
Die Turnkameraden in Indonesien heben die Hände. Sie haben doch alles getan, was man tun muss. Nette Einladungsbriefe in alle Welt geschickt, damit die besten Athletinnen und Athleten pünktlich zum Beginn der Einzel-Weltmeisterschaft nach Jakarta am 19. Oktober kommen. Die Freude, zumindest das Erstaunen in Israel muss groß gewesen sein: freundliche Post aus Indoniesen?
Papier ist geduldig, Mails sind es auch. Und siehe da, zehn Tage vor dem ersten Wettkampf, die Koffer im Geiste längst gepackt, die Flüge gebucht, das Training auf den Wettkampf abgestimmt, folgt die Ausladung der Israelis. Nein, so darf man das nicht schreiben. Eingeladen sind sie immer noch, auch der Olympiasieger. Nur gibt’s leider keine Visa. So hat’s die Regierung beschlossen und lautstark verbreitet. Was kann denn der Sport dafür?
Er hält nicht nur große Stücke auf seine Autonomie. Ab und zu wird ein Land auch mal von Funktionären daran erinnert, was es bedeuten kann, wenn Regierungen in den Sport eingreifen. Zum Beispiel Deutschland. Thomas Bach riet den Mächtigen in seiner Heimat im vergangenen Dezember dringend – er stand noch dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vor –, Athleten nicht wegen ihres Passes, gemeint war der russische, die Einreise zu verweigern. Auf keinen Fall! Sonst? Sonst werde das – sinngemäß – nie was mit dem Wunsch, Olympische Spiele zu bekommen. Zwei Tage später kuschte die damalige Ampel.
Aus dem Zirkel des IOC-Ehrenpräsidenten ist im Fall Indonesien nichts zu hören. Als sei auch Bachs generelles Diktum verklungen: „Es kann nicht Sache von Regierungen sein, zu entscheiden, welche Athleten an welchen Wettkämpfen teilnehmen können. Das wäre das Ende des internationalen Sports, wie wir ihn kennen.“ Ob es so käme und ob Regierungen nicht auch mal ein Stoppschild setzen müssen, ließe sich diskutieren. Nicht aber die Haltung der Herren Erick Thohir und Morinari Watanabe zum Diktum Bachs. Beide sind IOC-Mitglieder. Thohir, Jugend- und Sportminister Indonesiens, verteidigt die Visumverweigerung. Watanabe, Präsident des Internationalen Turn-Verbandes (FIG), nimmt den eklatanten Verstoß auch gegen die Regeln seines eigenen Verbandes „zur Kenntnis“. Der arme Sport, Opfer der Politik, des Massakers der Hamas in Israel, der Vernichtung und Verwüstung durch Israels Armee in Gaza: ohnmächtig ob dieser Gewalten.
Watanabe wäre diese Interpretation recht. Aber schon auf den ersten Blick lässt sich erkennen, wie vorhersehbar diese Eskalation war. Indonesien und Israel erkennen sich offiziell nicht als souveräne Staaten an. Sie pflegen keine diplomatischen Beziehungen. Der Einreiseverweigerung ging die Episode eines israelischen Schützen voraus, der 2023 bei einem Weltcup-Wettbewerb in Indonesien auf die Hoheitszeichen seines Landes verzichten sollte. Der Fußball-Weltverband suchte einen anderen Ausrichter der U-20-WM vor zwei Jahren, weil Indonesien das israelische Team nicht teilnehmen lassen wollte. Angeblich scheiterte die Ausrichtung der World Beach Games auf Bali 2023 aus demselben Grund. Wenn das nicht ausreichte als Warnung, dann gibt es nur zwei Gründe für die Beteiligung des Sports an diesem Desaster: Dummheit oder Absicht.