Antibiotika und Schwangerschaft: Risiken für Ungeborene – Gesundheit

Antibiotika sind ohne jeden Zweifel ein Segen für die Menschheit. Seit ihrer Entdeckung dürften sie Hunderte Millionen Leben gerettet haben. Aber in den vergangenen Jahren wurde auch immer wieder deutlich, dass man die bakterientötenden Medikamente mit Bedacht einsetzen sollte. Nicht nur, weil man sonst Resistenzen züchtet und damit die Wirksamkeit der lebenswichtigen Medikamente in Gefahr bringt. Sondern auch, weil die Einnahme von Antibiotika zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann. Dass dies gerade in der Schwangerschaft zum Problem werden kann, darauf hat das Arzneimittelverzeichnis „Gelbe Liste“ nun hingewiesen. Hintergrund ist eine große Analyse, welche die Datenlage zum Thema besonders umfassend unter die Lupe genommen hat.

Für die Analyse hat ein Team um Petra Zimmermann von der Universität im schweizerischen Fribourg 158 Studien ausgewertet, in die Daten von insgesamt fast 22 Millionen Kindern eingeflossen sind. Demnach sind bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft Antibiotika einnahmen, im späteren Leben zahlreiche Krankheitsrisiken erhöht. So war die Quote der Fälle von Asthma und Adipositas bei ihnen etwa um 40 Prozent höher als bei Kindern, die im Mutterleib nicht den bakterientötenden Medikamenten ausgesetzt waren. Bei Nahrungsmittelallergien und Neurodermitis, eine entzündliche Hautkrankheit, lag die Steigerung bei rund 30 Prozent. Selbst Krebs kam etwas öfter vor. Obwohl nicht alle der 158 ausgewerteten Studien eine hohe Qualität hatten, zeigte sich bei diesen Risiken doch konsistent durch alle Studien ein Zusammenhang.

Hintergrund könnte sein, dass Antibiotika nicht nur krank machende Keime abtöten, sondern auch die gesundheitsfördernden Bakterien in Mitleidenschaft ziehen, die natürlicherweise in und auf dem menschlichen Körper leben – vor allem im Darm und auf der Haut. Diese Mikroben sind essenziell für ein gesundes Immunsystem und eine funktionierende Schutzbarriere von Darm und Haut. Insofern überrascht es nicht, dass die Krankheiten, die nach Antibiotikagabe in der Schwangerschaft öfter vorkommen, allesamt mit dem Immunsystem zusammenhängen.

Die Erkenntnisse sollen nicht dazu führen, dass Schwangeren nötige Medikamente verweigert werden

Auch wenn damit kein kausaler Zusammenhang bewiesen sei, sollten Antibiotika in der Schwangerschaft nur mit Vorsicht eingesetzt werden, betonen die Autorinnen und Autoren. Aber selbstverständlich dürften die Erkenntnisse auch nicht dazu führen, dass Schwangere hilfreiche Antibiotika nicht bekommen, wenn sie sie brauchen.

Das Dilemma kennt Teresa Starrach nur allzu gut. Die Standortleiterin des Perinatalzentrums am Klinikum Großhadern der Universität München ist seit 15 Jahren in der Geburtshilfe tätig. „Uns ist seit Längerem bekannt, dass Antibiotika negative Auswirkungen auf das Kind haben können“, sagt Starrach am Telefon. Antibiotika verschreibt sie dennoch regelmäßig – immer dann, wenn der erwartete Nutzen die Risiken übersteigt. Während sie am Telefon über das Für und Wider spricht, kommt eine Mitarbeiterin herein, die ein Antibiotikum für eine Patientin abholt. Die Schwangere hat schon zweimal aufgrund von Infektionen, die in Richtung ihrer Gebärmutter aufstiegen, ein Kind verloren. Nun wurden Keime in der Scheide gefunden. In diesem besonderen Fall reicht das für eine Behandlung, schließlich steht das Leben des Ungeborenen auf dem Spiel.

Insgesamt seien Ärztinnen und Ärzte heutzutage aber sehr viel zurückhaltender mit der Verschreibung von Antibiotika als noch vor einigen Jahren, sagt Teresa Starrach. So dürften manche Antibiotika während der Schwangerschaft gar nicht gegeben werden, weil sie direkt fruchtschädigend sind. Penicilline und Cephalosporine hingegen seien akut unproblematisch, könnten aber – womöglich über die Beeinflussung des Mikrobioms – langfristig doch negative Auswirkungen haben. „Es ist auf jeden Fall wichtig, dass Antibiotika in der Geburtshilfe vorsichtig eingesetzt werden und sorgfältig überlegt wird, welche Frau sie wirklich braucht“, betont Starrach. Wenn sie aber gebraucht werden, müsse man sie auch geben. Das sei am häufigsten bei Harnwegsinfekten und zur Verhinderung von Frühgeburten etwa bei frühem vorzeitigem Blasensprung der Fall.

Deshalb haben sich in den vergangenen Jahren auch die ärztlichen Leitlinien diesbezüglich geändert. So bekamen früher alle Frauen, die mit vorzeitiger Wehentätigkeit in die Klinik kamen, Antibiotika. Auch wurde der Urin von Schwangeren routinemäßig auf Bakterien untersucht; und wenn welche gefunden wurden, wurden Antibiotika verordnet. Beides macht man heute nicht mehr. „Studien haben gezeigt, dass die Zahl der Frühgeburten nicht sinkt, wenn man so umfassend Infektionen bekämpft“, sagt Starrach. Zugleich wuchs durch immer mehr Studien wie jene, die nun in der großen Analyse zusammengefasst wurden, das Bewusstsein für Risiken.

Heute werden Antibiotika nur dann verabreicht, wenn – wie bei der aktuellen Patientin in Großhadern – ein stark erhöhtes Frühgeburtsrisiko vorliegt. Oder wenn eine Schwangere eine symptomatische Harnwegsinfektion hat – also nicht nur Bakterien im Urin, sondern auch spürbare Beschwerden wie Brennen, Schmerzen und sehr häufiges Wasserlassen. Ein solcher Harnwegsinfekt sollte mit einem Antibiotikum behandelt werden, betont Starrach. Denn er bedeutet ein Risiko für eine Frühgeburt. „Blase und Gebärmutterhals liegen nahe beieinander, da gehen die Keime schnell über.“ Und die Gesundheitsrisiken durch eine Frühgeburt sind in jedem Fall größer als die durch eine Antibiotikabehandlung, auch wenn sie noch so früh im Leben stattfindet.