
Angesichts der anhaltenden Probleme bei der Deutschen Bahn kündigt Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) eine umfassende Strategie zur Neuausrichtung des Unternehmens an. Diese soll bis spätestens Spätsommer 2025 vorliegen und zentrale Weichenstellungen für die Zukunft des Schienenverkehrs in Deutschland enthalten.
„Der Ausgangspunkt ist, dass wir uns genau anschauen müssen: Wo soll die Bahn in ein paar Jahren stehen? Wie kommen wir dahin, dass wir die Ziele umsetzen, die wir der Bahn und uns selbst geben?“, erklärte Schnieder gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Die Ausarbeitung der Strategie soll zunächst unabhängig von personellen Entscheidungen erfolgen. Erst nach Festlegung der inhaltlichen Eckpunkte will sich der Minister mit Fragen zur künftigen Besetzung des Bahnvorstands befassen – insbesondere mit Blick auf Bahnchef Richard Lutz. Denn es heißt im Koalitionsvertrag, dass angesichts der Misere bei der Bahn auch der Vorstand und der Aufsichtsrat des Unternehmens neu aufgestellt werden sollen, „mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen“.
„Der Trainer ist weg und alles wird gut – das halte ich für verkürzt“, so Schnieder. „Das Ziel ist, dass wir eine funktionsfähige, gut aufgestellte Bahn haben. Dazu zählt viel, viel mehr als simple Personalfragen.“
Die Bahn müsse künftig pünktlicher, zuverlässiger und kundenfreundlicher werden. „Sie braucht eine vernünftige Infrastruktur. Sie soll wirtschaftlich agieren. Vielleicht muss sie auch noch familienfreundlicher werden“, sagte Schnieder. Der derzeitige Zustand sei unbefriedigend: „Mit dem Zustand wie im Moment kann niemand richtig zufrieden sein.“
Im Jahr 2024 erreichten die Fernzüge der Bahn einen historischen Tiefstand bei der Pünktlichkeit. Der Konzern strebt für das laufende Jahr eine Quote von 65 bis 70 Prozent pünktlicher ICE- und IC-Züge an – ein Ziel, das angesichts der aktuellen Lage ambitioniert erscheint.
Ein zentrales Problem bleibt die überalterte und überlastete und marode Infrastruktur. Die Bahn plant die umfassende Sanierung von über 40 stark frequentierten Strecken – die CDU ist jedoch weiterhin skeptisch, was das Vorhaben angeht.
Schnieder betont, dass man grundsätzlich an den Generalsanierungen festhalten wolle, jedoch mit kritischem Blick auf die Umsetzbarkeit. „Wir haben auch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir das tun, aber dass wir uns vorbehalten, noch mal genauer hinzuschauen“, sagte er mit Blick auf die geplante Sperrung der Strecke Hamburg–Berlin ab August.
Dabei gehe es auch um die Zumutbarkeit für Fahrgäste und Logistikunternehmen: „Das ist ja auch ein Dialog mit vielen, die davon betroffen sind, bei dem Sie sich anschauen, ist das mit dem Schienenersatzverkehr in Ordnung so, müssen andere Baustellen im Umfeld so sein? Das ist immer ein Arbeiten an den Einzelheiten und Details“, sagte Schnieder.
Alle seien sich einig – angesichts des Zustandes der Infrastruktur –, dass das Netz schnell saniert werden müsse. „Dennoch muss man schauen: Was ist zumutbar? Muss ich in einem Jahr neun Hochleistungskorridore parallel machen? Da geht es nicht darum, das auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben. Aber man muss gucken, ob man nicht hier und da eine Belastung rausnehmen oder etwas nach hinten schieben sollte.“
Der Zustand der Bahn sei laut Schnieder ein Spiegelbild der allgemeinen Stimmung in Deutschland. „Die Menschen haben den Eindruck, dass eben nicht mehr alles so funktioniert, wie es funktionieren soll.“ Deutschland habe international für Verlässlichkeit gestanden – ein Ruf, der zunehmend bröckele.
Trotz der Herausforderungen sieht der Minister Potenzial im Schienenverkehr. Die Investitionsankündigung von Flixtrain, bis zu 65 neue Fernzüge beim spanischen Hersteller Talgo zu bestellen, wertet Schnieder als positives Signal: „Das kann man doch nur tun, wenn man glaubt, dass das hier funktionieren kann. Insofern: Das Potenzial ist da und ich glaube auch, dass das gelingen wird.“