
Es ist eine bittere Wendung, mit der Präsident Joe Biden noch am Neujahrsabend die ersten Erkenntnisse über den Amokfahrer von New Orleans zusammenfasste: Der Mann sei von der Terrorgruppe IS „inspiriert“ gewesen. Daran hatte der Täter keinen Zweifel gelassen. Er postete offenbar unmittelbar vor der Tat einschlägige Bekenntnisse im Internet, und er montierte die Flagge des „Islamischen Staats“ auf den Wagen, mit dem er in der Silvesternacht durch die Feiernden raste.
Wie in Magdeburg
Weniger klar schien dagegen zunächst, ob hier ein zum Islam konvertierter Amerikaner ein gefestigt dschihadistisches Weltbild entwickelt hatte und deshalb westlichen Hedonismus attackierte, für den die Bourbon Street (auch) steht – oder ob ein nach zwei Scheidungen und geschäftlichen Misserfolgen verbitterter Mann einen Hass und einen Wahn entwickelt hatte, den er gleichsam im Kostüm des IS-Terroristen auslebte. So, wie in Magdeburg ein als Islamgegner bekannter Arzt die Bluttaten früherer Dschihadisten imitierte.
Jedenfalls mangelt es nach Jahren der terroristischen Verrohung nicht an „Inspiration“ für Massenmörder und Psychopathen, gegen die kein Kraut und noch immer nicht genug Poller gewachsen sind.
Keine Lust auf kühlen Kopf
In der schier endlosen amerikanischen Reihe schlimmer Gewalttaten mit teils vielen Toten wirkt der seit etlichen Jahren erste Massenmord unter der Flagge des IS wie ein weiterer Sprung acht Jahre zurück: Die Islamisten-Angriffe von San Bernardino und Orlando hatten 2015 und 2016 mit den Boden bereitet für den Wahlsieg Donald Trumps, der in knapp drei Wochen ins Weiße Haus zurückzieht.
Auch dort wird der Republikaner mit Reaktionen und Deutungen wohl nicht warten, bis sich der Nebel gelichtet hat; vorschnell hat Trump auch den Terror eines gebürtigen Texaners mit der angeblichen Kriminalität von Einwanderern in Verbindung gebracht.
Auch das ist eine Spielart der Verrohung – aber eine populäre. Viele Menschen wollen nach Katastrophen nicht mehr gesagt bekommen, dass sie einen kühlen Kopf bewahren sollen.