AMÖ-Chef Andreas Eichinger: Impulse für die Verbandsarbeit

Im ersten Teil berichtete ich über meine erste Zeit als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik (AMÖ). Aufbauen konnte ich auf meine Erfahrungen bei ACI EUROPE in Brüssel – ein äußerst professionell geführter und handelnder Verband, der die Interessen der europäischen Flughäfen vertritt und wo ich zwischen 2012 und 2014 arbeitete. Ein Verband, der allerdings ganz andere Ressourcen zur Verfügung hat als die AMÖ.

Ausgehend von meiner Expertise bei ACI fragte ich mich, was ein Verband heute leisten muss. Ich bin überzeugt, dass in einer vernetzten Welt kein Verband nur durch Interessenvertretung und Ausbau des eigenen Netzwerks Mitglieder gewinnen kann.

Jede Änderung eines Gesetzes oder einer Verordnung wird für die gesamte Branche gelten. Nie wird ein Gesetz oder eine Verordnung Regelungen treffen, die nur AMÖ-Mitgliedern zugutekommen. Das bedeutet, dass die Zahlungsbereitschaft von Mitgliedsunternehmen allein für professionelle Interessenvertretung eher gering ist.

„Es brauchte eine umfassende Transformation des Bundesverbandes, radikale und fundamentale Veränderungen, die auf einem gänzlich neuen Zielbild beruhten.“

Obgleich ich die Interessenvertretung für einen wesentlichen Teil der AMÖ-Arbeit halte, muss die AMÖ weitere klare Mehrwerte für ihre Mitgliedsunternehmen schaffen. Diese Mehrwerte müssen auch wirtschaftlicher Natur sein.

Was wir gemeinsam mit der AMÖ aufbauen, ist ein Verband mit moderner Prägung. Ein Verband, der einzigartig ist, der ideellen und wirtschaftlichen Mehrwert für seine Mitglieder generiert. Ein Verband, dessen Mitgliedsunternehmen in einer Gemeinschaft agieren. Wie kann das gelingen?

Das geht nicht durch das Drehen kleiner Stellschrauben. Es brauchte eine umfassende Transformation des Bundesverbandes, radikale und fundamentale Veränderungen, die auf einem gänzlich neuen Zielbild beruhten. Gleichzeitig wollten und mussten wir das Geschäftsmodell des Bundesverbandes, seine Kultur und die Arbeitsweise umfassend verändern.

Klar war auch, dass eine Transformation immer mit erheblicher Unsicherheit verbunden, und ihr Gelingen ungewiss ist. Daher brauchen Transformationen seitens der handelnden Personen ein hohes Maß an Risikobereitschaft und auch Experimentierfreude. Wie also sind wir vorgegangen?

Beim Vordenken geht es aus meiner Sicht darum, gedanklich einige Schritte weiter zu sein, dennoch diejenigen nicht zu verlieren, die noch nicht so weit sind – ein Spagat und eine Kunst. Man darf sich nie vom grundsätzlichen Weg abbringen lassen. Man darf auch nicht der Illusion erliegen, auf alle Rücksicht nehmen zu können.

Jede signifikante Veränderung führt dazu, dass Menschen mit der Veränderung nicht einverstanden sind. Das ist nicht schlimm, sondern normal. Je nach Veränderung können Mitarbeitende oder Mitglieder verloren gehen. Aber mit der Veränderung besteht auch die Chance, dass neue Mitglieder hinzugewonnen werden oder der Verband für Menschen als Arbeitgeber attraktiv wird, die vorher nicht daran gedacht hätten, für ihn zu arbeiten.

Für mich ist klar, dass sich ein moderner Verband dem Wettbewerb stellen muss – auf jeder Ebene. Es ist immer besser, nicht in archaischen Strukturen und Organisationen zu arbeiten.

Da ein Verband von seinen Mitgliedern getragen wird, sie in ehrenamtlichen Funktionen der Gemeinschaft dienen und die zentrale Daseinsberechtigung des Verbandes der Dienst für die Mitglieder ist, ist es essenziell, diese bei der Transformation eines Verbandes zu beteiligen.

Ebenso essenziell ist es, die Menschen, die für den Verband arbeiten, an der Entwicklung zu beteiligen. Beides haben wir getan.

Mit allem, was wir verändert haben, haben wir uns immer wieder der Diskussion gestellt. Wir waren auf Veranstaltungen, zu Besuch bei unseren Landesverbänden, in den ehrenamtlichen Gremien und auch bei einzelnen Unternehmen, um Ideen, Themen und Initiativen offen zu diskutieren.

Wenn es um Veränderungen geht, dann ist es wichtig, den „Informationshunger“ Betroffener und Interessierter nicht zu unterschätzen. Missverständnisse entstehen fast zwangsläufig. Die muss man ausräumen. Das ist mühsam, aber notwendig.

„Offenheit ist anstrengend – aber sie ist der einzige Weg, Wandel wirklich zu verankern.“

Was sehr schnell offenbar wurde: In einer vernetzten Welt war der bisherige Kommunikationsweg vom Bundesverband zu den Mitgliedsunternehmen über Landesverbände viel zu langsam und zu ungenau. Wen erreichen unsere Botschaften und wer braucht sie eigentlich?

Manch Landesverband verteilt Informationen nach dem Gießkannenprinzip, manche versenden umfassende Kompendien mit einer Flut an Nachrichten. Andere versenden kaum etwas an die Mitgliedsunternehmen. Wie also sicherstellen, dass die relevanten Informationen auch bei den Menschen in den Mitgliedsunternehmen ankommen? Insbesondere die Informationen, die die Transformation des Bundesverbandes betreffen?

Zunächst galt es, die AMÖ auf ein neues Fundament zu stellen. Viele internen prozessualen oder auch IT-Themen sind für Mitglieder nicht interessant. Sie sind aber entscheidend, wenn es um Effizienz und Durchschlagskraft des Verbandes geht – in dem Sinne, dass Menschen, die im Verband arbeiten, ihre Zeit im Sinne der Mitglieder sinnvoll nutzen können.

Einer der ersten, sichtbaren Schritte war die Gründung der sumo GmbH, einer einhundertprozentigen Tochter des Bundesverbandes. In ihr haben wir den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Bundesverbandes zum großen Teil gebündelt und damit auch verbundene Risiken ausgelagert. Zeitgleich haben wir Kooperationen und neue Partnerschaften auf- und ausgebaut.

Wir haben eine eigene „amoe:vorteilswelt“ geschaffen. Ein Premiumportal für AMÖ-Mitgliedern, das auf die Bedarfe der Unternehmerinnen und Unternehmer ausgerichtet ist. Der Anstoß dazu kam von einem Unternehmer aus dem niedersächsischen Munster. Die amoe:vorteilswelt ist ein Beispiel dafür, was ich mit „entschieden handeln, im Bewusstsein zu experimentieren“ meine.

Wir haben einen Partner gefunden, mit dem wir eine erste Version der amoe:vorteilswelt aufgebaut haben, mit dem wir eng kooperieren und mit dem wir gemeinsam gelernt haben. Im Laufe dieses Jahres wird der Relaunch der amoe:vorteilswelt von diesen Erfahrungen profitieren.

Mit der Satzungsneufassung im Jahr 2023 haben wir konsequent die Organe des Verbandes verschlankt, klare Zuständigkeiten geschaffen und Entscheidungswege verkürzt. Wir haben gelernt, zu experimentieren und die Meinungen der Mitglieder auszuhalten. Hier zeigte sich als entscheidend, nicht sofort einzuknicken, sondern nüchtern zu kategorisieren: Ist die Kritik sachlich, substanziell und berechtigt oder hat sie andere Motive?

Nicht alles, was wir verändert haben, funktionierte auf Anhieb. Manche Weges waren Irrwege. Für mich kam und kommt es darauf an, zu lernen und die richtigen Schlüsse aus diesen Experimenten zu ziehen. Und wir hatten den Mut, auch alte Zöpfe abzuschneiden. Wir hatten den Mut, uns einzugestehen, was keinen Sinn mehr macht. Was nicht funktioniert. Das war ungemein befreiend.

Der dritte und letzte Teil des Erfahrungsberichts erscheint am 15. Dezember 2025. Hier geht’s zu ersten Teil.