Thiele gibt zu bedenken: Aus dem Gewinn müssen die Milchbauern Investitionen zum Beispiel in Tierwohl- und Klimaschutzmaßnahmen bezahlen, davon müssen Kredite aus der Vergangenheit getilgt werden und davon muss die gesamte Familie leben können. „Das Problem ist weniger die ausreichende Gewinngröße, sondern die ausreichende Liquidität, um eine Phase der Niedrigpreise zu überstehen.“
