Ampel-Aus: So reagiert die Logistikbranche

Nach einem dramatischen Treffen der Koalitionsspitzen am 6. November hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Entlassung des Finanzministers Christian Lindner (FDP) verkündet, damit ist die zerstrittene Ampel am Ende. Am Morgen danach folgte der nächste Paukenschlag: Bundesverkehrsminister Volker Wissing will trotz des Bruchs der Ampel-Koalition bis zur geplanten Neuwahl im Amt bleiben und tritt aus der FDP aus. Anders als Wissing wollen seine drei Staatssekretäre Daniela Kluckert, Oliver Luksic und Gero Hocker nicht Teil der Bundesregierung bleiben: die drei FDP-Politiker baten den Minister, ihre Entlassung beim Bundespräsidenten zu veranlassen. 

Doch was bedeutet das Ampel-Aus und das Beben im BMDV für die Verkehrspolitik und die Logistikbranche? Und welche verkehrspolitischen und wirtschaftlichen Themen haben jetzt bis zum Stellen der Vertrauensfrage durch Scholz und den vermutlich daraus folgenden Neuwahlen erste Priorität? Die VerkehrsRundschau hat bei Verbänden nachgefragt und sammelt in diesem – stets aktualisierten Artikel – deren Statements.

BGL: Hoffnung auf Kontinuität zumindest im Verkehrsbereich

Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), erklärte gegenüber der VerkehrsRundschau:

„Das abrupte Ende der Ampelregierung zum jetzigen Zeitpunkt trifft auch die deutsche Transportwirtschaft überraschend. Wichtig ist, dass das politische Berlin handlungsfähig bleibt. Von daher gesehen ist die Ankündigung von Dr. Volker Wissing, Bundesverkehrsminister zu bleiben, ein gutes Zeichen. Er ist für uns ein stets verlässlicher Ansprechpartner mit dem uns eine konstruktive Zusammenarbeit verbindet. Die FDP scheidet zwar aus der Bundesregierung aus, aber mit dem durch den avisierten FDP-Austritt von Dr. Volker Wissing verbundenen Verbleib im Amt verbindet sich die Erwartung auf Kontinuität zumindest im Verkehrsbereich.“

Laut Engelhardt brauche es nun Stabilität, Verlässlichkeit und mutige Entscheidungen zur Entlastung und Stärkung der Wirtschaft. „Dazu gehören für uns eine echte Bürokratiebremse, eine Fachkräftewende, realistisch umsetzbare Klimaschutzmaßnahmen sowie eine Wiedereinführung des Finanzierungskreislaufs Straße, weil uns Land die in diesen kritischen Zeiten besonders wichtigen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur – Stichpunkte Straßenerhalt, Brückensanierung, E-Ladenetzausbau – dringend benötigt.“

Schienenverbände: Infrastruktur verträgt keinen Stillstand

Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene, teilt auf Anfrage in einem ersten Statement mit: „Nach dem politischen Erdbeben gestern Abend brauchen wir schnell Klarheit, wie es weitergeht. Die Entscheidung von Volker Wissing, aus der FDP auszutreten, um Verkehrsminister zu bleiben, verdient größten Respekt. Die Infrastruktur-Baustellen in unserem Land vertragen keinen Stillstand, und sie dulden keinen Aufschub. Alle sind gut beraten, bis zur Neuwahl lösungsorientiert zusammenzuarbeiten.“

Die Güterbahnen setzen in der Regierungskrise auf das Interesse aller Beteiligten, die Versorgung der Wirtschaft und die Verminderung der Treibhausgasemissionen mithilfe des Schienengüterverkehrs nicht zu gefährden, wie es in ihrem Statement heißt. Finanzprobleme, die durch einen fehlenden Haushalt 2025 und die Spätfolgen des KTF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf die gesamte Schienenbranche zukommen könnten, stünden jetzt besonders im Fokus. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands, fordert vom designierten Bundesfinanzminister die Prüfung, ob mit einem Nachtragshaushalt breit getragene Ziele und Maßnahmen gesichert werden können. „Der neue Bundesfinanzminister Kukies trägt große Verantwortung für längst verabredete Ziele im Bereich der Schiene. Die Finanzierung zugesagter und eingeplanter Mittel darf nicht in Gefahr geraten. Gibt es keinen Haushalt oder Nachtragshaushalt, könnte die gesamte Branche von Unterbrechungen bei fest eingeplanten Förderungen hart getroffen werden. Die Infrastrukturentwicklung könnte zudem um Jahre zurückgeworfen werden. Was wir nicht brauchen, ist ein monatelanger Stillstand, aus dem jahrelange Narben entstehen. Die überwiegend mittelständische Güterbahnen-Branche könnte dabei unter die Räder kommen. Wir sind optimistisch, dass noch viel erreicht werden kann und davon ein starkes Signal an die Wirtschaft ausgehen wird.“

BIHK fordert schnelle Neuwahlen

Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) spricht sich nach dem Ende der Ampelkoalition für schnelle Neuwahlen zum Bundestag aus, um die dringend benötigten Reformen mit möglichst wenig Zeitverzug umzusetzen. „Die Wirtschaft braucht so schnell wie möglich eine neue und handlungsfähige Bundesregierung, die Kraft und Entschlossenheit für durchgreifende Reformen hat. Die riesigen strukturellen und konjunkturellen Probleme schnüren der Wirtschaft zusehends die Luft ab“, so BIHK-Präsident Klaus Josef Lutz in einem Verbandsstatement. Ein dauerhaft höheres Wachstumspotenzial setze eine Generalsanierung des Standorts voraus: Dazu gehörten laut Lutz erstens mehr Investitionen durch stufenweise niedrigere Steuern und höhere Abschreibungen für Unternehmen, zweitens mehr Arbeitsanreize durch niedrigere Steuern und Sozialabgaben sowie bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten, drittens niedrigere Stromkosten für alle Verbraucher durch Finanzierung der Netzentgelte durch den Bund sowie viertens ein Produktivitätsschub durch radikalen Bürokratieabbau. „Dies umfasst auch schnelle Digitalisierung und Anwendung künstlicher Intelligenz, sowie Vorfahrt für Bildung, Forschung und Innovationen“, so Lutz weiter.