Autoindustrie: Ökonomen kritisieren Abkehr vom Verbrenner-Aus

Führende Ökonominnen und Ökonomen haben die
absehbare Lockerung der CO₂-Vorgaben für Neuwagen in der EU kritisiert. Die Abkehr vom sogenannten Verbrenner-Aus löse weder die
aktuellen Probleme der Hersteller noch sichere sie Industriejobs in
Deutschland, sagte die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, die
Volkswirtin Monika Schnitzer, der Süddeutschen Zeitung. „Würde man diese Arbeitsplätze
retten, wenn man das Verbrenner-Aus jetzt verschiebt? Ich fürchte, das
Gegenteil ist der Fall.“

Voraussichtlich am Dienstag sollen in Brüssel
die Pläne vorgestellt werden, welche Autos ab 2035 noch in der EU
zugelassen werden können. Dass das Komplettverbot für Verbrenner fallen
dürfte
, ist schon seit Monaten absehbar. Auch die Bundesregierung hatte
sich dafür eingesetzt.

Schnitzer kritisierte auch, dass die Industrie widersprüchliche Signale
erhalte, zumal viele Unternehmen längst investiert hätten. „Wenn es
jetzt also heißt, die Deutschen hätten bei den Verbrennern einen großen
Vorteil gegenüber der Konkurrenz, kann ich nur sagen: kurzfristig
vielleicht“, sagte Schnitzer. „Aber heute nutzt auch niemand mehr ein Tastenhandy.“

IW-Ökonom beklagt Symboldebatte

Auch die Ökonomen Thomas Puls vom
arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Sebastian
Dullien vom gewerkschaftsnahen IMK und Anita Wölfl vom Münchner ifo Institut äußerten sich skeptisch. „Ich halte das alles vor allem für
eine Symboldebatte: E-Autos und Plug-in-Hybride werden bis 2035 für die
allermeisten Anwendungen sowieso das bessere Produkt sein
„, sagte Puls.

Das Problem der deutschen Hersteller sei auch
weniger das Verbrenner-Aus, sondern eher der technische Rückstand, zum
Beispiel bei den Batteriezellen, sagte Dullien. „Deshalb kann man
sich schon die Frage stellen, welches Interesse die Manager in den
Autokonzernen verfolgen: Wollen sie kurzfristig möglichst hohe Gewinne
machen oder arbeiten sie im langfristigen Interesse der Industrie und
der Beschäftigten?“

Eine zweigleisige Strategie zwischen E- und
Verbrennerfahrzeugen hätten Konzerne schon zu lange gefahren,
kritisierte Wölfl. „Das lohnt sich aber auf Dauer nicht.“ Die meisten
Hersteller investierten deshalb schon jetzt nicht mehr in Benziner und
Diesel. „Woher sollten also in den nächsten Jahren plötzlich neue
Verbrennermodelle kommen?“