ATP Finals 2025 in Turin: Showdown mit Jannik Sinner und Carlos Alcaraz

Früher war alles fieser. Da wurde gefrotzelt, gestichelt, provoziert, wenn es darum ging, als der beste Tennisspieler der Welt angesehen zu werden. Goran Ivanišević, eine Weile die Nummer zwei, sagte über den Weltranglistenersten Pete Sampras: Er hätte ihn erschießen müssen, um seinen Platz zu ergattern. Andre Agassi, Sampras’ größter amerikanischer Rivale, lästerte über seinen besser gestellten Landsmann: Niemand sollte die Nummer eins sein, der wie ein Affe aussehe, der sich von Baum zu Baum schwinge.

Sogar der stets nett wirkende Sampras musste nicht nur einstecken, sondern konnte auch austeilen. Den zwischenzeitlichen Branchenführer Thomas Muster würdigte er mit den Worten herab, dass der Österreicher zwar auf Sandplätzen die Nummer eins, aber sonst lediglich mit Glück nach ganz oben gekommen sei.

Ausnahmekönner wie Chorknaben

Gegenüber den Alphamännern aus den späten Neunzigern, frühen Nullerjahren, die später immerhin für ihre eine oder andere Boshaftigkeit um Entschuldigung gebeten haben, benehmen sich die beiden aktuellen Ausnahmekönner wie Chorknaben.

Carlos Alcaraz und Jannik Sinner mögen sich zwar in dieser letzten Turnierwoche des Jahres ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Nummer eins liefern. Das hält die beiden Konkurrenten bei den ATP Finals der acht Besten aber nicht davon ab, gemeinsam zu trainieren und danach ein Selfie hinaus in die Welt zu schicken. Unter derart freundlichen Gegebenheiten fällt es schwer, von einem Kampf um die Krone zu sprechen.

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Dabei kommt es in diesen Tagen in Turin zum Showdown der überragenden Tennisprofis der vergangenen beiden Jahre. Alcaraz und Sinner haben in diesem Zeitraum jeweils vier Grand-Slam-Turniere gewonnen, nun kann jeder der beiden das Jahr zum zweiten Mal als Bester beenden. Alcaraz gelang es schon einmal 2022, Sinner 2024.

„Ein wichtiges Ziel für mich“

Der meistens freimütige Spanier hat in Turin kein Geheimnis daraus gemacht, dass er auch 2025 unbedingt an der Spitzenposition beenden will. „Dies ist seit einem halben Jahr ein wichtiges Ziel für mich“, sagte der Spanier. Sinner dagegen gibt sich bei allem sportlichen Ehrgeiz so, als interessiere ihn die Ausnahmestellung im Profizirkus nur am Rande.

Er spreche nicht groß über den Status als Nummer eins, sagte der 24 Jahre alte Italiener. „Ich bin eine bescheidene Person.“ Von sich als dem Besten zu sprechen, erschiene ihm wie Prahlerei. „Ich kann sagen, dass ich ein starker Spieler bin. Aber man wird zur Nummer eins nicht nur auf dem Tennisplatz, sondern auch dadurch, wie man abseits des Platzes die Dinge angeht und man sich verhält.“

Haben sich gern: Jannik Sinner (links) und Carlos Alcaraz
Haben sich gern: Jannik Sinner (links) und Carlos AlcarazEPA

Die Rechnung, wer auf welche Weise die Nummer eins wird oder bleibt, ist nicht ganz einfach. In der Saisonwertung, „Race to Turin“ genannt, liegt Alcaraz vorn. In der jahresübergreifenden Weltrangliste ist dagegen Sinner spitze, der nach seinem Triumph am ersten Novemberwochenende beim Mastersturnier in Paris seinem lieben Konkurrenten die Topposition abgeluchst hat.

Um sie zu behalten, sollte der Südtiroler bei den ATP Finals am besten seinen Titel erfolgreich und ohne Niederlage in den Gruppenspielen verteidigen. Sollte jedoch Alcaraz zwei Gruppenspiele gewinnen oder ins Finale einziehen, würde er seine bisher 44 Wochen an der Spitze bis ins neue Jahr hinein aufstocken. „Wenn er hier wirklich gut spielt, habe ich keine Chance, egal wie ich abschneide“, hatte Sinner vor dem Turnier seine Chancen kleingeredet.

Djokovic sagt Turnierteilnahme ab

Dass das Duell um die Nummer eins nun spannend bis zur letzten Minute bleibt, verzückt Tennisfans in aller Welt. Und es ist ein Glücksfall für die Profiorganisation ATP, um den Wert ihres Topprodukts zu zeigen und weiter zu steigern. Zurück bleiben diejenigen, die sich in ihrem fortgeschrittenen Tennisalter nun als Herausforderer fühlen müssen, aber die Kreise der beiden überragenden Kollegen nur geringfügig stören können.

Alexander Zverev und Novak Djokovic, der seine Teilnahme an den ATP Finals am Samstag wegen Schulterbeschwerden absagte, hätten zwar die Chance gehabt, zumindest kurzfristig ganz oben mitmischen zu können. Doch schafften es der Deutsche und der Serbe selbst dann nicht, in den Zweikampf einzuschreiten, als Sinner im Frühjahr wegen eines Dopingvergehens drei Monate gesperrt war.

Sinner selbst ist mit seinem Saisonendspurt mehr als zufrieden. Nachdem er Alcaraz im US-Open-Endspiel unterlegen war, hatte der Italiener ein paar Sachen an seinem Höchstgeschwindigkeitsspiel verändert; zum Beispiel streut er öfter Stoppbälle ein. Der Erfolg der vergangenen Wochen gibt ihm recht: Sinner gewann drei der vier Turniere, bei denen er antrat. Vor allem auf Hartplätzen in der Halle ist er schwer zu knacken. Nach den Erfolgen von Wien und Paris geht er mit einer Serie von 26 Siegen in sein Turiner Auftaktmatch am Montag (20.30 Uhr bei Sky) gegen den Kanadier Félix Auger-Aliassime.

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Alcaraz dagegen hat in der Hallensaison bisher keine überragenden Ergebnisse erzielt. In Paris scheiterte er in der ersten Runde, bei seinen bisherigen ATP-Finals-Teilnahmen hat der Spanier mehr Matches verloren (vier) als gewonnen (drei). Diesmal sei er doppelt motiviert, weil es um den Sieg und die Nummer eins gehe, sagte Alcaraz: „Das wird eine richtig große und wichtige Woche.“ Der Auftakt ist ihm dabei schon einmal gelungen: Im ersten Gruppenspiel setzte er sich am Sonntag mit 7:6 (7:5), 6:2 gegen den an Position sieben gesetzten Australier Alex de Minaur durch.