Solch eine Chance bietet sich wohl nur einmal im Leben: Der Mann, um den es hier geht, arbeitet am Flughafen in Buenos Aires, seine Aufgabe ist es, das Gepäck der Passagiere fallweise in die Maschinen zu laden oder es dort herauszuholen. Man darf annehmen, dass das auch in Argentinien kein besonders gut bezahlter Job ist und dieser Mann, der jeden Tag Tausende Menschen zu verheißungsvollen Zielen abheben sieht, selbst nicht viel herumkommt in der Welt.
Just dieser Mann nun war kürzlich unerwartet unterwegs nach New York – extrem spontan, der Flug dorthin hat ihn außerdem nicht einmal etwas gekostet, jedenfalls kein Geld. Damit hätte der Mann selbst bis kurz vor dem Abflug nicht in seinen kühnsten Träumen gerechnet. Ein Glückspilz also, wie es erscheint. Denn wem würde das nicht gefallen? Aus einer Laune heraus mal eben schnell in die Stadt aller Städte zu jetten, und das auch noch kostenlos.
Nun, der besagte argentinische Flughafenmitarbeiter hat da seine eigene Sicht auf die Dinge, ihm hat nämlich ganz und gar nicht behagt, auf dem Weg nach New York zu sein. Nicht einmal geschenkt wollte er diese Reise haben. Er hämmerte deshalb nach dem Start der Maschine gegen eine Wand des Flugzeugs, so laut und insistierend, dass sich der Kapitän schließlich gezwungen sah umzukehren. Zurück in Buenos Aires, stürmten bewaffnete Polizisten die Maschine. Sie rechneten offenbar mit dem Schlimmsten.
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Stattdessen entdeckten sie den offenkundig sehr harmlosen Mann, der an Bord der Maschine war – und zwar im Frachtraum. Dort war er versehentlich eingeschlossen worden, als er noch mit dem Beladen des Flugzeugs beschäftigt war. Man muss sich das wie in einem Thriller oder Horrorfilm vorstellen: Eine Tür oder Luke schnappt ins Schloss, sie ist von innen nicht zu öffnen, man sitzt in der Falle. Das Unausweichliche wird passieren, wenn nicht noch Rettung in letzter Sekunde erfolgt.
Es sagt sich natürlich leicht, wenn man selbst nicht in dieser Situation feststeckt: Aber die Frage liegt nahe, ob der unfreiwillige blinde Passagier nicht überreagiert hat. Die ihn betreffenden speziellen Unannehmlichkeiten an Bord hätte er jedenfalls leicht abwenden können: Gegen die Kälte standen ihm zahllose Kleidungsstücke in Dutzenden Koffern zur Verfügung, in den Gepäckstücken hätte sich bestimmt auch Essbares gefunden, darüber hinaus das eine oder andere Buch und elektronische Geräte. Obendrein ist der Aufenthalt im Frachtraum sogar mit Annehmlichkeiten verbunden: Niemand schnarcht neben einem, hängt mit dem halben Körper auf dem Sitz, der einem selbst zugewiesen ist, und niemand riecht unangenehm, außer vielleicht ein paar Hunden. Aber zu denen kann man leicht Abstand halten. Und freigelassen wäre er garantiert wieder worden.
Interessant wäre in jedem Fall zu erfahren, ob der Mann wusste, wohin er da unterwegs war. Ob er fälschlich annahm, es ginge ins von vielen Argentiniern beargwöhnte Nachbarland Brasilien, und deshalb in Panik geriet? Oder ob er sich bewusst gegen New York entschieden hat, sich jedoch unauffällig verhalten hätte, wenn er hätte hoffen dürfen, nach Paris oder Bangkok zu gelangen?
Wahrscheinlich aber hatte der Mann einfach Besseres vor an diesem Abend und wollte das nicht aufs Spiel setzen, bloß wegen einer schnöden Stippvisite nach New York.