
Die neue Antigravity-A1-Drohne nimmt Videos in einer kompletten 360-Grad-Rundumsicht auf. Damit sind spektakuläre Videos für Anfänger möglich, die über keine großen Flugkünste verfügen. Der Test zeigt, welche ungewöhnlichen Wege der Hersteller geht.
Professionelle Drohnenvideos beeindrucken regelmäßig – sei es in den sozialen Medien, im Fernsehen oder bei Kino-Vorführungen. Das liegt vor allem an den halsbrecherischen Flugmanövern von erfahrenen Piloten, die auf diese Weise atemberaubende Perspektiven einfangen. Nun bringt ein neuer Ansatz die Branche in Bewegung: Die Antigravity A1 filmt in alle Richtungen gleichzeitig und lässt sich spielend leicht mit einer Hand steuern. WELT hat sie getestet.
Sogar Anfänger können damit spektakuläre Aufnahmen machen. Das Tochterunternehmen des Actioncam-Herstellers Insta360 sorgt damit für frischen Wind am Markt. Konkurrent DJI soll an einem ähnlichen Modell arbeiten. Im Test überzeugt die A1 durch ihr Konzept, eine einfache Steuerung und den großen Spaßfaktor.
Das Besondere an der Antigravity A1: Sie filmt mit zwei Kameras in alle Richtungen gleichzeitig – eine komplette 360-Grad-Rundumsicht. Diese Technologie nutzt Insta360 bereits seit Jahren erfolgreich in seinen Action-Kameras. An der Drohne zeigt eine Kamera nach oben, die andere nach unten. Eine Software entfernt die Drohne samt Propellern automatisch aus dem Bild, sie wird praktisch unsichtbar.
Der Pilot trägt dabei eine Brille mit zwei hochauflösenden Displays. Was er sieht, kommt der Perspektive eines Vogels so nah wie kaum etwas anderes. Er kann in alle Richtungen schauen, als stünde er in einem vollständigen Kugelpanorama. Alternativ zeigt die Brille nur den Blick in Flugrichtung, wie man es von FPV-Drohnen („First Person View“-Drohnen) kennt.
Auch die Steuerung ist ungewöhnlich einfach. Statt eines Controllers mit zwei Steuerknüppeln gibt es einen Motion Controller, der wie ein Joystick aussieht. Man steuert die Drohne mit einer Hand durch Neigen und Drehen – fast so, als würde man sie dirigieren. Neigt man ihn nach unten, sinkt die Drohne. Die Geschwindigkeit regelt man mit dem Abzugsfinger. Lässt man den Abzug los, bleibt die Drohne in der Luft stehen.
Die Blickrichtung ist dabei völlig unabhängig von der Flugbahn. Das Fliegen wird dadurch deutlich intuitiver. Im WELT-Test konnten selbst Personen ohne Drohnenerfahrung die A1 innerhalb kürzester Zeit zuverlässig steuern.
Alle Video-Formate sind möglich
Die A1 bietet viele Funktionen, die man von anderen Drohnen kennt: Bei Funkverbindungsverlust oder schwachem Akku findet sie automatisch zum Startpunkt zurück und landet. Hindernisse in der Flugbahn erkennt sie rechtzeitig und bremst ab. Auch automatische Manöver wie das Folgen oder Umkreisen von Objekten beherrscht sie.
Man muss keine spektakulären Flugmanöver fliegen, um spektakuläre Videos zu bekommen. Die Drohne nimmt alles in 360 Grad und 8K-Auflösung auf. Daraus lassen sich später Videos in verschiedenen Formaten erstellen – hochkant für Social Media oder im 16:9-Format für TV und Computer. Das Ergebnis hat dann immer noch 4K-Auflösung.
Die Bildqualität ist zwar etwas schlechter als bei herkömmlichen 4K-Drohnen, weil das Bild aus einem extremen Weitwinkel erstellt wird. Außerdem nimmt die A1 die Videos nur mit 30 Bildern pro Sekunde auf, während andere Drohnen die doppelte Bilderzahl filmen. Für Social Media oder gute Urlaubsvideos reicht die Qualität aber völlig aus.
Der große Vorteil: Nach einem einzigen Über- oder Vorbeiflug hat man Material aus unzähligen Blickwinkeln, das man beliebig zusammenschneiden kann. Das funktioniert sowohl am Computer als auch am Smartphone. Man kann sogar in der Nachbearbeitung ein Objekt markieren, das dann im fertigen Video immer im Zentrum bleibt. So gelingen auch Schwenks, die mit normalen Drohnen kaum oder gar nicht möglich sind. Etwa, wenn die Drohne unter einer Brücke hindurchfliegt und dabei nach oben filmt. Mit der A1 ist es praktisch unmöglich, ein Objekt aus dem Blick zu verlieren.
Wer keine Zeit für aufwendige Nachbearbeitung hat, dem hilft die Smartphone-App: Eine KI wählt automatisch die besten Perspektiven aus und schneidet das Video zusammen. Im Test funktionierte das sehr gut. Zusätzlich gibt es zahlreiche Vorlagen mit dynamischen Übergängen.
Nach Jahren gradueller Verbesserungen bei Drohnen-Kameras bietet die Antigravity A1 ein völlig neues Flugerlebnis. Wer bisher normale Drohnen geflogen ist, muss allerdings etwas umdenken: Die A1 kann beispielsweise weder rückwärts noch seitlich fliegen. Aber das muss sie auch nicht, weil sich diese Perspektiven ja aus dem Kugelpanorama extrahieren lassen.
Das Setup ist allerdings etwas aufwendiger. Man braucht die Drohne, einen Motion Controller und die Brille. Alle Geräte haben eigene Akkus, die stets geladen sein müssen. Die Brille wiegt angenehme 340 Gramm und lässt sich über zwei Drehregler an die eigene Sehstärke anpassen. Etwas verspielt wirkt das kleine Außendisplay vor dem linken Auge, das Begleitern zeigt, was der Pilot gerade sieht.
Drohne, Controller und Brille gibt es nur im Paket. Je nach Bundle kann man zwischen zwei unterschiedlichen Akkus wählen, die laut Hersteller 23 oder 36 Minuten durchhalten. Bei etwa null Grad Außentemperatur hat die A1 im Test mit dem stärkeren Akku nach 26 Minuten ihren automatischen Rückflug angetreten und landete nach knapp 30 Minuten wieder am Startpunkt.
Mit dem Standard-Akku wiegt die Drohne 249 Gramm und kann somit ohne Drohnenführerschein geflogen werden, der eigentlich eher ein Kompetenznachweis ist, und den man nach einem Online-Test erhält. Mit dem stärkeren Akku wiegt sie gut 290 Gramm und darf nur mit Kompetenznachweis geflogen werden. Eine Versicherung und Betreiberregistrierung ist nach wie vor Pflicht.
Das Standard-Paket der Antigravity A1 kostet 1399 Euro, die Version mit drei stärkeren Akkus und mehr Zubehör 1699 Euro.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit „Business Insider Deutschland“.
Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.
