Gold und Bitcoin haben Anleger in diesem Jahr begeistert. Und Anleihen werfen vor allem in den USA wieder richtig Zinsen ab. ntv.de hat vier Experten nach ihren Einschätzungen für das kommende Jahr gefragt.
ntv.de: Für Goldanleger war 2024 ein tolles Jahr. Geht da noch mehr oder ist da langsam die Luft raus?

Michael Wittek leitet das Portfoliomanagement bei Albrecht, Kitta & Co. und ist für die Anlegestrategie der Vermögensverwaltung verantwortlich.
Michael Wittek: Solange die Welt sich immer mehr verschuldet, geht es weiter. Aber klar, zwischendurch korrigiert auch der Goldpreis einmal.
Marco Herrmann: Das Edelmetall profitiert nicht nur von Anlegern, die Schutz vor Inflation und hohen Staatsschulden suchen, sondern auch von Käufen von Notenbanken, insbesondere von denen aus China, der Türkei und Indien. Sie sind wohl der Meinung, dass Gold sicherer ist als US-Staatsanleihen, denn in den vergangenen zehn Jahren wurde der Anteil von Gold als Teil ihrer Devisenreserven von drei auf zehn Prozent erhöht.
Reinhard Pfingsten: Die Notenbanken aus den Schwellenländern bauen Goldpositionen auf, um unabhängiger vom US-Dollar und möglichen US-Sanktionen zu werden. Wir können uns gut vorstellen, dass dieser Trend noch nicht vorbei ist.
Oliver Zastrow: Zinssenkungen und andauernde geopolitische Spannungen könnten den Preis ebenfalls weiter nach oben treiben, wenn wir auch eine geringere Dynamik als 2024 erwarten.
Eigentlich braucht kein Mensch Gold. Dennoch empfehlen die meisten Vermögensverwalter eine Beimischung insbesondere in weniger risikofreudigen Mandaten in Höhe von fünf bis zehn Prozent. Was raten Sie ihren Kunden?

Oliver Zastrow arbeitet als Geschäftsführer bei der Qcoon Gruppe in Hamburg. Davor war er unter anderem bei der UBS Europe SE tätig.
Zastrow: Wir setzen Gold auf Wunsch als Beimischung insbesondere in weniger risikofreudigen Mandaten ein. Vor allem in Zeiten geopolitischer Spannungen war Gold ein positiver Renditetreiber. Außerdem korreliert es nicht eins zu eins mit anderen traditionellen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen.
Pfingsten: Eine Beimischung von Gold im Portfolio ist sicherlich zu empfehlen. Entgegen der landläufigen Meinung ist es aber ein besserer Schutz in Phasen einer Rezession als gegen die Inflation. Zudem sollte sich der Anleger bewusst sein, dass Gold keine Verzinsung bringt.
Wittek: Trotzdem gilt, wer sich gegen eine inflationäre Verschuldung absichern möchte, hat mit dem Investment in Gold noch nie etwas falsch gemacht. Unsere Kunden sind langfristig in Gold investiert.
Marco Herrmann. Wir raten zu den genannten fünf bis zehn Prozent. Gold hat keine große Korrelation zu Aktien und Anleihen und eignet sich daher sehr gut zur Stabilisierung des Depots in unruhigen Zeiten.
Was könnte den Goldpreis im kommenden Jahr weiter antreiben?

Reinhard Pfingsten arbeitet seit September 2023 als Chief Investment Officer bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. Diese Funktion übte der studierte Mathematiker bereits zuvor bei der Bethmann Bank und Hauck & Aufhäuser Privatbankiers aus.
Pfingsten: Hier ist sicherlich die eben schon angesprochene Nachfrage von den Notenbanken einiger Schwellenländer zu nennen. Da das Angebot an Gold begrenzt ist, führt eine zusätzliche, nennenswerte Nachfrage zu steigenden Preisen.
Wittek: Wir sehen das ähnlich. Ist die Nachfrage höher als das Angebot, steigt der Preis. Und die Nachfrage durch die Notenbanken sehen wir ja weiterhin. Aber auch Geopolitik wird ein Thema sein.
Herrmann: Die Entwicklung in den Beständen der Gold-ETFs zeigt, dass sich Finanzinvestoren bislang noch zurückgehalten haben. Hier besteht Nachholbedarf. Gold sollte also weiter glänzen können. Nächster Zwischenstopp: 3000 US-Dollar pro Feinunze.
Vor allem in den Wochen nach der Wahl von Donald Trump zum künftigen US-Präsidenten schoss der Bitcoin durch die Decke. Wurde die Kryptowährung zu sehr gehypt?
Wittek: Das wird sich noch zeigen. Kaufen die USA wirklich große Mengen Bitcoins, dann kann die Rally weitergehen. Donald Trump hat ja zumindest angekündigt, konfiszierte Bitcoin nicht mehr zu verkaufen, und aktive Käufe angedeutet.
Zastrow: Wie so häufig sind die Kurssprünge der Kryptowährungen primär nur durch Nachrichten getrieben. Falls es am Ende aber nur vollmundige Versprechungen Trumps waren, die nicht in die Tat umgesetzt werden, könnte die Rally auch schnell wieder vorbei sein.

Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA Depotverwaltung.
Herrmann: Die neue US-Regierung dürfte einen lockeren Regulierungsrahmen für Kryptowährungen schaffen, der Investments und den Handel vereinfachen könnte. Ob das die rasante Rally der vergangenen Wochen wert ist, muss jeder für sich entscheiden.
Trump will, wie eben bereits erwähnt, konfiszierte Bitcoin nicht verkaufen, sondern damit eine digitale Währungsreserve aufbauen. Könnte dies einen Paradigmenwechsel für die Kryptowährung bedeuten?
Pfingsten: Sollte dieser Schritt wirklich kommen, wäre es natürlich eine Art Ritterschlag für die Kryptowährungen. Aber Sie hören vermutlich unsere Skepsis heraus.
Zastrow: Wir sind auch skeptisch. Bislang war das ja alles nur Wahlkampfgetöse. Mal angenommen, all das würde in die Realität umgesetzt, gäbe es wohl deutliches Potenzial für den Bitcoin-Preis. Weitere Nationen könnten den USA folgen und weitere Nachfrage auslösen. Allerdings hat sich die Einführung von Kryptowährungen als Währungsreserve bisher nicht durchgesetzt.
Herrmann: Ich habe noch einen ganz anderen Punkt. Meines Erachtens versteht Trump nicht, was es bedeutet, wenn er eine konkurrierende Währung zum US-Dollar stärkt. Wenn plötzlich alle Kryptos haben wollen, wer finanziert dann seine US-Dollar-Schulden?
Bitcoin wird ja auch gerne als digitales Gold bezeichnet. Wo sehen Sie die größten Gemeinsamkeiten und wo die entscheidenden Unterschiede?
Zastrow: Die begrenzte Verfügbarkeit und sicherlich auch die mögliche Anonymität des Besitzes sind zwei maßgebliche Gemeinsamkeiten. Die Verwendung von Gold ist hingegen vielfältig, sei es industriell, als Vermögensanlage, für Schmuck und diverse weitere Verwendungszwecke.
Wittek: Die größte Gemeinsamkeit ist sicherlich das Ansehen als alternative Kapitalanlage außerhalb des klassischen Geldsystems. Der größte Unterschied ist, dass es Bitcoin erst seit gut 15 Jahren gibt, Menschen aber Gold schon seit mehreren Tausend Jahren einen Wert beimessen.
Herrmann: Außerdem sind Bitcoins, ähnlich wie Gold, nur mit hohen Kosten zu kreieren beziehungsweise zu fördern. Der wesentliche Unterschied liegt in der alternativen Verwendung. Bitcoin ist quasi verbrauchter Strom und nicht anderweitig nutzbar – ähnlich wie Muscheln, die vor und 3000 Jahren als Zahlungsmittel verwendet wurden. Gold dagegen wird zum Beispiel in der Industrie und in der Schmuckindustrie verwendet.
Pfingsten: Und im Unterschied zu Kryptowährungen kann ein Investor Gold auch in physischer Form vorhalten.
Empfehlen Sie Bitcoin Ihren Kunden und wenn ja, in welchem Umfang?
Pfingsten: Wir investieren weder im Rahmen unserer vermögensverwaltenden Produkte für unsere Kunden in Kryptowährungen noch bieten wir einen Handel für diese an. Für uns haben Kryptowährungen einen hochspekulativen Charakter und ihre Preisentwicklung ist seriös nicht vorherzusagen.
Herrmann: Bitcoin und Co. sind eine Glaubensfrage. In unseren Depots berücksichtigen wir Kryptos nur auf Kundenwunsch.
Zastrow: Wir machen das nicht. Einerseits sind die Investments in Kryptowährungen relativ volatil und es bestehen regulatorische Unsicherheiten. Andererseits ist der Zugang im Rahmen einer Vermögensverwaltung häufig nur über Derivate beziehungsweise Zertifikate möglich. Zudem sind die preisbeeinflussenden Faktoren höchst intransparent, weshalb wir aktuell auf den aktiven Einsatz verzichten.
Wittek: Wir sind da eher neutral und sprechen uns weder für noch gegen den Bitcoin aus.
Kommen wir zum Rentenmarkt. Anleihen bieten wieder attraktive Renditen, vor allem in den USA. Wenn aber die Staatsverschuldung Washingtons weiter steigt, würde das auch die Zinsen nach oben treiben und die Kurse der Anleihen sinken lassen. Sehen Sie darin eine Gefahr?
Zastrow: US-Staatsanleihen gelten einerseits als sichere Häfen im schwierigen geopolitischen Umfeld, sodass selbst bei steigenden Zinsen ausreichend Nachfrage da sein könnte. Andererseits könnte es auch unter Trump zu Zinssenkungen in den USA kommen. Solides Wachstum könnte wiederum zu höheren Steuereinnahmen führen und eine höhere Verschuldung teilweise kompensieren. Allerdings sehen wir seit dem Ergebnis der US-Wahl weniger Potenzial für Zinssenkungen der Fed als zuvor.
Pfingsten: Eine akute Gefahr sehen wir derzeit nicht, aber wir beobachten die Entwicklung natürlich auch sehr aufmerksam. Die USA profitieren hier eindeutig davon, dass der US-Dollar mit Abstand die global wichtigste Reservewährung ist und auch auf absehbare Zeit bleibt. Und letztendlich kann ja auch noch immer die US-Notenbank Fed einen Teil der Staatsschulden aufkaufen, um die Renditen zu senken.
Herrmann: Ich schätze das etwas anders ein. Kurskapriolen am Anleihenmarkt sind für uns ein wesentlicher Risikofaktor im Jahr 2025. Und es sind ja nicht die USA alleine. Frankreich ist vermutlich in einer noch schwierigeren Lage und Deutschland schon lange kein Musterknabe mehr, wenn man die versteckten Schulden, die zum Beispiel in unseren gesetzlichen Rentenversicherungen stecken, berücksichtigt.
Dieses Szenario spricht eher für Anleihen mit kurzen Laufzeiten, bei denen Anleger mögliche zwischenzeitliche Kursverluste bis zur Fälligkeit der Anleihe aussitzen können, oder?
Zastrow: Eine Kombination aus kurzfristigen Anleihen und Papieren mit mittlerer Restlaufzeit könnte sinnvoll sein, so haben wir in unseren Kundendepots die Duration der Anleihen deutlich verkürzt. Aber auch die Qualität spielt eine große Rolle, um Kursverluste oder Ausfälle zu vermeiden.
Wittek: Am interessantesten finden wir Unternehmensanleihen mit mittlerer Laufzeit und guten Bonitäten. Hier haben Anleger die höchste Flexibilität beziehungsweise unseres Erachtens das beste Chance-Risiko-Profil.
Pfingsten: Wir sehen die Entwicklung anders. Angesichts fallender Leitzinsen sind die Rahmenbedingungen für ebenfalls fallende Renditen günstig. Da anders als in vergangenen Zinszyklen die Renditen seit den ersten Leitzinssenkungen von der EZB und Fed eher gestiegen als gefallen sind, unterstreicht dies die günstige Einstiegsgelegenheit unserer Meinung nach.
Wie stark wird die amerikanische Notenbank Fed im kommenden Jahr noch die Leitzinsen senken?
Wittek: Nicht sehr stark. Einige Marktteilnehmer erwarten sogar wieder eine Erhöhung Ende 2025.
Herrmann: Die Fed dürfte zunächst vorsichtiger agieren, um die Folgen der neuen US-Politik besser abschätzen zu können. Sie senkt aber im Jahresverlauf den Leitzins voraussichtlich auf knapp unter vier Prozent. Außerdem erwarten wir, dass die EZB den Einlagenzinssatz bis Ende 2025 von aktuell drei Prozent um etwa 1,25 Prozentpunkte absenkt.
Pfingsten: Aufgrund der besseren konjunkturellen Situation in den USA als in Europa kann sich die Fed sicherlich mehr Zeit lassen als die EZB.
Kurz noch zum Öl. Trump hat im Wahlkampf angekündigt, die Produktion von Öl und Gas in den USA durch Deregulierungen hochfahren zu wollen. Gelingt ihm das, wären das gute Nachrichten für die Inflation und die US-Konjunktur.
Zastrow: Eine erhöhte Produktion von fossilen Brennstoffen kann zu einem Überangebot führen, was die Energiepreise senkt. Niedrigere Energiepreise entlasten Verbraucher und Unternehmen, was die Inflation dämpfen kann. Günstigere Energiepreise können die Produktionskosten für Unternehmen reduzieren, was Investitionen und Wirtschaftswachstum fördert. Zudem könnten neue Arbeitsplätze in der Energiebranche entstehen.
Pfingsten: Die hieraus resultierenden positiven Effekte würden wir aber nicht überbewerten. Die US-Konjunktur läuft auch jetzt schon sehr gut, und für die Inflationsentwicklung spielen andere Faktoren, wie die Zollstreitigkeiten, derzeit eine größere Rolle.
Wittek: Na ja, das warten wir erst einmal ab. Der Ölpreis ist mit wenigen Ausreißern seit Jahren in einer großen Preisspanne von 50 bis 90 US-Dollar gefangen. Bleibt es dabei, würde ich das eine nicht mit dem anderen verbinden.
Welche Anlageklassen empfehlen Sie fürs kommende Jahr?
Herrmann: Aktien bleiben auch im Jahr 2025 die vielversprechendste Anlageklasse. Dennoch gehören auch Anleihen mit maximal mittlerer Laufzeit ins Depot, insbesondere zur Stabilisierung bei möglicherweise wieder höheren Marktschwankungen – an geopolitischen Risiken mangelt es bekanntlich nicht. Auch Gold dürfte weiterhin einen wichtigen Beitrag zu Stabilität und Diversifikation im Portfolio leisten.
Pfingsten: Wir sind nicht so bullish für Aktien. Die zu erwartende Risikoprämie, die mit einem Aktieninvestment zu verdienen ist, wird aufgrund des bereits erreichten Bewertungsniveaus im langfristigen Vergleich weniger attraktiv ausfallen. Trotzdem gehören Aktien natürlich weiter ins Depot, genauso wie Anleihen und Gold.
Zastrow: Wir favorisieren Sachwerte wie Aktien und Immobilien oder auch die Beimischung von unternehmerisch geprägten Beteiligungen. Anleihen und Gold können je nach Renditeerwartung und Risikoappetit beigemischt werden.
Wittek: Ich glaube, hier stimmen wir alle überein: Die wichtigste „Assetklasse“ ist weiterhin eine gesunde Diversifikation.
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