Alexandra Popp : Danke, Poppi!

In unserer Kolumne „Grünfläche
schreiben abwechselnd Oliver Fritsch, Christof Siemes, Stephan Reich und Anna Kemper über
die Fußballwelt und die Welt des Fußballs. Dieser
Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 45/2024.

Als ich las, dass Alexandra Popp aus der Nationalmannschaft zurücktritt, musste ich dran denken, wie ich zum ersten Mal von ihr hörte. 2011 war das, die Fußball-WM der Frauen fand in Deutschland statt, und wenn man im DFB-Lager unterwegs war, hörte man von allen: Die Poppi wird mal eine ganz große Spielerin. Ihr gehört die Zukunft.

Alexandra Popp war da gerade mal zwanzig, und sie hat geschafft, woran so viele, auf die in dem Alter alle Hoffnungen ruhen, scheitern: Sie hat alle Erwartungen erfüllt, übererfüllt vielleicht sogar. Denn sie war und ist nicht nur sportlich erfolgreich, sie ist zugleich das Gesicht des Frauenfußballs geworden, respektiert und beliebt. Wenn sie für Deutschland auf dem Platz stand, hatte man das Gefühl: Sie wird es schon richten, mit ihrem Können, ihrem Einsatz, ihrem Kampfgeist. Sie ist eine so starke Identifikationsfigur wie keine andere Fußballerin vor ihr. Dass jedes Jahr mehr Mädchen im Verein Fußball spielen, mittlerweile über 100.000, liegt nicht zuletzt an ihr.

Ich habe nie Fußball gespielt. Dabei hat es sie früher auch gegeben, die tollen Fußballerinnen: Silvia Neid, Doris Fitschen, Heidi Mohr. Aber als ich mit fünf Jahren mit Sport begann, wurde überhaupt erstmals eine Frauen-Nationalmannschaft gegründet. Das erste Spiel wurde im Fernsehen übertragen, als ich zwölf war.

Ich bin nicht mal auf die Idee gekommen, Fußball zu spielen. Manchmal finde ich das schade, wie neulich, als ich mit meinem Vater und meinem Sohn im Garten kickte, und ich diese Freude spürte, wenn man schon beim Schuss spürt, dass das ein richtig guter Ball wird.

Ich habe damals andere Sportarten gefunden. Sie hatten nichts mit einem Ball zu tun. Denn immer, wenn ich mit meinen Brüdern auf der Straße irgendwas mit einem Ball spielte, wurde darüber gelächelt, manchmal sogar gespottet. Ich hätte eben, anders als meine Brüder, kein Ballgefühl. Das mag stimmen oder nicht, jedenfalls glaubte ich fest daran, dass es so sei. Wie vielleicht auch viele andere Mädchen. 

Als ich jedenfalls mal im Verein Hockey spielte, wie meine Brüder, musste ich das in einer Jungsmannschaft tun, weil es keine Mädchenmannschaft gab, obwohl ich in einer Großstadt aufgewachsen bin mit zwei großen Hockeyvereinen. Dass meine Oma mir ständig sagte, das viele Hin-und-her-Rennen auf dem Platz sei nicht gut für ein Mädchen, spornte mich eher an. Doch als einer meiner Mitspieler abfällig bemerkte, dass sie mich nur zu den Spielen mitnähmen, weil sie meinen Bruder als Schiri bräuchten, habe ich aufgehört.

Viele der Fußballerinnen, die heute Nationalspielerinnen sind, haben in Jungsmannschaften spielen müssen und sich nicht einschüchtern lassen, auch Alexandra Popp. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das nicht immer einfach war. Auch dafür bewundere ich sie.

Natürlich ist niemand daran schuld, dass aus mir keine Mini-Version von Alexandra Popp geworden ist. Wahrscheinlich waren weder mein Talent noch meine Begeisterung dafür groß genug. Aber viele mögliche Alexandra Popps meiner Generation haben eben gar nicht die Chance gehabt, ihr Talent zu entdecken. Deshalb freue ich mich, dass die Töchter meiner Freundinnen mit Selbstverständlichkeit und Freude kicken. Dass mein Sohn, wenn er „Tor des Monats“ spielt, natürlich auch Treffer von Alexandra Popp und Klara Bühl nachspielt.

Als ich neulich sagte, dass es schade ist, dass erst in vier Jahren wieder Fußball-EM sei, schaute mich mein Sohn verwundert an. Er erwiderte: „Nein, Mama, nächsten Sommer ist schon EM!“ Danach habe ich auf dem Rasen meinen Vater mit einem Übersteiger ausgespielt und kam mir vor wie Poppi. Ballgefühl? Paah!