Antisemitismus in Trumps MAGA-Bewegung | FAZ

Am Ende musste er sich entschuldigen: Kevin Roberts, Chef der rechten Lobbyorganisation „Heritage Foundation“, will den Neonazi Nick Fuentes gar nicht so genau gekannt haben. Zuvor hatte Roberts den Podcaster Tucker Carlson gegen Kritik aus dem eigenen Lager in Schutz genommen. Der hatte Fuentes in seine Show eingeladen. Dort hatte der Influencer dann antisemitische Phantasmen und Beschimpfungen verbreitet: Juden kontrollierten die Gesellschaft, christlicher Zionismus sei ein „Hirnvirus“ und so fort. Roberts’ Parteinahme für Carlson ging nach hinten los: Mehrere Mitarbeiter einer Antisemitismus-Taskforce bei „Heritage“ nahmen ihren Hut, Roberts wurde tagelang kritisiert, auch von Republikanern wie dem texanischen Senator Ted Cruz, der Tucker Carlson einen Feigling im Angesicht des Bösen nannte.

Das Magazin „National Review“ erklärte den Vorfall zu einem Scheidepunkt für Republikaner, die sich nun zum Thema Antisemitismus verhalten müssten. Medien wie CNN nannten die Auseinandersetzung einen „Bürgerkrieg“ innerhalb der Rechten. Roberts, mit der „Heritage Foundation“ Initiator des „Projekts 2025“, beteuerte schließlich, er lehne jeglichen Antisemitismus ab. Rücktrittsforderungen wies er aber zurück.

Neonazi und Kirk-Feind

Fuentes erhielt zuletzt viel mediale Aufmerksamkeit, weil er eine lange Feindschaft mit dem ermordeten rechten Aktivisten Charlie Kirk gepflegt hatte. Seine „Groyper“ genannten Anhänger hatten jahrelang Veranstaltungen von Kirks „Turning Point USA“ gestört, weil ihnen der Trump-Freund nicht rechts genug gewesen war. Kirk selbst hatte sich öfter rassistisch geäußert, beteuerte aber stets, dass er Antisemitismus ablehne. Ganz anders Fuentes: Er verbreitet seit Jahren Judenhass, leugnet den Holocaust, äußert Sympathie für Hitler. Fuentes behauptet auch regelmäßig, eine „organisierte Judenheit“ dominiere die amerikanische Gesellschaft und Politik. Seine Videomonologe erreichen Hunderttausende Menschen.

Alt-Right-Influencer Nick Fuentes (Mitte): Seine Anhänger nennt er Groyper oder Groyper Army.
Alt-Right-Influencer Nick Fuentes (Mitte): Seine Anhänger nennt er Groyper oder Groyper Army.Picture Alliance

Carlson allerdings hat eine weit größere Reichweite. Der ehemalige Fox-Moderator, der jahrelang als Trump-Vertrauter galt, lieh dem Neonazi Fuentes nun also seine Plattform. Carlson sendet zwar inzwischen aus seiner Scheune in Maine. Doch er soll nach wie vor Verbindungen ins Weiße Haus haben und genießt hohes Ansehen im rechten Lager. Deswegen meinte Roberts wohl auch, ihn nach Fuentes’ Auftritt verteidigen zu müssen. Carlson selbst hatte sich mit der üblichen Phrase gerechtfertigt, man müsse „alle Stimmen“ hören. Im Gespräch mit dem Influencer hatte er zwar gelegentlich widersprochen, sonst aber einen freundlichen Plauderton beibehalten.

„Christ is King“

Die Auseinandersetzung um Judenhass im „MAGA“-Lager schwelt schon länger. In den Monaten vor dem Mord an Charlie Kirk hatten sich einige Male Diskussionen um Israels Krieg in Gaza und Antisemitismus hochgeschaukelt. Dabei war die Phrase „Christ is King“ zur Chiffre derjenigen geworden, die Juden implizit oder explizit für alles verantwortlich machen, was sie ablehnen.

Gleichzeitig nutzen rechte Influencer wie Candace Owens den Satz, um sich von ihren Rivalen abzugrenzen. Owens beharkte sich zum Beispiel mit „The Daily Wire“-Gründer Ben Shapiro, einem bekannten rechten Kommentator, der Jude ist und im Gegensatz zur Afroamerikanerin Owens Israels Vorgehen in Gaza unterstützte. Die Verschwörungspropagandistin Owens verbreitet auch regelmäßig Phantasien über jüdische globale Macht und wollte zuletzt den israelischen Geheimdienst mit dem Mord an Charlie Kirk in Verbindung bringen.

Innerhalb der heterogenen „MAGA“-Bewegung gibt es viele, die sich von Owens, von Neonazis wie Fuentes und den „Groypern“ abgrenzen. Christliche Nationalisten oder Tech-Autoritäre, die zu Trumps Lager gehören, wollen so auch für Konservative bündnisfähig bleiben. Trotzdem sind auch weiße Nationalisten ein wichtiger Teil der „MAGA“-Bewegung. Gerade erst gab es einen Skandal um Neonazi-Chats bei den Jungen Republikanern. Auch Donald Trump gibt sich Rechtsextremen gegenüber immer wieder offen – 2022 empfing er Fuentes gemeinsam mit dem nach rechts abgedrifteten Rapper Kanye West zu einem Essen in Mar-a-Lago.

Zu Antisemitismus und Hitler-Huldigungen wollen viele Republikaner aber offiziell eine Grenze ziehen. Nicht zuletzt, weil ihnen das Bündnis mit Israel politisch wichtig ist. Die Evangelikalen und andere rechte Christen sind Umfragen zufolge weit loyalere Unterstützer rechter israelischer Regierungen als etwa amerikanische Juden. Gegenüber Antisemitismus grenzen sie sich weniger aus Sorge um die Sicherheit von Juden, sondern aufgrund der Überlegung ab, dass Juden und nicht Muslime das „Heilige Land“ besitzen sollten, bis der Messias komme.

Antisemitismus gehört zu „MAGA“

Im „MAGA“-Lager kommt es dennoch immer wieder zu antisemitischen Äußerungen und „dog whistles“, codierten Phrasen also, durch die die Abgrenzung von Figuren wie Fuentes taktisch wirkt. Die Verleumdung liberaler Milliardäre wie George Soros, die angeblich eine organisierte Antifa finanzieren, betreiben Rechte von Carlson bis Trump. Trump bezeichnete Juden auch schon als „Shylocks“ (nach der gierigen Figur in Shakespears „Kaufmann von Venedig“), beteuerte, dass er ihnen gern sein Geld anvertraue, und beschimpfte jüdische Amerikaner als „illoyal gegenüber Israel“, wenn sie Demokraten wählten.

Der Begriff „Globalisten“ für Gegner fällt häufig und ist nach Meinung von Fachleuten eine antisemitische Chiffre. Elon Musk stimmte beispielsweise einem Post bei X zu, in dem es hieß, Juden stünden hinter angeblichem Rassismus gegen Weiße und einer Verschwörung, diese zu „ersetzen“. Diese „Great Replacement Theorie“ verbreitete auch Kirk. Zur Strategie rechter Bewegungen gehört es, sich rhetorisch von Extremen wie Fuentes abzugrenzen, während man von der Verschiebung des Sagbaren, die diese Akteure vorantreiben, profitiert.

Die konservative Kritik an Fuentes machte sich in den vergangenen Tagen ausschließlich an seinem Judenhass fest. Der antischwarze Rassismus des Influencers oder auch sein Frauenhass wurden nicht weiter thematisiert. Fuentes verbreitet regelmäßig Hass auf alle, die nicht weiß sind, benutzt das N-Wort und sagt etwa, er wolle nicht in der Nähe von Schwarzen leben, damit seine Kinder nicht eines Tages einen von ihnen mit nach Hause brächten und heirateten.

Frauen sind für Fuentes minderwertig, Feminismus hält er für „degeneriert“, und nach Trumps zweitem Wahlsieg verbreitete er die Parole „Your body, my choice“. Diese Geisteshaltung wird von vielen Konservativen nicht beanstandet, im Gegenteil: Rassismus und Antifeminismus gehören zum Kitt, der die verschiedenen Fraktionen des MAGA-Lagers zusammenhält. Antisemitismus gilt dagegen als nicht salonfähig – zumindest dann nicht, wenn man ihn so unverhüllt äußert wie Fuentes.