Zahlreiche Bürger kommen zur Gedenkfeier im Magdeburger Dom. „Gibt es noch einen sicheren Ort?“, ruft ein Bischof bei seiner Predigt. Der mutmaßliche Täter Taleb al-Abdulmohsen sitzt derweil in Untersuchungshaft, vorgeworfen wird ihm unter anderem fünffacher Mord. Alle Entwicklungen im Liveticker.
Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg erschüttert Deutschland. Mindestens fünf Menschen wurden getötet, unter den Todesopfern ist auch ein neunjähriges Kind. 200 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Ein Autofahrer war direkt in die Menschenmenge gerast. Der aus Saudi-Arabien stammende Fahrer, ein 50-jähriger Arzt namens Taleb al-Abdulmohsen, wurde festgenommen.
Alle Entwicklungen im Liveticker:
10:36 Uhr – Faeser kündigt Ermittlungen zu Hinweisen auf Magdeburg-Attentäter an
Bundesinnenministerien Nancy Faeser (SPD) hat nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg zusätzliche Ermittlungen angekündigt, um herauszufinden, welche Behörden zuvor Hinweise auf den Täter hatten.
„Das Bundeskriminalamt unterstützt die Ermittlungen der Behörden in Sachsen-Anhalt“, sagte Faeser der „Bild am Sonntag“. „Die Ermittlungsbehörden werden alle Hintergründe aufklären. Dabei wird auch genau untersucht, welche Hinweise es in der Vergangenheit bereits gab und wie diesen nachgegangen wurde.“
09:45 Uhr – Migrantennetzwerk warnt nach Anschlag vor Hetze
Das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt ist empört über die Instrumentalisierung des Anschlages auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. „Magdeburg darf nicht zum Spielfeld rechter Hetze werden“, teilte das Netzwerk mit. Mitarbeiter und Mitglieder des Verbandes hätten mehrere Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen bestätigt.
Beim Gedenken in der Magdeburger Innenstadt tauchten am Samstagabend auch rechte Parolen auf. Mehr als 2000 Teilnehmer versammelten sich nach Angaben der Polizei auf einem zentralen Platz, vereinzelt kam es zu kleineren Störungen mit körperlichen Auseinandersetzungen. Mehrere Strafverfahren wurden eingeleitet.
09:31 Uhr – Katholische Bischöfe rufen nach Anschlag in Magdeburg zum Gebet auf
Der katholische Bischof des Bistums Osnabrück, Dominicus Meier, hat nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt zum Gebet „um den Frieden in den Herzen der Menschen und in der Welt“ aufgerufen. „In wenigen Minuten wurde die Freude feiernder Menschen in Trauer verwandelt. Eine furchtbare Gewalttat und verabscheuungswürdig“, sagte er am Sonnabend. Sein Mitgefühl gelte den Angehörigen der Toten. Den Verletzten wünsche er eine baldige Genesung und für die nächsten Tage Menschen, die ihnen helfend zur Seite stehen.
Auch der Bischof des Bistums Hildesheim, Heiner Wilmer, sprach von einer „furchtbaren Gewalttat“ und drückte den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Der Anschlag auf friedliche Menschen so kurz vor Heiligabend sei „ein Angriff auf unsere freie Gesellschaft, der durch nichts zu rechtfertigen ist“.
05:13 Uhr – Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Attentäter erlassen
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in der Stadt Haftbefehl für den Tatverdächtigen wegen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes beantragt.
Der 50-Jährige sei am Samstagabend dem Haftrichter vorgeführt worden, teilte die Polizei am Sonntagmorgen mit. Der Haftrichter am Amtsgericht Magdeburg habe Untersuchungshaft wegen fünffachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung angeordnet.
Der mutmaßliche Täter sei in eine Justizvollzugsanstalt gebracht worden. Der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens hatte am Samstag von einem Anschlag gesprochen. „Ob es ein Terroranschlag war, wissen wir noch nicht“, sagte er.
00:55 Uhr – BKA-Chef bestätigt „unspezifische“ Warnung aus Saudi-Arabien
Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, hat sich im ZDF geäußert. Münch sagte, das BKA habe im November 2023 einen Hinweis aus Saudi-Arabien zu dem Mann bekommen. „Hier ist auch ein Verfahren eingeleitet worden. Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat dann auch entsprechende Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen.“ Die Sache sei aber unspezifisch gewesen.
„Er hat auch verschiedene Behördenkontakte gehabt, Beleidigungen, auch mal Drohungen ausgesprochen. Er war aber nicht bekannt, was Gewalthandlungen angeht“, sagte Münch zu dem Verdächtigen. Diese Dinge müssten aber noch mal überprüft werden, um zu schauen, ob den Sicherheitsbehörden etwas durchgegangen sei. „Wir haben hier ein völlig untypisches Muster, und wir müssen das auch in Ruhe jetzt auch analysieren.“
00:10 Uhr – Opferbeauftragter befürchtet Hunderte Betroffene
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober, rechnet nach der Todesfahrt mit mehreren Hundert hilfsbedürftigen Betroffenen. „Das ist einer der größten Anschläge, die wir bisher zu verzeichnen hatten“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete dem RND. „Wenn man Tatzeugen und Ersthelfer mitrechnet, potenziert sich das auf eine hohe dreistellige Zahl betroffener Menschen.“
Das Erleben könne mit großen psychischen Belastungen einhergehen, sagte Kober. „Betroffene sollten nicht denken, dass sie damit allein klarkommen. Je früher Hilfe greift, desto geringer ist die Gefahr, dass Schäden chronisch werden.“ Die Betroffenen müssten über die Möglichkeiten der finanziellen und psychosozialen Hilfen informiert werden. „Wichtig ist, dass kein Anliegen unbeachtet bleibt.“
Samstag, 21. Dezember:
21:55 Uhr – Rechtsextreme und Hooligans in der Innenstadt
In das Gedenken in der Magdeburger Innenstadt mischen sich am Samstagabend aber auch rechtsextreme Parolen. Etwa 1000 Teilnehmer versammelten nach einer ersten Schätzung der Polizei auf einem zentralen Platz der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Zu sehen waren dort unter anderem ein Transparent mit dem Wort „Remigration“ sowie sogenannte Heimat-Fahnen. Rufe wie „Wir sind das Volk“ waren zu hören. Ein „Bild“-Reporter berichtet von aggressiven Rechtsextremen und Hooligans. Rechtsextremist Thorsten Heise – Politiker der Partei „Heimat“, früher NPD – hielt demnach eine Rede.
20:49 Uhr – Tausende Bürger bei Trauerfeier – „Gibt es noch einen sicheren Ort?“, ruft der Bischof
Tausende Magdeburger gedenken der Opfer beim Trauer- und Gedenkgottesdienst im Dom sowie auf dem Domplatz gedacht. Um 19.04 Uhr, exakt 24 Stunden nach der Tat, läuteten alle Kirchenglocken der Stadt.
In seiner Predigt rief der mitteldeutsche evangelische Landesbischof Friedrich Kramer zum Zusammenhalt auf. „Gibt es noch einen sicheren Ort?“, fragte Kramer. Gewalttäter setzten sich auf den Thron der Aufmerksamkeit. „Alles soll sich nach ihnen richten, und was nicht dem entspricht, soll sterben“, sagte Kramer. Er forderte, diesen Gewalttätern keinen Raum zu geben, sondern als Gesellschaft in Solidarität zusammenzustehen.
„Traurig und wütend, ratlos und ängstlich, unsicher und verzweifelt, sprach- und fassungslos und tief betroffen lässt uns der brutale Anschlag vom gestrigen Abend zurück. Mit Gefühlen, die sich nicht greifen lassen, sind wir heute Abend hier im Dom“, sagte der katholische Bischof Gerhard Feige.
19:25 Uhr – Gedenkstunde im Magdeburger Dom
Betroffene und Angehörige, Einsatzkräfte, Bürger sowie Politiker gedenken im Magdeburger Dom der Opfer. Anwesend sind unter anderem Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff, Bundeskanzler Scholz, Bundespräsident Steinmeier und Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos).
18:26 Uhr – Polizei versuchte vor einem Jahr eine Gefährderansprache
Es sei versucht worden, bei dem Täter vor einem eine Gefährderansprache wegen einer Anzeige durchzuführen, hatte die Polizei bei der Pressekonferenz mitgeteilt. Dazu kam es aber offenbar nicht. Laut Staatsanwaltschaft befand sich al-Abdulmohsen „nicht im Fokus“ der Ermittler.
18:14 Uhr – Musk kritisiert „selbstmörderische Empathie der deutschen Regierung“
Am Freitag hatte der Tech-Milliardär bereits den Rücktritt von Scholz gefordert. Am Samstag weist Elon Musk nun auf die Auslieferungsgesuche Saudi-Arabiens für den Täter von Magdeburg hin – und kritisiert, dass Deutschland dem nicht nachgegeben habe. „Ja, er war offensichtlich ein Verrückter, der niemals nach Deutschland hätte einreisen dürfen und der ausgeliefert werden sollte, als Saudi-Arabien den Antrag stellte“, schreibt Musk. „Selbstmörderische Empathie seitens der deutschen Regierung.“
18:09 Uhr – Saudis wiesen mehrfach auf Posts des Attentäters hin
Aus deutschen Sicherheitskreisen wurde WELT bestätigt, dass die saudische Botschaft die deutschen Behörden mehrfach auf Taleb al-Abdulmohsen aufmerksam gemacht hat. Laut der Nachrichtenagentur Reuters geschah das in den 2023 und 2024. Die Hinweise hätten sich allerdings nur auf die öffentlichen Posts des Mannes auf dem Kurznachrichtendienst X bezogen.
17:36 Uhr – Wagenknecht: Faeser muss ignorierte Warnungen klären
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht fordert das Bundesinnenministerium auf, zu klären, ob die Tat hätte verhindert werden können. Innenministerin Faeser müsse erneut die Frage beantworten, „warum so viele Hinweise und Warnungen im Vorfeld ignoriert wurden“, teilte Wagenknecht mit. Obwohl der Tatverdächtige unter anderem dem Bundeskriminalamt bekannt gewesen sei und seine „radikalen Positionen und Drohungen gegen Deutschland und seine Bürger“ öffentlich postete, habe er einen unbefristeten Aufenthaltstitel gehabt. Wagenknecht forderte auch mit Blick auf die Anschläge in Solingen und Mannheim „endlich ein überzeugendes Sicherheitskonzept mit klarem Fokus auf den Schutz der Bevölkerung“.
17:22 Uhr – Täter äußert sich – Generalbundesanwalt hat bisher nicht übernommen
Die Ermittlungen werden weiterhin von der Polizei in Sachsen-Anhalt geführt. Die Bundesanwaltschaft prüfe noch, ob sie die Ermittlungen übernehme, hieß es auf der Pressekonferenz. Der Täter sei weiterhin in Polizeigewahrsam. Er habe sich bereits geäußert.
dpa/AFP/Reuters/gub/cuk/sos/krott/krö/ll