Architekt Sep Ruf: Die Eleganz der Demokratie

Vielleicht braucht es diese Inspiration gerade jetzt? Die Offenheit und Klarheit, selbst das Praktische immer schön, aber nie zu aufreizend verpackt? Luftig und leicht kommen Sep Rufs Bauten daher, und dann ist da noch etwas, wonach man heute lange suchen muss: die Eleganz. Egal, ob er eine Kunstakademie konzipiert hat wie in Nürnberg nahe des Tiergartens, Kirchen wie Sankt Johann von Capistran in München-Bogenhausen, Kaufhäuser wie den Karstadt in Fulda und den Hertie in Nürnberg, eine Bergarbeitersiedlung in Penzberg, das Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee – oder eben den Kanzlerbungalow in Bonn, der die erfreulichsten Seiten der jungen Bundesrepublik durch Architektur zum Ausdruck brachte.

Tatsächlich ertappt man sich schnell dabei, in einer Tour zu schwärmen. Doch es hat ja auch lange gedauert, bis einer der kreativsten Köpfe der deutschen Nachkriegsmoderne anerkannt und gewürdigt wurde. Inzwischen überschlagen sich alle, in Johann Betz’ Dokumentarfilm, der am Donnerstag in die Kinos kommt, sind es viel, die den Baldachin hoch halten. Dabei musste Ruf just im eigenen Land und besonders in seiner Heimat München einiges einstecken.

Nur der alten Renaissance-Turm war im Krieg stehen geblieben. Drumherum baute Sep Ruf ab 1953 die Neue Maxburg.
Nur der alten Renaissance-Turm war im Krieg stehen geblieben. Drumherum baute Sep Ruf ab 1953 die Neue Maxburg.
© Rüdiger Wölk/imago
Nur der alten Renaissance-Turm war im Krieg stehen geblieben. Drumherum baute Sep Ruf ab 1953 die Neue Maxburg.

von Rüdiger Wölk/imago

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„Murxburg“ schimpften die Münchner

Die Neue Maxburg, ein fabelhafter Komplex aus Verwaltungs- und Geschäftsbau, den er mit Theo Pabst an der Stelle der im Krieg zerstörten Renaissance-Veste der Wittelsbacher geplant hatte, kam anfangs gar nicht an. Den Münchnern war die „Murxburg“ zu hart und zu amerikanisch und nicht schnörkelig genug. Dass Ruf sich in seiner für ihn typischen Umsicht am stehen gebliebenen Turm aus dem 16. Jahrhundert orientiert hatte, schien kaum jemanden zu beeindrucken. Dabei muss man ein so stimmiges Verbinden und Integrieren von Historischem in ein neues Gefüge erst einmal hinbekommen.

Die Maxburg beherbergt das Landgericht München - und schon das Treppenhaus ist ein echter Höhepunkt.
Die Maxburg beherbergt das Landgericht München – und schon das Treppenhaus ist ein echter Höhepunkt.
© STL/imago
Die Maxburg beherbergt das Landgericht München – und schon das Treppenhaus ist ein echter Höhepunkt.

von STL/imago

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Ruf hat die „ortlose“ Moderne immer im Lokalen verankert

Sep Ruf hat sich im Gegensatz zur gerne als „ortlos“ bezeichneten Moderne immer mit den Lokalitäten auseinandergesetzt, sie respektiert, sich ein Stück weit auch von ihnen anregen lassen. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit war für ihn die Voraussetzung, um Beständiges für die Zukunft zu schaffen. Deshalb haben der Wiederaufbau und die Überformung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg so sehr überzeugt. Schade nur, dass die späteren Architekten mit Rufs Ideen nicht so behutsam verfahren sind.

Das gilt auch für Kurt Georg Kiesinger, dem am Bonner Kanzlerbungalow alles zu klein und zu niedrig und zu eng geraten war und der vor allem das Behagliche vermisste. Also ließ der Kanzler der ersten Großen Koalition das Gebäude mit Stilmöbeln zustellen. Helmut Kohl hatte später dann auch nichts Besseres zu tun, als Rufs indirektes Beleuchtungskonzept durch einen peinlichen Sternenhimmel zu ersetzen.

Man schüttelt den Kopf, denn Ludwig Erhard hatte Ruf bewusst mit diesem Vorzeigebau beauftragt. Luftig, leicht und transparent sollte er sein, demokratisch, wenn man so will. Der Politiker und der Architekt kannten und schätzten sich schon lange, der Aufbau Bayerns fiel in Erhards früheres Ressort als Wirtschaftsminister, und bereits Mitte der 1950er Jahre hatte Ruf dessen Domizil in Gmund am Tegernsee geplant. Ganz im Einklang mit der Natur.

Beim Warten aufs Eis könnte man Rufs Wohnbau studieren

Für den Ruf war das ein entscheidender Aspekt, durch die raumhohen Fenster wähnte man sich ohnehin fast wie im Garten. Das charakterisiert auch den Kanzlerbungalow, und Platz gab es drumherum in Fülle, hier sollte genauso die Kunst am Bau – etwa von Fritz Koenig – im grünen Umfeld zur Geltung kommen.

Doch selbst in der reichlich pflasterten Maxvorstadt fand Ruf für sein Wohnhochhaus an der Theresien-, Ecke Türkenstraße eine Lösung: Das Gebäude ist um einige Meter zurückversetzt, um zwischen Asphalt und Eingang wenigstens ein kleines Areal für Bäume und Blumenbeete herauszuschlagen.

Ein Wurf mich Leichtigkeit und Eleganz: Sep Ruf und Egon Eiermann konzipierten den deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958.
Ein Wurf mich Leichtigkeit und Eleganz: Sep Ruf und Egon Eiermann konzipierten den deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958.
© Alpenrepublik, 2025
Ein Wurf mich Leichtigkeit und Eleganz: Sep Ruf und Egon Eiermann konzipierten den deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958.

von Alpenrepublik, 2025

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Immer weiß gekleidet, aber bescheiden im Auftreten

Wer in der schier endlosen Schlange vor Münchens Supereisdiele Ballabeni wartet, könnte sich die Zeit mit dem Studieren der famosen Architektur vertreiben. Damit hatte man sich sowieso lange zu begnügen, Denn der stets weiß gekleidete, doch bescheiden auftretende Münchner rührte weit weniger die Werbetrommel als sein Berliner Kollege Egon Eiermann, mit dem er den schwebenden deutschen Pavillon zur Weltausstellung 1958 in Brüssel entworfen hat.

Johann Betz lässt im Film Weggefährten zu Wort kommen, Fachleute und Bewohner, Pfarrer und Sekretärinnen, die eh am meisten erzählen können. Man versteht schließlich auch, wie dieser integre Mann selbst in der Nazizeit weiterarbeiten konnte, ohne sich zu sehr zu verbiegen. Ruf baute zwar das vorgeschriebene Satteldach, zog es allerdings spitz nach oben und ließ keinen wirklichen Trauf überstehen. Bereits dieser Kniff vermittelt eine gewisse Modernität, ganz zu schweigen von dem, was man nicht sofort sieht.

Sep Ruf, Architekt der Moderne“ (96 Min., Deutschland 2024), ab 10. Juli 2025 in den Münchner Kinos ABC, City, Maxim, Monopol, Studio Isabella, Theatiner.
Premiere am 8. Juli 2025, 19.30 Uhr, mit Regisseur Johann Betz in den City Kinos, Sonnenstraße 12 a