Außenwirtschaftstag: Reiche hat „wenig Verständnis“ für Chip-Engpässe


Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kritisiert strategische Versäumnisse der deutschen Wirtschaft zur Absicherung ihrer Lieferketten. „Ich habe wenig Verständnis, wenn nach Corona und Gaskrise einige Unternehmen immer noch auf eine Single-Source-Strategie setzen“, sagte Reiche am Dienstag in Berlin auf dem Außenwirtschaftstag ihres Ministeriums. Hintergrund sind die Versorgungsengpässe in der Autoindustrie, seit die chinesische Regierung Lieferungen des Chipanbieters Nexperia unterbindet. Die betroffenen Unternehmen haben das Wirtschaftsministerium um Hilfe gebeten, vergangene Woche gab es dazu eine Krisenschalte.

Auch bei der Erschließung neuer Märkte forderte die Ministerin mehr Engagement der Unternehmen. „Wie haben eigentlich Ihre Vorgänger vor 30, 40 oder auch 20 Jahren den chinesischen Markt entdeckt? So ganz ohne Freihandelsabkommen?“, rief Reiche den Unternehmensvertretern im Haus der Wirtschaft zu, wo die Veranstaltung stattfand. „Sie sind hingefahren. Sie haben investiert. Sie sind das Risiko eingegangen, weil sie in diesem riesigen Land eine Chance gesehen haben.“

Wettbewerbsfähigkeit: Reiche zweifelt an bisherigen Maßnahmen

Mehr Risikobereitschaft erwartet die Wirtschaftsministerin aber auch von ihren Kollegen in der Politik. „Wir sind mit unseren Strukturen derzeit nicht wettbewerbsfähig“, sagte sie und verwies auf eine „fehlgeleitete Energiepolitik“ sowie einen Sozialstaat, der „in der Dimension“ eine Belastung für die Arbeitskosten sei. Im Juli war Reiche wegen ihrer Forderung nach einer längeren Lebensarbeitszeit sowohl in der SPD als auch in der eigenen Partei angeeckt. Auf dem Außenwirtschaftstag ließ die Ministerin nun Zweifel anklingen, ob die Bundesregierung genug zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unternimmt.

Zu den verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten und der Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 sagte sie: „Es wird sich zeigen, ob diese Schritte wirklich ausreichen.“ Deutschland habe „wahnsinnig hohe Steuern“. Mit Blick auf die Regulierung aus Brüssel sagte sie, die EU dürfe nicht das „Silicon Valley der Bürokratie“ werden.

„Wenn wir keine Wirtschaftsmacht mehr sind, dann werden wir in dieser neuen Weltordnung ohnmächtig sein“, warnte die Ministerin. Die wirtschaftsliberale Weltordnung gehöre der Vergangenheit an. „Sie kommt nicht wieder, zumindest nicht in der nächsten Zeit.“ Die Weltwirtschaft heute sei fragmentiert, auf einzelne Regionen und das Aufbauen eigener Netzwerke fokussiert. Als Beispiel nannte Reiche die Asienreise des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Dieser werbe „systematisch“ in den einzelnen Ländern um Investitionen und Kooperationen.

Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), nahm die Kritik der Ministerin an. „Vielleicht sind wir zu satt in diese Situation gegangen“, sagte er. Zugleich forderte er von der Politik eine andere Haltung gegenüber der Wirtschaft ein. Die Unternehmen hätten gute Absichten. Sie brauchten Freiräume statt einer „misstrauensgeprägten Bürokratie“.