Videos des Auftritts kursieren im Netz teils in Schwarz-Weiß. Eine Influencerin hat die Farbe drin gelassen, schreibt aber scherzhaft dazu, dass „offenbar eine der ersten Farbfilmaufnahmen Ende der 1930er“ aufgetaucht sei.
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Alexander Eichwald, ein junger Mann im Dinnerjacket, mit Weste und Krawatte, halblange Haare, sprach beim Gründungstreffen der AfD-Jugendorganisation Generation Deutschland über „die Liebe und Treue zu Deutschland“, über Tiere, bei denen es schließlich ebenfalls unstrittig Rassen gebe und über „Fremdeinflüsse“ auf die deutsche Kultur. Er forderte „die Sicherstellung einer Zukunft, wo ein deutsches Kind nie wieder Scham empfinden sollte, deutsch zu sein“, ballte kurz die Faust, streckte dann einen Zeigefinger aus, dehnte die Worte „niiiiiie wieder“ und ließ das R bedrohlich rollen. Seine Rede beendete er, nach Ermahnungen wegen Zeitüberschreitung und Bitten um Ruhe im Saal, mit den Worten, „… und wenn es mich zu einem Bösewicht macht, dann bin ich es gerne“. Dann stierte er mit zusammengepressten Lippen böse in den Saal.
Dort war teils Jubel zu hören. Aber einige der Anwesenden hatten offenbar Zweifel, was das bitteschön eben gewesen sein sollte. „Herr Eichwald“, fragte einer den Redner, „sind Sie ein V-Mann von der Bundesrepublik Deutschland?“ Dann fasste er sich mit den Händen an den Kopf und begann zu schreien: „Anders kann man sich das doch gar nicht … unglaublich!“
„Bild“ schreibt, er sei zuvor als Musiker und Künstler aufgetreten. Warum eigentlich als Künstler?
War der Auftritt Teil einer satirischen Aktion? Linke Unterwanderung? Bild berichtet, dass Eichwald früher unter dem Namen „Alex Oak“ im Netz aufgetreten sei, als Musiker und Künstler. Letzteres rief offenbar bei diversen Menschen im Internet, die sich entsprechend äußerten, Assoziationen auf: zu linken Aktionskünstlern wie denen vom „Zentrum für politische Schönheit“, die unter anderem das Berliner Holocaust-Mahnmal vor dem Wohnhaus des thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke nachbauen ließen; oder zu Jan Böhmermanns politischen Satireaktionen.

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Wie genau Bild zu der Einschätzung gelangt ist, dieser „schräge Vogel“ habe neben Musik auch Kunst gemacht, geht aus dem Artikel nicht hervor. Der Beitrag verweist auf inzwischen gelöschte Konten bei X, Spotify und Amazon. Im Netz finden sich aber noch Spuren von „Alex Oak“, unter anderem ein Bild, auf dem er ein Stirnband trägt, weiße Sterne auf dunkelblauem Grund, als habe er sich die amerikanischen stars um den Kopf gewickelt und die stripes weggelassen, blaue Sonnenbrille, Jeansjacke, er zieht an einer Zigarette. Ist er es? Andere Aufnahmen zeigen „Alex Oak“ mit einem blauen Dinnerjacket, ähnlich dem, mit dem er bei der AfD-Jugend in Gießen auftrat. Einer der inzwischen online nicht mehr abrufbaren Songs trägt den Titel: „Can’t Tell Me What to Do“.
Und noch ein Indiz hat Bild entdeckt: Der junge Mann, 30 Jahre alt angeblich, soll 2019 ein Praktikum bei der Gleichstellungsstelle im nordrhein-westfälischen Herford gemacht haben. Dort soll er auch in die AfD eingetreten sein, allerdings erst am 5. Oktober.
Die Information, wie kurz Eichwald erst AfD-Mitglied ist, stammt von Parteichef Tino Chrupalla, der sie am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur gab, zusammen mit dem Hinweis, der Bundesvorstand missbillige den Inhalt und den Stil von Eichwalds Vortrag. Man sehe sich veranlasst, „eine Prüfung seiner Daten und Mitgliedsrechte vorzunehmen“. Die AfD will den selbsterklärten „Bösewicht“ also hinauswerfen. Und zugleich klarstellen: Das ist keiner von uns.

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Weil die heutige Medienöffentlichkeit eben so funktioniert, hat sich diese Version bereits gegen Sonntagmittag nahezu vollständig durchgesetzt im Medienkosmos der AfD-Anhängerschaft – wohl nicht zuletzt dank Bild, die bereits in der Überschrift suggestiv fragte: „Wollte dieser schräge Vogel die AfD reinlegen?“ Auf X und Tiktok wird über die „oscarreife Leistung“ Eichwalds gespottet; er sei ein „linker erfolgloser Aktionskünstler“ und nun aufgeflogen.
Ob der Auftritt ernst gemeint gewesen sei? Eichwald selbst sagte: „Ja“
Dabei ist die Lage keineswegs so eindeutig. Bild selbst hatte Eichwald nach dem Auftritt angesprochen. Ob er eine Kunstfigur sei? „Ich glaube nicht“, war demzufolge die Antwort. So würde wahrscheinlich eine Kunstfigur antworten. Eichwald bestritt aber, Alex Oak zu sein. Seine Rede habe er ernst gemeint. Sie sei nur deshalb so ungewöhnlich geworden, weil er sie von zehn auf fünf Minuten habe kürzen müssen. Das R rolle er, weil er Russlanddeutscher sei. Auch die Deutsche Presse-Agentur fragte ihn beim Verlassen des Saals, ob der Auftritt eben ernst gemeint gewesen sei. Seine Antwort: „Ja“. Für eine kurzfristige Anfrage war er am Sonntag nicht mehr zu erreichen. Sein Kreisverband teilte auf Anfrage mit, bei Eichwalds Aufnahmegespräch habe nichts auf „sein späteres extremistisches Auftreten hingedeutet“. Ein Auftritt wie in Gießen, der nicht abgesprochen gewesen sei, „hätte zur sofortigen Ablehnung seines Mitgliedsantrags geführt“.
„Egal ob linker Provokateur, V-Mann oder einfach verrückt – wer so auftritt, hat in der AfD und ihrer Jugendorganisation nichts verloren“, sagte Jean-Pascal Hohm am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Er ließ also offen, was Eichwald nun ist – Parodie oder unfreiwillige Selbstparodie. Der „Bösewicht“ mit dem rollenden R verkörpert präzise, wovon Hohm die Parteijugend säubern soll, um sie durch schneidige, aber schwiegermuttertaugliche Typen zu ersetzen, wie er selbst einer ist.
In der Generation Deutschland scheint das aber noch nicht überall angekommen zu sein. Bei der Kampfkandidatur, bei der er antrat, erhielt Alexander Eichwald immerhin 12,28 Prozent der Stimmen.
