Batterie-Großspeicher: Die stille Reserve am Netz

Der Bau von großen und kleinen Batteriespeichern boomt in Deutschland. Die Anlagen können dazu beitragen, die Strompreise zu senken. Allerdings kommen die Akkus heutzutage vor allem von chinesischen Herstellern. Das könnte eine neue Diskussion über die Sicherheit der kritischen Infrastruktur aufwerfen.

Die Sonne scheint auf Schleswig-Holstein, von morgens bis abends. Es ist, zu Beginn des Frühlings, einer dieser Tage, an denen die neue Speicheranlage mitten im Bauernland der Gemeinde Bollingstedt künftig eine reiche Ernte an günstigem Strom einfahren wird – vor allem immer dann, wenn neben den Windparks auch die Solaranlagen im Norden viel Energie liefern. Nördlich von Schleswig, nicht weit entfernt von der Autobahn A7, hat das bayerische Unternehmen Eco Stor einen der größten Batteriespeicher Deutschlands aufgebaut, den derzeit größten im Norden. Auf einer Fläche von 1,2 Hektar stehen in mehreren Reihen 64 weiße Container mit Akkus. Auch die nötigen Wechselrichter, Transformatoren und ein Umspannwerk sind hier installiert, um den Speicher mit dem 110.000-Volt-Hochspannungsnetz zu verbinden.

Im Testbetrieb summen und brummen die Aggregate bereits. Techniker nehmen hier und da Werte an den einzelnen Modulen ab. Der Speicher leistet 103 Megawatt, etwas mehr als zwei Stunden lang kann die Anlage den gespeicherten Strom abgeben, 238 Megawattstunden gelangen dann wieder ins Netz. Diese Dimensionen sind neu am deutschen Strommarkt. Sie werden benötigt, um die immer weiter steigenden Mengen an Wind- und Solarstrom auch dann einzufangen, wenn die gerade nicht verbraucht werden – und sie wieder abzugeben, wenn die erneuerbaren Energien weniger Strom liefern.

Der Bau kommerzieller Batteriespeicher boomt in Deutschland, vor allem dort, wo, wie im Norden, besonders viel Strom mit Windturbinen und Solaranlagen erzeugt wird, auch für den Bedarf in Hamburg. Energieversorger wie Vattenfall oder Eon steigen in diesen Markt ein, und auch neue Unternehmen wie Eco Stor, das 2021 gegründet wurde. „Wesentliche Gründe für diesen wachsenden Markt sind sinkenden Preise für die Akkus und die Volatilität an der Strombörse durch den hohen Ausbaustand von Fotovoltaik und Windenergie“, sagt Thomas Jacobsen, Projektingenieur von Eco Stor, der die Inbetriebnahme der Anlage in Bollingstedt leitet. Demnächst soll der Speicher ans Netz gehen. Eine baugleiche Anlage will Eco Stor im Frühjahr 2026 bei Schleswig-Schuby aktivieren. Eco Stor speichert den Strom, wenn er an der Strombörse günstig ist – etwa bei hoher Solarstrom-Erzeugung am Tag oder bei viel Windstrom nachts – und verkauft die Energie über einen Börsenhändler, wenn sie knapp wird und der Preis steigt.

Der Boom der Großspeicher – und auch der kleineren Batteriespeicher für Privathaushalte – hat viel mit dem weltweiten Hochlauf der Elektromobilität zu tun. Mit den steigenden Batteriekapazitäten sinken die Preise. Die größten Werke für die modernen E-Auto-Batterien betreiben Hersteller aus China und Südkorea. Die Akkus für die Anlage in Bollingstedt stammen vom chinesischen Hersteller BYD – das Unternehmen produzierte bereits lange Zeit Batterien, bevor es auch zu einem der heutzutage führenden Hersteller von Elektroautos aufstieg. Chinesische Techniker sind auf der Baustelle unterwegs und begleiten die Inbetriebnahme der Anlage. „Diese Container-Speichermodule wurden bei BYD in China gefertigt und über den Hamburger Hafen hier hergebracht“, sagt Jacobsen. „Die hier verbauten Module unterscheiden sich von den Batteriespeichern in Elektroautos. Diese Module hier sind schwerer, sie sind stärker auf Leistung hin optimiert und weniger auf das Gewicht.“ Bei Elektroautos kommt es etwa darauf an, beim Beschleunigen schnell Energie bereitzustellen. Akkuzellen für stationäres Speichern hingegen sind eher auf langfristiges Laden und Entladen hin optimiert.

Die starke Präsenz speziell chinesischer Hersteller bei den Batterien für Großspeicher könnte allerdings auch eine neue Diskussion über die Sicherheit der kritischen Infrastruktur nach sich ziehen. Das Unternehmen HanseWerk mit Sitz in Quickborn betreibt das Stromnetz in Schleswig-Holstein, bis hin zur Hochspannungsebene von 110.000 Volt. HanseWerk, das mehrheitlich dem Energiekonzern Eon gehört, integriert Tausende von Wind- und Solarkraftwerken in sein Netz – und auch immer mehr Batteriespeicher. „Die Dimensionen des Batteriespeicher-Marktes sind beachtlich“, sagt Technikvorstand Benjamin Merkt in der HanseWerk-Zentrale. „Am Stromnetz der HanseWerk-Tochter Schleswig-Holstein Netz sind heutzutage rund zwölf Gigawatt Leistung aus erneuerbaren Energien – Windkraft- und Solarstromanlagen – installiert. Die Spitzen beim Verbrauch liegen bei rund zwei Gigawatt. Zugleich haben wir Anträge für den Bau neuer Batterie-Großspeicher mit einer Gesamtleistung von 13 Gigawatt vorliegen.“ Diese 13 Gigawatt an Projektnachfrage allein im Einzugsgebiet von HanseWerk entsprächen rund 130 zusätzlichen Batteriespeichern in der Größenordnung der Anlage von Bollingstedt.

Längst nicht alle diese Projekte werden am Ende realisiert. Voraussetzung für den Bau eines kommerziellen Batterieparks ist ein Zugang zum Hochspannungsnetz und ein geeignetes Grundstück. Große Batteriespeicher brauchen viel Fläche – wegen der nötigen Kühlung und des Brandschutzes werden sie nicht in die Höhe gebaut. Die Zahl der Projekte steigt gleichwohl. „Noch vor einigen Jahren spielten Batteriespeicher keine große Rolle im Energiesystem“, sagt Merkt. Bei der heutigen Generation großer Batteriespeicher gehe es vor allem darum, „dass deren Betreiber die Preisschwankungen am Strommarkt nutzen – Strom bei niedrigen Preisen einzuspeichern und ihn bei steigenden Preisen zu verkaufen. Positiver Effekt für die Kunden: Extreme Preisausschläge werden gedämpft.“ Die Logik eines großen Batteriespeichers liege bei vielen der damit verbundenen Geschäftsmodelle darin, die Akkus zweimal am Tag aufzuladen und den Strom zweimal wieder abzugeben: „Mit unserem Stromnetz sind derzeit fünf größere Batteriespeicher mit Leistungen zwischen fünf und 100 Megawatt verbunden. Zwei weitere große Batteriespeicher sollen in diesem Jahr angeschlossen werden.“

Batteriespeicher allein allerdings können das Problem nicht lösen, einen stark wachsenden Strombedarf mit einer schwankenden „Stromernte“ aus Wind- und Solarenergie zu synchronisieren. Nötig sei dafür der Ausbau des Stromnetzes: „Die notwendige, steigende Netzkapazität können auch Speicher nicht ersetzen“, sagt Merkt. „Wir bauen unser Netz zügig aus, bis 2030 soll es eine Einspeiseleistung von 30 Gigawatt aus erneuerbaren Energien aufnehmen können, dazu investieren wir jedes Jahr mehrere Hundert Millionen Euro.“

Gebraucht wird obendrein Wasserstoff – als derjenige regenerativ herstellbare Energieträger mit der größten Speicherfähigkeit. Per Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Geschieht dies mit Strom aus erneuerbaren Quellen, spricht man von „grünem“ Wasserstoff. Aus der Vereinigung von Sauerstoff und Wasserstoff in Brennstoffzellen wiederum gewinnt man Strom und Wärme. „Wasserstoff und dessen Derivate werden künftig zum Beispiel gebraucht, wenn die erneuerbaren Energien längere Zeit nicht genügend Strom liefern können, etwa in einer sogenannten Dunkelflaute“, sagt Merkt. „Dann braucht man ,grünen’ Wasserstoff oder ,grünes’ Ammoniak zum Beispiel als Brennstoff für Kraftwerke, die als Back-up dienen.“ In Form von Wasserstoff lässt sich viel mehr Energie speichern als in Batterien. Allerdings sind die Umwandlungsverluste von Strom über die Elektrolyse hin zu Wasserstoff und dessen spätere energetische Nutzung auch wesentlich höher als bei der Ein- und Ausspeisung von Strom in Batterien. In einem Batteriepark wie in Bollingstedt bleiben in einem Durchlauf rund 90 Prozent der Stromenergie erhalten.

Auch große Energieversorger haben die Vorteile von Batterieparks erkannt. Der Energiekonzern Vattenfall will am stillgelegten Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht einen Großbatteriespeicher mit bis zu 400 Megawatt Leistung bauen. PreussenElektra, das zu Eon gehört, plant am stillgelegten Atomkraftwerk Brokdorf gar einen Batteriespeicher mit 800 Megawatt Leistung. Der könnte mit 1600 Megawattstunden Strom rein rechnerisch zwei Stunden lang 1,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Doch es geht nicht um die Versorgung bestimmter Verbraucher, sondern um Netzstabilität und um die Strompreise.

Der Standort Krümmel biete mit seinen Flächen und dem Netzanschluss „sehr gute Voraussetzungen für den Bau eines Batteriespeichers. Die Nachnutzung von ehemaligen Erzeugungsstandorten ist, dort wo es geht, absolut im Sinne der Energiewende“, sagt ein Vattenfall-Sprecher. Die weiteren Planungen für den Speicher seien „abhängig von verschiedenen Faktoren, die wir jetzt im Rahmen des Planverfahrens im Detail klären wollen“. Für den Speicher rechne Vattenfall mit einer Investition „in dreistelliger Millionenhöhe“.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Die Energiewirtschaft zählt zu seinen Schwerpunktthemen.