Anschlag in Magdeburg: Groteske Szenen nach Bayern-Spiel – Leipzig Spieler ausgepfiffen

Auch das Bundesliga-Topspiel zwischen Bayern und Leipzig wird vom Anschlag in Magdeburg überschattet. Nach dem Spiel kommt es aber erst zu grotesken Szenen, weil Leipzigs Spieler, offensichtlich unwissend, unbeirrt auslaufen. Dann setzt Bayerns Vorsitzender zu einer emotionalen Rede an.

Der Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat auch das Topspiel der Bundesliga zwischen dem FC Bayern und RB Leipzig überschattet. Nach dem 5:1 (4:1) des Rekordmeisters spielten sich in der Münchner Arena emotionale Szenen ab. Dabei schien zuerst niemand der Beteiligten von den dramatischen Ereignissen zu wissen.

Eigentlich hatte der FC Bayern nach dem Spiel eine kleine Weihnachtsfeier mit den Fans im Stadion geplant. Die Münchner Spieler standen deshalb nach dem Abpfiff, mit Weihnachtsmützen bekleidet auf dem Rasen. Einige scherzten und freuten sich offenbar über den Sieg, waren zu diesem Zeitpunkt aber wohl bislang nicht über den Anschlag informiert. Ebenso wie die Leipziger Ersatzspieler, die währenddessen auf dem Rasen ausliefen. Die informierten Zuschauer in der Arena quittierten dies mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Dann wurde es grotesk. Erst sprach Bayerns Stadionsprecher einige einleitende Worte zur Tragödie in Magdeburg. Die Leipziger liefen immer noch weiter, bekamen den Ernst der Lage offensichtlich nicht mit. Dann trat Jan-Christian Dreesen auf dem Rasen an das Mikrofon und setzte an. Weil die Leipziger immer noch auf dem Rasen sprinteten, wurde das Pfeifkonzert immer lauter. „Ich würde die Leipziger bitten, jetzt vielleicht mit dem Auslaufen aufzuhören“, bat Bayerns-Vorstandsvorsitzender Dreesen über die Lautsprecher hörbar irritiert. Dafür gab es Applaus.

Leipzigs Profis ausgebuht

Doch die Leipziger liefen immer noch. Bei DAZN war zu sehen, wie die Spieler unbeeindruckt ihr Programm fortsetzten. Erst nachdem offenbar ein Leipziger Betreuer die RB-Profis auf dem Rasen informiert hatte, hörten diese unter ohrenbetäubenden Pfiffen auf. Bayern Stadionsprecher versuchte die Zuschauer zu beruhigen: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass den Leipzigern noch keine Informationen vorliegen über die jüngsten Ereignisse. Es ist bestimmt keine Absicht.“

Auch die Bayern-Spieler waren mittlerweile über den Anschlag informiert und standen sichtlich bewegt zusammen. Auf den TV-Aufnahmen war zu sehen, wie beispielsweise Thomas Müller bestürzt seine Weihnachtsmütze vom Kopf nahm, ebenso wie der verletzte Manuel Neuer.

Dann setzte Dreesen erneut an. „Dass ich hier stehe, haben wir uns völlig anders vorgestellt. Der Hintergrund ist ein schrecklicher Anschlag. Deswegen haben wir uns auch ganz kurzfristig entschieden, auf unsere Weihnachtszeremonie zu verzichten“, sagte Dreesen. Aus dem mit 75.000 Zuschauern besetzten Stadion gab es für die Entscheidung Applaus. „Diese Zeremonie sollte eine fröhliche sein, das passt einfach nicht in diesen Moment“, sagte Dreesen. Er bat die Zuschauer, sich von ihren Plätzen zu erheben und der Opfer und Angehörigen zu gedenken. „Ein Mensch, der aus dem Leben gerissen wird auf einem fröhlichen Fest, das ist etwas, das uns alle betrübt“, so Dreesen. Dann schwieg das ganze Stadion.

Zum Abschluss sang der Tölzer Knaben-Chor im Mittelkreis des abgedunkelten Stadions das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ und sorgte für Gänsehaut-Momente an diesem traurigen Abend, an dem der Fußball in den Hintergrund rückte. Anschließend brandete aufmunternder Applaus auf den Rängen auf.

DAZN zeigte dann ein Interview mit Joshua Kimmich, dass offensichtlich direkt nach dem Spiel aufgenommen worden war. Der Nationalspieler freute sich darin über den souveränen Sieg gegen Leipzig, richtete im Gespräch den Fokus voll auf das Sportliche und sprach von einem „gelungenen Jahresabschluss“. Die Einblendung des Interviews wirkte im Kontext der Geschehnisse arg unglücklich.

Nach der Gedenk-Minute trat Marco Rose ans DAZN-Mikrofon. Nach einer sportlichen Eingangsfrage antwortete der Leipziger Trainer, der in Leipzig geboren wurde, sichtlich erschüttert: „Boah. Ganz ehrlich Männer, wollen wir heute überhaupt über Fußball reden? Ich habe jetzt Nachrichten, mehr oder weniger aus der Heimat, bekommen. Da stehen die Dinge jetzt in einem anderen Licht. Ja, wir haben Fußball gespielt. Ja, wir haben hoch verloren, ja wir haben verdient verloren. Aber wie zuvor erwähnt, heute sind Sachen passiert, die einfach nicht schön sind.“ Nach einer weiteren Frage zum Sportlichen sagte Rose: „Versteht mich nicht falsch, es gibt so ein paar andere Themen im Leben. Das erscheint hier alles in einem anderen Licht.“ Dann endete das Gespräch.

Kommentator Fuss informiert TV-Zuschauer

Während der Übertragung auf Sat.1 wendete sich Kommentator Wolff-Christoph Fuss zu Beginn der zweiten Halbzeit an die Zuschauer. Er erklärte, als der Sender nach der Werbung wieder in die Arena schaltete: „Beide Mannschaften sind da. Keine Wechsel. Bayern führen mit 3:1. Max Eberl (wird eingeblendet, Anmerkung d.Red.) dem Ergebnis nach zufrieden, wobei dieses Spiel und dieses Erlebnis relativiert, überschattet wird von diesem furchtbaren Attentat, was es in Magdeburg gegeben hat.“ Der Kommentator fügte an: „Im ersten Durchgang gab es viele, die auf dieses Fußballspiel fokussiert waren. Wir haben mittlerweile Kenntnis davon bekommen. Insofern ist davon auszugehen, dass die Stimmung angepasster sein wird im zweiten Durchgang.“

Ein Auto war am frühen Abend auf dem Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in eine Menschengruppe gefahren. Ersten Erkenntnissen zufolge sollen zwei Menschen gestorben sein; dazu sollen weit über 50 Menschen teils schwer verletzt worden sein.

Vincent Kompany dachte spät am Abend an die Opfer und äußerte eine große Hoffnung. „Wir haben gewonnen, aber ich wünsche mir Siege für Frieden nächstes Jahr“, sagte Bayerns Trainer. „Es ist eigentlich fast unmöglich, über Fußball zu sprechen.“ Man sei in Gedanken bei den Menschen in Magdeburg. Er hoffe, irgendwann „mal Frieden zu haben – nicht nur in Deutschland, sondern überall Frieden zu haben“.