

Ein Sondertribunal in Bangladesch hat die ehemalige Regierungschefin Sheikh Hasina in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Die 78 Jahre alte Hasina, die für das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten im vergangenen Jahr verantwortlich gemacht wird, wurde der Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden.
Dem Gericht lagen Agenturen zufolge Beweise vor, dass sie den direkten Befehl gegeben habe, tödliche Gewalt anzuwenden, um einen von Studenten angeführten Aufstand im Juli und August 2024 niederzuschlagen. Der UN zufolge waren dabei 1400 Menschen getötet worden.
Die seit ihrer Flucht in Indien lebende Hasina weist die Vorwürfe zurück. Sie hatte das Verfahren zuvor als „Farce“ bezeichnet. Am Montag sprach sie von einem „politisch motivierten“ Prozess. Vertreter der Protestbewegung begrüßten jedoch das Urteil. „Wir haben 16 Jahre lang unter der Mörderin Hasina und ihrem Regime gelitten“, sagte der Studentenaktivist Rezaye Rabbi Zayed der F.A.Z. „Heute ist der Tag, an dem Gerechtigkeit geübt wurde.“
Regierung fordert Auslieferung
Die Verkündung des Urteils war von Spannungen in Dhaka und anderen Städten begleitet. In Bangladeschs Hauptstadt waren in den Tagen zuvor lokalen Medien zufolge mehrere Sprengsätze explodiert. Es gilt als unwahrscheinlich, dass das Urteil vollstreckt werden kann. Bangladeschs Übergangsregierung unter dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus hatte wiederholt die Auslieferung gefordert. Hasina selbst lehnte jede Zusammenarbeit mit dem einst von ihr gegründeten International Crimes Tribunal (ICT) ab. Angeklagt war auch der frühere Innenminister des Landes, der sich ebenfalls in Indien aufhalten soll. Außerdem stand der frühere Polizeichef vor Gericht, der kooperiert hatte und deshalb auf Milde hoffen durfte.
Die jungen Demonstranten hatten sich 2024 zunächst gegen die Wiedereinführung einer Quote zur Besetzung von Regierungsjobs gerichtet, die ihrer Ansicht nach vor allem Anhänger der Awami League, Hasinas Partei, begünstigt hätten. Durch ihre kompromisslose Haltung gegenüber den Protestierenden hatte Hasina die Stimmung weiter angeheizt. So hatte sie die Demonstranten als „Razakars“ bezeichnet, womit Personen gemeint sind, die im Unabhängigkeitskrieg 1971 einst mit Pakistan kollaboriert hatten. Die Konfrontation hatte mit dem ersten Todesfall durch Polizeischüsse an Schärfe gewonnen.
Oppositionelle verschwanden
Die Politikerin und Tochter des Freiheitskämpfers und Gründervaters Mujibur Rahman, der einst einem Attentat zum Opfer gefallen war, ist in ihrer Heimat auch als „eiserne Lady“ bekannt. Opposition und Menschenrechtsorganisationen beschuldigten sie eines autoritären Regierungsstils. Zahlreiche Menschen waren in ihrer Regierungszeit verschwunden. Es gibt Berichte über Geheimgefängnisse, in denen Regimegegner ohne Prozess festgehalten wurden. Menschenrechtler hatten den Sicherheitskräften unter ihr außerdem immer wieder Folter und außergerichtliche Tötungen vorgeworfen.
Das Todesurteil könnte einen Schatten über die Parlamentswahlen werfen, die der 85 Jahre alte Yunus für Februar nächsten Jahres plant. Der in Amerika lebende Sohn der verurteilten Ministerpräsidentin, Sajeeb Wazed, hatte jüngst mit Gewalt im Zusammenhang mit der Wahl gedroht. Er erklärte, dass die Anhänger der Awami League den Urnengang blockieren würden, wenn das Verbot ihrer Partei nicht aufgehoben werde.
Als Favoritin geht die Bangladesh Nationalist Party (BNP) ins Rennen, die langjährige Rivalin der Awami League. Aber auch die islamistische Jamaat-e-Islami, die unter Hasina verboten gewesen war, konnte an Zuspruch gewinnen. Außerdem wird sich die von Studentendemonstranten gegründete National Citizen Party (NCP) erstmals zur Wahl stellen.
