Angriff am Bondi Beach war antisemitischer Terroranschlag

Vor Ort ist es 18.47 Uhr, als Sydneys Bondi Beach vom Traumziel zu einem Albtraum wird. Wo sich sonst Strandgänger in der Sonne bräunen und Surfer in die Wellen werfen, peitschen Schüsse durch die Luft. Videos, die kurze Zeit später in den sozialen Medien auftauchen, zeigen zwei komplett in Schwarz gekleidete Personen, die in der Ferne von einer Brücke aus offenbar mit Gewehren auf das darunter liegende Gelände feuern.

Schussgeräusche schallen herüber, während sich die Schützen von der Brücke aus in Richtung des weiter unten liegenden Strands bewegen. Augenzeugen zufolge hatte der Angriff rund zehn Minuten gedauert. Was als ein warmer Sommerabend begann, endet für die Strandbesucher in Momenten der Panik.

Die Bilanz ist erschreckend: Mindestens 16 Menschen werden getötet, darunter einer der Schützen. Zuvor war von zwölf Toten die Rede. 40 Menschen seien weiterhin im Krankenhaus, teilte die Polizei von New South Wales auf der Plattform X mit. Ministerpräsident Anthony Albanese bestätigt später am Abend in einer Pressekonferenz, dass es sich um einen „verheerenden Terror­anschlag“ handelte, der gezielt die jüdische Gemeinde zum Ziel genommen habe.

Erste Infos zu den Tätern bekannt

„Es ist ein Akt des bösartigen Antisemitismus, des Terrorismus, der das Herz unserer Nation getroffen hat“, sagt Albanese. Außerdem spricht er von einer Attacke auf den australischen „Lebensstil“.

Mittlerweile haben die Ermittler die beiden Angreifer als Vater und Sohn identifiziert. Auf den 50 Jahre alten Vater waren sechs Waffen registriert. Das teilte die Polizei bei einer Pressekonferenz am Montag (Ortszeit) mit. Das Motiv blieb unklar, nach Polizeiangaben hatte es keine Hinweise für solch eine Gewalttat gegeben. Der überlebende Schütze, der 24 Jahre alte Sohn, ist schwer verletzt und in Polizeigewahrsam.

Es wird geprüft, ob es einen dritten Tatverdächtigen gibt. In einem Auto, das in Verbindung zum getöteten Angreifer steht, findet die Polizei improvisierte Sprengsätze. Stunden nach der Schießerei stürmt sie laut „New York Times“ ein Haus in Bonnyrigg, einem Vorort Sydneys, und führt zwei Personen ab.

Australiens Ministerpräsident Prime Minister Anthony Albanese am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Canberra
Australiens Ministerpräsident Prime Minister Anthony Albanese am Sonntag bei einer Pressekonferenz in CanberraEPA

Das Feuer richtete sich auf eine Gruppe von Familien, die sich an dem Strand an einer Feier zum Anlass des Chanukka-Fests versammelt hatten. Dabei hatte es sich Albanese zufolge um eine Veranstaltung mit dem Titel „Chanukka am Meer“ gehandelt.

Es war der Beginn des acht Tage währenden jüdischen Lichterfests. Ein Augenzeuge sprach dem australischen Sender ABC gegenüber danach von „schockierenden Szenen“. Menschen seien „niedergemäht“ worden und hätten in großen Lachen aus Blut gelegen.

Die jüdische Gemeinde in Australien reagierte entsetzt auf den Angriff auf ihre Angehörigen. „Schüsse bei einer Chanukka-Veranstaltung“, schrieb die Australian Jewish Association auf der Plattform X. „Wir haben so oft davor gewarnt, dass es so kommen würde.“

Damit nimmt die jüdische Organisation Bezug auf eine Reihe von Vorfällen mit antisemitischem Hintergrund, die Australien seit den Attacken vom 7. Oktober 2023 erschüttert haben. Dazu gehören antisemitische Parolen, die auf Autos und Hauswände geschmiert worden waren. Juden wurden auf offener Straße belästigt und angegriffen, es gab sogar Brandanschläge auf Synagogen. Zwei Anschläge auf eine Synagoge und ein koscheres Restaurant hatten die australischen Behörden mit dem iranischen Geheimdienst in Verbindung gebracht.

„Ein Angriff auf jüdische Australier ist ein Angriff auf alle Australier“, sagte Albanese vor der Presse. Er hatte sich in der Vergangenheit Vorwürfen ausgesetzt gesehen, nicht genug gegen den zunehmenden Antisemitismus im Land zu unternehmen. Vor zwei Jahren hatten mehr als einhundert nach Australien emigrierte Holocaust-Überlebende „eine beispiellose Flut an Antisemitismus“ beklagt, die im Fernsehen, in den sozialen Medien und in den Universitäten Australiens wüte.

Israels Außenminister kritisiert australische Regierung

Israels Außenminister Gideon Saar zeigte sich auf X „entsetzt über den mörderischen Schusswaffenangriff“. „Dies sind die Folgen der antisemitischen Randale auf den Straßen Australiens in den vergangenen zwei Jahren“, so der Minister. „Die australische Regierung, die unzählige Warnsignale erhalten hat, muss endlich zur Vernunft kommen!“

Israel wirft Canberra schon länger vor, gegen Juden gerichtete Vorfälle nicht ausreichend geahndet und damit einem Klima des Antisemitismus Vorschub geleistet zu haben. Zudem hatte Australiens Anerkennung eines palästinensischen Staats vor ein paar Wochen für Spannungen gesorgt.

Viele Australier sind geschockt über die Attacke an einem der beliebtesten Orte des Landes in einem Vorort der Millionenmetropole Sydney. Den Berichten zufolge waren zahlreiche Menschen von dem Strand geflüchtet, in dessen Norden die Schüsse in der Nähe eines Parkplatzes begonnen hatten. Ein ABC-Journalist berichtete von „sehr emotionalen Szenen“. Menschen umarmten einander und weinten. Über die sozialen Medien erreichten auch einige sehr verstörende Aufnahmen die Öffentlichkeit.

Ein besonders häufig geteiltes Video zeigte einen Mann in einem weißen T-Shirt, der sich einem schwarz gekleideten Schützen von hinten näherte, während dieser weiter Schüsse in die entgegengesetzte Richtung abfeuerte. Der Mann nahm den Schützen in einen Schwitzkasten und griff mit der anderen Hand nach dem Gewehr. Nach einem kurzen Kampf gelang es dem Mann, das Gewehr an sich zu nehmen. Danach bedrohte er den Schützen und hielt ihn mit dessen eigener Waffe in Schach. Der Mann wurde später von vielen als „Held“ gefeiert.

Ein Tourist berichtete dem australischen Sender ABC, erst vor zwei Tagen in Australien eingetroffen zu sein. Mit einem Freund habe er den berühmten Bondi Beach besuchen wollen, da sie dort mit starken Sicherheitsvorkehrungen rechneten. Etwa nach einer Stunde habe er zwei schwarz gekleidete Männer gesehen, die mit „Sniper-Gewehren“ in seine Richtung schossen. Als er gesehen habe, dass einer der Schützen ihn ins Visier genommen hatte, habe er sich geduckt.

Das Standbild aus einem Video zeigt fliehende Strandbesucher am Sonntag am Bondi Beach
Das Standbild aus einem Video zeigt fliehende Strandbesucher am Sonntag am Bondi BeachAFP

Ein anderer Mann berichtete dem Sender News Nine, er habe sich noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht. „Der Strand war total überfüllt. Und dann wurden jede Menge Feuerwerkskörper gezündet. Und plötzlich sahen wir Tausende von Menschen, die in unsere Richtung rannten“, so der Mann. Daraufhin hätten er und seine Begleiter sich in den öffentlichen Toiletten versteckt.

Die Zeitung „The Sydney Morning Herald“ sprach mit einem Auslandsstudenten, der einem verletzten Opfer die Hand gehalten hatte, während es auf Erste Hilfe wartete. „Es war das erste Mal, dass ich mit eigenen Augen gesehen habe, wie ein Mensch getötet wurde“, sagte der Mann, der seit zwei Jahren in Australien lebt.

Obwohl die Polizei kurz nach dem Angriff mitgeteilt hatte, dass zwei Schützen „neutralisiert“ worden seien, blieb sie in Alarmbereitschaft. Unter anderem ging sie Spekulationen nach, wonach es einen dritten Schützen gegeben haben könnte. Außerdem prüfte sie die Möglichkeit, dass mehrere Sprengsätze an der Brücke und der Umgebung platziert worden sein könnten.

Aufnahmen vom Strand zeigten mehrere Rettungswagen. Augenzeugen berichteten, dass Sanitäter und Umstehende sie auf dem Rasen in der Nähe des Strands medizinisch versorgt hatten. Journalisten zufolge war der Bondi Beach nach der Attacke verlassen. Statt den Bade- und Surfgästen waren noch zahlreiche persönliche Gegenstände zu sehen, die Strandbesucher in Panik zurückgelassen hatten.

Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete den Anschlag als „Angriff auf unsere gemeinsamen Werte“. Weiter schrieb er auf der Plattform X: „Der antisemitische Anschlag am Bondi Beach zu Chanukka lässt mich fassungslos zurück. Diesem Antisemitismus müssen wir Einhalt gebieten – hier in Deutschland und weltweit.“