
Es ist wie in einer anderen Welt: Neugierig beäugt ein Seelöwe vom Pier aus die gerade im Hafen von Puerto Ayora angekommenen Reisenden, die vom Bus in ein Zodiac wechseln, um ihr im Hafenbecken liegendes Schiff zu erreichen, mit dem es in den folgenden zwölf Tagen durch den Inselarchipel geht. Keinerlei Scheu ist in seinen großen dunklen Augen zu erkennen, auch wenn ihm die Zweibeiner mit ihren Kameras zuweilen sehr nah kommen. Willkommen in einer Welt, in der Mensch und Tier mit gegenseitigem Respekt zusammenleben!
Ähnlich entspannt verhalten sich die im Hochland der Insel Santa Cruz nahezu allerorts grasenden Riesenschildkröten. Lediglich einige ältere Exemplare, die bis zu 160 Jahre alt werden können, ziehen bei zu engem Kontakt sicherheitshalber ihren Kopf in den schützenden Panzer zurück. Vielleicht erinnern sie sich an die grausame Zeit, als ihre Verwandten zu Hunderttausenden als Frischfleischlieferanten verschleppt und abgeschlachtet wurden, zuerst von Piraten und Walfängern, später von Siedlern. „Selbst der 26-jährige Darwin schwärmte von ihrem gutschmeckenden Fleisch, als er 1835 den Archipel für fünf Wochen während seiner Weltumseglung mit der Beagle besuchte“, bemerkt Naturguide Jaime Navas beim Durchqueren des Habitats. Dabei waren gerade sie es, die den Forscher neben den Finken und Spottdrosseln dazu inspirierten, seine Evolutionstheorie zu entwickeln. Als ihm der Vizegouverneur der Inselgruppe versicherte, er könne jede Riesenschildkröte ihrem Aussehen nach einer bestimmten Insel zuordnen, wurde Darwin nachdenklich. Später schrieb er: „Das mit Abstand bemerkenswerteste Merkmal in der Naturgeschichte dieses Archipels ist, dass die verschiedenen Inseln zu einem beträchtlichen Teil von unterschiedlichen Lebewesen bewohnt werden.“ Als Besucher ist man noch heute überrascht, wie sehr sich die bis zu 300 Kilogramm schweren Riesen in den feuchten Hochlagen mit ihrem Kuppelpanzer von denen auf trockenen Kakteeninseln unterscheiden. Während sich erstere vorwiegend von Gras ernähren, benötigen die Sattelschildkröten eine Wölbung im vorderen Schildpanzer und einen langen Hals, um an Kakteenblätter zu gelangen. Insgesamt befinden sich 15 unterschiedliche endemische Arten auf den Inseln. Sehr anschaulich wird dies bei einem Besuch der Aufzuchtanlage in der Charles Darwin Station in Puerto Ayora.
Für die eigentlich faszinierendsten Bewohner des Archipels hatte Darwin nur eine verachtende Beurteilung parat. Er sah in den weltweit einzigen Meeresleguanen „abscheulich aussehende Kreaturen“ die überdies auch noch „dumm und plump“ seien. Ihre Millionen Jahre lange Evolution vom Landleguan in Mittelamerika, der wohl auf Treibholzinseln Galápagos erreichte, bis zur schwarzen Meerechse ist eine der erstaunlichsten Evolutionsphänomene in der Tierwelt. Da sie bei ihrer Ankunft auf den mit Lavaschlacke und Asche bedeckten Vulkaninseln kaum essbare Vegetation vorfanden, mussten sie bis zu einer Stunde lang schwimmen und bis zu 20 Meter tief tauchen lernen. Auch schärfere Zähne waren notwendig, um im Meer die Algen vom felsigen Untergrund abknabbern zu können. Gleichzeitig ging ihre Hautfarbe ins Schwarze über, um den Körper nach den Tauchgängen in der Sonne schnell wieder aufzuwärmen. Das im Meer aufgenommene Salz schnaufen sie einfach durch Drüsen an der Nase wieder aus. Abhängig von der Fülle und Art der Algen trifft man auf den Inseln große und kleine, gänzlich schwarze und rotgefleckte Meerechsen an.
Auch die gelbbraunen Landleguane unterscheiden sich in Körperform und Farbe von Insel zu Insel. Erst vor wenigen Jahren entdeckte man am Wolf-Vulkan auf Isabela eine rosagefärbte Spezies. Auf den Inseln Santa Fé und Plaza Sur klettern einige Landleguane sogar auf Bäume und Sträucher. Hier mussten sich selbst die Kakteen anpassen. Meist kleinwüchsig, erreichen sie auf Plaza Baumgröße, um sich vor den blatt- und fruchtfressenden Echsen zu schützen.
Für Vogelfreunde ist die Inselwelt mit 150 Arten ein wahres Paradies. Aus den einst von der Antarktis mit dem Humboldtstrom angereisten Pinguinen entwickelte sich eine kleine Art, die als weltweit einzige am Äquator lebt. Auf der menschenleeren Insel Española haben Galápagos-Albatrosse ihre Nistplätze eingerichtet und hegen ihren Nachwuchs. Mit zweieinhalb Metern Flügelspanne sind sie wahre Giganten der Lüfte und können bis zu 15.000 Kilometer zurücklegen. Ähnliche Flugexperten sind die stets im Luftsog der Schiffe präsenten Fregattvögel, die ihre Zeit hauptsächlich schwebend verbringen. Äußerst geschäftig geht es in der Balz- und Brutzeit zu, wenn die Fregatt-Männchen versuchen, sich im Buhlen um Partnerinnen mit ihren aufgeblasenen knallroten Kehlsäcken gegenseitig zu übertrumpfen. Ebenso fotogen geben sich die Rot- und Blaufuß- sowie die Nazcatölpel beim Posieren vor der Kamera und Pelikane warten als Models auf dem Fischmarkt darauf, dass man ihnen die Überreste des Fangs zuwirft.
Nicht nur während der Inselwanderungen, auch bei Schnorchel- und Kajaktouren erleben die Besucher viele unvergessliche Momente. Nicht selten überraschen Seelöwen die schwimmenden Zweibeiner, schießen wie Torpedos an ihnen vorbei und ihr Nachwuchs nähert sich neugierig bis an die Taucherbrille, um dann äußerst gewandt abzutauchen. Dabei ziehen immer wieder Haie, Rochen und Meeresschildkröten oder bunte Papagei-, Doktor-, Falter- und Engelfische vorbei, bis man plötzlich selbst von einem Schwarm von Gelbschwanz-Doktorfischen eingehüllt ist oder über einer riesigen Wolke von endemischen Grunzerfischen (Salema) schwebt.
„So muss es im Paradies ausgesehen haben, bevor Eva den Adam verführte“, befindet ein begeisterter Tourist. Und Jaime fügt hinzu: „Wer diesen Garten Eden selbst erlebt hat, denkt unweigerlich über sein eigenes Verhältnis zur Tierwelt und zum Artenschutz nach.“