
Berger, Nüsken, Däbritz und Knaak – bald noch Brand und Hendrich: Immer mehr Spielerinnen im DFB-Aufgebot spielen im Ausland. Ein Trend, der dem Team nutzen soll, der aber auch Gefahren für die Bundesliga mit sich bringt.
Nach dem letzten Saisonspiel konnte Sjoeke Nüsken ganz entspannt das Triple feiern. Als die Mittelfeldspielerin von Trainerin Sonia Bompastor in der Nachspielzeit des FA-Cup-Finales gegen Manchester United (3:0) aufs Feld geschickt wurde, war die Partie längst gelaufen. Kurz nach ihrer Einwechslung für Erin Cuthbert war schon Schluss. Nach League Cup und Meisterschaft gewannen Chelseas Frauen auch den großen Pokal-Wettbewerb – und die 24-jährige Nüsken war einmal mehr mittendrin.
„Die drei Titel in dieser Saison sind mein absolutes Highlight“, schwärmt sie auch einen Monat später noch. „Klar, will ich jetzt auch noch weiter in die Champions League; da mal im Finale stehen und den Titel gewinnen.“
Die Wahl-Londonerin Nüsken steht stellvertretend für eine neue Kultur in der Nationalmannschaft. Immer mehr Spielerinnen entdecken das Ausland für ihre Karriere. Die USA und England, aber Spanien, Frankreich und Italien locken mit Ligen, die sich teilweise rasant entwickeln. Aber was sind die Folgen? Profitiert das Nationalteam davon? Schadet dieser Trend der Bundesliga?
Künzer sieht vor und Nachteile für den DFB
Nia Künzer ist hin- und hergerissen. „Erst mal ist es schön, dass sich in Europa und auch den USA die Ligen weiterentwickelt haben. Das ist auch immer ein gutes Zeichen. Und so sehe ich es auch für die Spielerinnen. Es ist gut für ihre Persönlichkeitsentwicklung. Außerdem bringen sie andere Eindrücke und andere Perspektiven mit. Davon profitieren alle“, betont die Sportdirektorin, die gerade ihren Vertrag beim DFB verlängert hat.
Wie überall im Leben macht es die Mischung.
Es gibt allerdings noch eine andere Seite: „Wir haben selbstverständlich ein großes Interesse daran, dass unsere Top-Spielerinnen in der deutschen Liga spielen. Die Gesichter helfen der Liga und dem Nachwuchs, Idolen nachzueifern.“
Mit anderen Worten: Verlassen zu viele deutsche Spielerinnen die Bundesliga, dürfte sich das negativ auf deren Entwicklung auswirken.
Däbritz freut sich über „verschiedene Möglichkeiten“
Sara Däbritz ist als „Legionärin“ eine der Vorreiterinnen im Team. Die 30-Jährige, die zur neuen Saison von Olympique Lyon zu Real Madrid wechselt und da auf die ehemalige Nationaltorhüterin Merle Frohms trifft, spielt seit mittlerweile sechs Jahren im Ausland. Damals unterschrieb sie ihren Vertrag bei Paris St. Germain.
„Man hat mittlerweile einfach verschiedene Möglichkeiten. Andere Ligen entwickeln sich weiter. Wir Spielerinnen wollen das nutzen und auch woanders Erfahrungen sammeln. Das ist einfach interessant“, betont Däbritz, die aber auch die Bundesliga weiter genau verfolgt. Spiele in den großen Stadien, ein höherer Zuschauerschnitt und mehr Teams, die im Kampf um die vorderen Plätze mitmischen: „Das sind Dinge, die auch für die Bundesliga sprechen.„
Sara Däbritz spielte von 2022 bis 2025 für Lyon
Legionärinnen-Anteil wächst weiter
Dennoch wächst der Anteil an Legionärinnen bei den DFB-Frauen weiter an. Neben Nüsken und Däbritz standen in der abgelaufenen Saison auch schon Rebecca Knaak (Manchester City) und Ann-Katrin Berger (NJ/NY Gotham FC) im Ausland unter Vertrag. Dazu vier Spielerinnen, die Bundestrainer Christian Wück auf Abruf nominiert hat. Zum 1. Juli wechselt Jule Brand zu Olympique Lyon. Kathrin Hendrich zieht es zu den Chicago Stars.
„Zu meiner Zeit war es so, dass die deutsche Liga sehr attraktiv war für uns. Es haben schon einige in Schweden oder in den USA gespielt – Maren Meinert, Doris Fitschen“, blickt Künzer zurück. Gerade Anfang der 2000er Jahre wechselten immer wieder Spielerinnen (für eine kurze Zeit) in die USA. „Das gab es schon, aber noch nicht so, wie es heute ist.“
Bühls Entscheidung für die Bundesliga – erst einmal
Klara Bühl sieht durch Spielerinnen, die im Ausland kicken, „einen Mehrwert für die Mannschaft. Da erfährt man ganz andere Sachen und lernt eine andere Kultur kennen. Dazu vielleicht eine ganz andere Taktik und Spielphilosophie. Wenn man merkt, wie andere Nationen ticken, kann man sich immer mal wieder etwas abschauen.“
Das wird die Offensivspielerin allerdings weiter beim FC Bayern tun, der bekanntlich auch einen internationalen Kader hat. Die 24-Jährige hat erst im März ihren Vertrag in München verlängert – und sieht sich in ihrer Entscheidung durch den Double-Gewinn des Teams bestätigt. Sie wolle erst mal „den Flow“ nutzen, mit dem sie zur sehr erfolgreichen Saison des FCB beigetragen hat.
Der Schritt ins Ausland habe sie aber schon jetzt beschäftigt, erklärt die Ex-Freiburgerin. Besonders das kolportierte Interesse des FC Barcelona dürfte sie zum Nachdenken gebracht haben. „Es war für mich eine super spannende Phase, weil ich mir grundsätzlich vorstellen kann, diesen Schritt ins Ausland zu gehen“, sagt Bühl und fügt hinzu: „Wenn ich das Gefühl habe, dass mich nichts mehr aus der Bahn wirft, werde ich auch im Ausland erfolgreich sein.“
Nüsken hat ihren Wechsel ins Ausland nicht bereut
Nüsken sah für sich selbst den Zeitpunkt für den Wechsel längst gekommen. „Es war einfach an der Zeit, einen neuen Schritt zu machen. Ich wollte raus aus dieser Komfortzone“, berichtet die 1,73-Meter-Frau, die damals vier Jahre in Frankfurt gespielt hatte.
„München und Wolfsburg sind natürlich auch super Vereine, aber ich wollte etwas ganz anderes machen. Und ich glaube, es hat mir sehr geholfen, dass ich auch mal auf mich allein gestellt war“, ergänzt sie: „Und wer kann schon sagen, dass man in London lebt und da seine eigenen Erfahrungen sammelt. Das ist eine super Sache.“
Sjoeke Nüsken gewann mit Chelsea in der vergangenen Saison die Meisterschaft und beide Pokalwettbewerbe
Und wer kann schon von sich behaupten, in der womöglich stärksten Liga Europas mit dem FC Chelsea das Triple gewonnen zu haben. Geschichten wie diese dürften sicher dazu beitragen, dass sich künftig weitere deutsche Spielerinnen ins Auslandabenteuer stürzen.