Atlético Madrid vor Eintracht-Duell in Champions League unter Investoren-Druck

Das Spiel am Samstag war fast schon zu Ende, als sich die Kameras auf Diego Simeone richteten. Der Trainer von Atlético de Madrid wischte sich Tränen von der Wange und die Nase trocken. Der Mann, der wie sonst kaum jemand im bezahlten Fußball die Emotionen aller Beteiligten – seine eigenen, die seiner Mannschaft und die der Zuschauer – hochkocht, hatte die eigenen Gefühle nicht mehr unter Kontrolle.

5:2 gewann sein Team im Stadtderby gegen den großen Rivalen Real Madrid, eine enorme Last fiel von seinen Schultern. „Wir hatten große Schwierigkeiten zu Beginn der Saison. Ich dachte an die harte Arbeit so vieler Leute hinter den Kulissen, die man nie sieht. Es ist wunderbar“, sagte der Argentinier hinterher. Doch der schlechte Saisonstart umschreibt den Druck bei Atlético nur sehr ungenau. Wieder haben sie Millionen in die Mannschaft investiert, dafür wollen sie bei Atlético endlich auch mal wieder einen Titel sehen.

Tatsächlich hatte der Klub in diesem Jahr den schlechtesten Saisonstart in der nun schon 15 Jahre andauernden Ära Simeone. Nach drei Spielen hatte Atlético noch keinen Sieg auf dem Konto, zum Auftakt der Champions League verlor das Team 2:3 in Liverpool. Dabei waren die Erwartungen hoch. 176 Millionen Euro hat der Klub zu Beginn der Saison für acht Transfers ausgegeben, in der letzten Spielzeit waren es 188 Millionen Euro für sieben Neuzugänge. Kein anderer Klub von La Liga hat so viel Geld in den Kader gesteckt.

Weg vom Malocher-Mythos

Das passt längst nicht mehr zum Image vom kleinen Arbeiterverein, vom Underdog, der die Großen der Fußballwelt ärgern, aber nicht mit ihnen mithalten kann, so gern Simeone dieses Bild auch pflegt.

Die hohen Transferausgaben stehen auch im Widerspruch zur Bewertung des Klubs in der jährlichen Untersuchung der Wirtschaftsprüfer von Deloitte über die umsatzstärksten Klubs in Europa. Dort liegt Atlético mit einem Jahresumsatz in der letzten Saison von 409 Millionen Euro nur auf Rang zwölf. Damit der Verein trotzdem so viel investieren kann, muss er immer wieder sein Kapital erhöhen. Im vergangenen Jahr waren es 70 Millionen Euro, in diesem Jahr sollen Investoren weitere 60 Millionen Euro zuschießen, plant Geschäftsführer und aktueller Mehrheitseigner Miguel Ángel Gil Marín, Sohn des langjährigen Vereinspräsidenten Jesús Gil. Doch die Pläne gehen viel weiter.

Vorrübergehender Glücksmoment gegen Real Madrid: Atlético-Trainer Diego Simeone und seine Spieler jubeln über einen 5:2-Erfolg.
Vorrübergehender Glücksmoment gegen Real Madrid: Atlético-Trainer Diego Simeone und seine Spieler jubeln über einen 5:2-Erfolg.AP

Die Kapitalerweiterungen sind möglich, weil Atlético wie die meisten spanischen Profiklubs eine sogenannte „Sportliche Aktiengesellschaft“ ist. Mit dieser Rechtsform sind der Höhe der Beteiligungen keine Grenzen gesetzt– sehr zum Ärger der spanischen Fußballfans, die immer wieder eine Begrenzung auf 49,9 Prozent in den Händen eines Anteilseigner fordern.

Jetzt sei geplant, berichten übereinstimmend mehrere spanische Medien, dass das US-amerikanische Investmentunternehmen Apollo Global Management Mehrheitseigner wird. Welche Summe dies konkret bedeutet, wird nicht genannt, aber das Gesamtkapital des Vereins wird „El País“ zufolge mit einer Summe zwischen 2,5 und drei Milliarden Euro bewertet.

Es wäre nicht die erste Kapitalerhöhung in den letzten Jahren, doch es wäre wohl deutlich mehr Geld als die von 2021 und 2023, die dem Verein 190 Millionen Euro eingebracht haben. Dieses Geld wurde vor allem in den Kader gesteckt. „Es war schwierig, in Spieler und gleichzeitig in ein neues Stadion zu investieren. Ein Stadion amortisiert sich ja nicht innerhalb eines Jahres“, erklärte Gil Marín. Nun geht es vor allem um Investitionen rund um das 2017 eingeweihte Estadio Metropolitano. Dort will Gil Marín eine „Ciudad del Deporte“ bauen, einen großen Sport- und Freizeitkomplex mit Einkaufszentrum und einem See zum Surfen mit künstlichem Strand. Das Investitionsvolumen wird auf 800 Millionen Euro beziffert. Dies können die bisherigen Anteilseigner nicht allein stemmen.

Die Besitzverhältnisse bei Atlético sind komplex. 70,47 Prozent hält das Unternehmen Atlético Holdco, woran Gil Marín knapp 51 Prozent besitzt, der US-Fonds Ares knapp 34 Prozent und Vereinspräsident Enrique Cerezo 16 Prozent. Direkt am Klub Atlético ist zudem auch die Quantum Pacific Group des israelischen Milliardärs Idan Ofer mit knapp 28 Prozent beteiligt.

Die Beteiligung eines israelischen Unternehmers bei Atlético hat übrigens bislang zu keinen Protesten geführt, ganz anders als zuletzt bei der Spanienrundfahrt, als in der Innenstadt von Ma­drid 100.000 Menschen demonstrierten, weil auch das Team Israel-Premier Tech an La Vuelta teilnahm. Damals mussten mehrmals die Streckenverläufe wegen Protesten geändert und musste der letzte Renntag mit der Einfahrt in Madrid abgebrochen werden.

Steigt tatsächlich Apollo Global Management als Mehrheitseigner ein, bliebe Gil Marín zwar nur noch eine kleine Beteiligung, so die spanischen Medienberichte. Aber er soll weiterhin die Geschäfte führen.

Die neuen Investoren werden viel von ihm erwarten, schließlich sind sie gewinnorientiert und erwarten bei so hohen Investitionen auch eine entsprechende Rendite. Im Sport heißt das Titel. Damit wächst der Druck auf die wirtschaftliche wie die sportliche Leitung Atléticos. Das erklärt den Gefühlsausbruch Simeones beim Erfolg gegen Real Madrid. Auch ein Sieg gegen Eintracht Frankfurt an diesem Dienstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) in der Champions League ist damit Pflicht.