
Noch vor ein paar Tagen hatten die Chefs der internationalen Autokonzerne Hoffnung. Es gab angeblich Zeichen aus dem Weißen Haus, dass Präsident Donald Trump ihre Branche von seinem „Tag der Befreiung“ ausnehmen würde. Gemeint ist damit der 2. April, an dem Trump neue, reziproke Zölle auf alle Einfuhren ankündigen will, eine Art „Gleiches mit Gleichem“-Prinzip, bei dem die USA für Importe die gleichen Zollsätze erheben will, wie ihre Handelspartner auf US-Exporte.
Doch er hat es sich anders überlegt. Am Mittwochnachmittag gab er im Weißen Haus eine Pressekonferenz und kündigte 25 Prozent Zoll auf alle eingeführten Pkw an. Keine temporäre Maßnahme, so Trump, sondern eine dauerhaft. Und: keine Ausnahmen. Prompt stürzten die Aktienkurse der Autobauer ab. Bleibt es bei Trumps Erlass, wären auch die bereits angeschlagenen deutschen Autobauer stark betroffen. Zwar haben sie Werke in den USA, doch viele Modelle, die sie in den USA verkaufen, werden importiert. Bei BMW waren es Ende vergangenen Jahres mehr als die Hälfte, bei Mercedes knapp 60 Prozent und bei Volkswagen sind es sogar 80 Prozent.
Noch hoffen die betroffenen Konzerne darauf, dass Trump nur eine starke Verhandlungsposition gewinnen will. Und dass er doch noch Ausnahmen zulassen wird. Eine von Trump immer wieder gegebene Begründung für seinen Protektionismus lautet, er wolle die heimische Industrieproduktion wieder aufbauen. Doch die meisten ausländischen Autobauer haben bereits Werke in den USA. BMW beschäftigt mehr als 5.000 Mitarbeiter in dem Land und ist – gemessen am Dollarwert – der größte Autoexporteur der USA.
Eine große Rolle bei der Entscheidung für Zölle dürfte auch die Abneigung spielen, die der Präsident und seine Minister vor allem gegen die europäischen Verbündeten hegen. Zuletzt wurde sie in dem geheimen Chat von Pentagon-Chef Pete Hegseth, Vizepräsident J. D. Vance sowie anderen Regierungsvertretern deutlich, bei dem sie versehentlich den Chefredakteur des Magazins The Atlantic teilnehmen ließen. Darin nannten sie die Europäer unter anderem „erbärmlich“. Bei seiner Ankündigung am Mittwoch warnte Trump explizit die EU, sich mit Kanada zu verbünden, um mit eigenen Maßnahmen zurückzuschlagen. Dann drohe ihnen, „noch weit Schlimmeres“.
Heimische Hersteller unter Druck
Doch Trumps Autozölle schaden auch den heimischen Herstellern. Die US-Autoindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer enger mit Zulieferern in Kanada und Mexiko verflochten. So kommt es, dass etwa General Motors 48 Prozent seiner im US-Inland verkauften Modelle importiert, Stellantis – vormals Chrysler – immerhin 43 Prozent. Eine Ausnahme dürfte Tesla bilden, der E-Autohersteller baut 100 Prozent der in den USA verkauften Fahrzeuge in seinen Werken in Texas und Kalifornien. Teslas Chef und Großaktionär ist Elon Musk, der derzeit im Auftrag von Trump in der US-Verwaltung wütet.
Dem Präsidenten und seinen Beratern dürfte diese Abhängigkeit bekannt sein, ebenso die Tatsache, dass sich Autofabriken nicht in wenigen Monaten neu bauen oder verlagern lassen. Genauso wie Team Trump wissen muss, dass die Autobranche mit ihren Zulieferern einen wichtigen Teil des produzierenden Gewerbes im Land darstellt – eben genau jenen Sektor, zu dessen Gunsten Trump die Zölle angeblich einführen will. Auch mit den potenziellen gesamtwirtschaftlichen Folgen der hohen Zölle auf die Neuwagenpreise in den USA dürften die Ökonomen im Umfeld des Präsidenten rechnen. Schon jetzt ist der durchschnittliche Preis für ein neues Auto mit rund 50.000 Dollar auf historisch hohem Niveau. Damit steigen auch die Preise für Gebrauchtwagen. Für die meisten Amerikaner ist jedoch ein Auto ein Muss, außerhalb großer Metropolen gibt es kaum einen öffentlichen Nahverkehr. So dürften die Autozölle die Lebenshaltungskosten der Amerikaner weiter erhöhen und besonders Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen treffen.
Man muss darüber hinaus annehmen, dass die Unberechenbarkeit, die Trump an den Tag legt – erst die Andeutungen, dass Autos bei den Zöllen ausgenommen werden, dann mehr oder weniger 72 Stunden später die überraschende Ankündigung von Zöllen in Höhe von 25 Prozent für die Branche –, mit voller Absicht geschieht. Er kreiert ein Maximum an Verunsicherung. Doch bei Unternehmen führt Unsicherheit zu Vorsicht. Expansionspläne werden erst einmal gestoppt, das wiederum wirkt sich auf den Bau neuer Fabriken und die Jobs aus. Also eigentlich genau das Gegenteil von dem, was Trump angeblich fördern will.
Kein Wunder, rätseln Top-Manager und Investoren, ob hinter Trumps scheinbar erratischem Vorgehen doch etwas anderes steckt. Selbst wenn man überzeugt ist – wie es Trump und seine Wirtschaftsberater zu sein scheinen –, dass die Industrie in den USA gestärkt werden soll, könnte man einen solchen Umbau einleiten, indem man konkrete Ziele vorgibt und auch wie und bis wann diese erreicht werden sollen. Biden hat es so mit der Halbleiterindustrie gemacht, die er durch staatliche Förderung, aber auch durch Beschränkungen im Handel mit China wieder in die USA zurückholen wollte. Ein Projekt, das Trump gerade wieder einstampfen lässt, genauso wie er die Maßnahmen des Inflation Reduction Act (IRA), Bidens wichtigstem politischen Erfolg, bei dem erneuerbare Energie und Infrastrukturprojekte gefördert werden, einstellen will. Dabei haben beide Gesetze bereits die Investitionen in neue Produktionsanlagen zwischen 2021 bis 2024 um rund 220 Prozent ansteigen lassen. Auch dank des IRA stellen US-Fabriken wieder genug Solarpanels her, um die heimische Nachfrage befriedigen zu können.
Trump zielt auf die Zinsen ab
So kursiert an der Wall Street inzwischen die auf den ersten Blick verwegene Theorie, das Weiße Haus wolle nicht nur eine Rezession in Kauf nehmen, sondern den Abschwung de facto herbeiführen. Eine Rezession würde den Dollarkurs im Verhältnis zu anderen Währungen schwächen, das heißt für Amerikaner würde es teurer, Importe auf dem Weltmarkt einzukaufen. Dagegen würde der schwächere Dollar US-Exporte gegenüber Konkurrenten aus dem Ausland wettbewerbsfähiger machen.
Trumps Team könnte aber auch noch aus einem weiteren Grund auf einen Abschwung setzen. Eine Rezession würde auch dafür sorgen, dass die langfristigen Zinsen fallen. Das wiederum würde das US-Haushaltsbudget entlasten. Inzwischen müssen die USA 13 Prozent ihres Staatsbudgets für Zinszahlungen auf ihre Staatspapiere zahlen, mit denen sie ihren inzwischen auf 36 Billionen Dollar angewachsenen Schuldenberg finanzieren. Damit zahlen die Amerikaner genauso viel an ihre Gläubiger, wie die Nation für die Verteidigung ausgibt.
Niedrigere Zinsen wiederum könnten Trump genug finanziellen Spielraum geben, das von ihm im Wahlkampf versprochene Paket zur Absenkung der Steuern zu verabschieden. Das für Trump entscheidende Gesetzesvorhaben, das im Wesentlichen Wohlhabenden und Unternehmen zugutekommen würde, hängt bislang im Kongress. Selbst Abgeordnete der Republikaner, die sonst auf Linie ihres Präsidenten sind, zieren sich. Denn die Trumpschen Steuergeschenke dürften das Haushaltsdefizit, das bereits im laufenden Fiskaljahr mit zwei Billionen Dollar einen neuen Rekordstand erreicht hat, um weitere vier Billionen anschwellen lassen, kalkuliert Americans for Tax Fairness, eine Organisation, die für mehr Steuergerechtigkeit kämpft.
Noch hat er seine Leute hinter sich
Auch wenn die Partei derzeit Sparmaßnahmen diskutiert – unter anderem Einschnitte bei der staatlichen Rentenversicherung und der staatlichen Gesundheitsversorgung, auf die über 70 Millionen Amerikaner angewiesen sind –, dürfte es ohne Neuverschuldung nicht gehen. Niedrigere Zinsen würden jedoch die Prognosen, wie viel Trumps Steuerpaket letztlich kosten würde, rosiger aussehen lassen – und es den Republikanern im Kongress leichter machen, dafür zu stimmen.
Aber kann es sich eine Regierung politisch leisten, einen Konjunkturabschwung herbeizuführen? Sowohl Trump selbst als auch sein Finanzminister, Scott Bessent, haben in Interviews in den vergangenen Wochen immer wieder erklärt, dass die von ihnen angestrebte Veränderung nicht ohne eine schmerzhafte Anfangsphase gelingen werde. Anders als von vielen politischen Beobachtern erwartet, sind viele Amerikaner offenbar zu ökonomischen Opfern bereit.
Insgesamt lag Trumps Zustimmung in Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup zwischen Januar und März dieses Jahres bei durchschnittlich 45 Prozent und damit etwas höher als der Durchschnitt von 42 Prozent in denselben Monaten des Jahres 2017, dem Beginn seiner ersten Amtszeit. Während die Zustimmungsrate von befragten Wählern der Demokraten und Liberalen gegenüber 2017 (noch) niedriger ausfällt, ist die Zustimmung von Trumps Parteianhängern auf über 90 Prozent gestiegen. In anderen Worten: Noch hat Trump das nötige politische Kapital für seine Pläne. Und er will offenbar nicht warten, bis dieses geschwunden ist. So müssen sich Amerikas Verbündete auf weitere Überraschungen gefasst machen.