Der irische Billigflieger reagiert auf gestiegene Luftverkehrskosten in Deutschland und reduziert sein Angebot drastisch. Bei einem Besuch in der Konzernzentrale lässt Ryanair-Chef O’Leary kein gutes Haar an der deutschen Regierung. Der Standort befinde sich „in einem gravierenden Niedergang“.
Ryanair zieht die Reißleine, so groß ist der Ärger über die gestiegenen Luftverkehrskosten in Deutschland: Ab dem kommenden Sommer wird das Angebot in Hamburg um 60 Prozent, das in Berlin um 20 Prozent reduziert. Dortmund, Dresden und Leipzig werden dann gar nicht mehr angeflogen.
„Die lächerliche Luftverkehrssteuer muss abgeschafft werden und die Gebühren müssen sinken“, sagt Airline-Chef Michael O’Leary vor Journalisten in der Zentrale in Dublin. „Wir wollen wachsen. Wir wollen mehr Kapazitäten. Wir wollen Flugpreise senken.“ In Deutschland sei jedoch in den nächsten zwei bis drei Jahren kein Wachstum in Sicht.
„Deutschland befindet sich in einem gravierenden Niedergang. Die deutsche Regierung hat keine Ahnung. Es ist höchste Zeit für Neuwahlen. Ich bin mir allerdings auch nicht so sicher, ob es die nächste Regierung besser machen wird“, sagt O’Leary. Eines ist für ihn klar: „In Deutschland werden wir so lange nicht wachsen, bis man eine nicht-grüne Regierung wählt.“
Luftfahrtexperte Gerald Wissel überrascht es nicht, dass Ryanair Ernst gemacht hat. Die Kosten, über die Ryanair sich jetzt so beschwert, machen seiner Einschätzung nach allerdings lediglich sieben und zehn Prozent der Gesamtkosten aus. Neben den hohen Kosten habe die Airline aber noch ein andereres Problem zu dem Schritt bewogen: „Ryanair hat momentan schlichtweg nicht genug Flugzeuge, um in allen Märkten präsent zu sein“, sagt der Luftfahrtexperte. Sobald dieses Problem gelöst sei, werde Ryanair sein Angebot in Deutschland auch wieder hochfahren – „egal wie hoch die Kosten sind“, ist sich Wissel sicher. „Es würde mich wundern, wenn Ryanair Deutschland als größten Luftverkehrsmarkt einfach so der Lufthansa überlassen würde.“
Ryanair-Chef prognostiziert Standort prächtige Zukunft
Im Kern stößt sich O’Leary an der zum 1. Mai um 25 Prozent erhöhten Luftverkehrssteuer (15,53 bis 70,83 Euro je nach Entfernung), den Flugsicherungsgebühren und der sogenannten Luftsicherheitsgebühr, die für die Kontrolle der Passagiere und ihres Handgepäcks am Flughafen erhoben wird. „Die Gebühren sind seit Corona um 118 Prozent gestiegen. Nur Kryptowährungen haben eine ähnliche Entwicklung hingelegt“, witzelt O’Leary.
Eigentlich wollte Ryanair seine Kapazitäten in Deutschland weiter hochfahren. Erst im Sommer hatte die Fluggesellschaft ihr Angebot in Berlin ausgebaut. Damit fliegt Ryanair derzeit von Schönefeld aus zu mehr als 50 Zielen in Europa. Das Unternehmen ist dem BER zufolge derzeit der größte Anbieter am Hauptstadtflughafen und hat beim Marktanteil den einstigen größten Wettbewerber Easyjet überholt. Stattdessen kündigt das Unternehmen jetzt an, seine Kapazitäten weiter an kostengünstigere Flughäfen zu verlagern, in denen die Länder die Steuern und Gebühren abschaffen – so wie in Schweden.
Über einen kompletten Rückzug hat Ryanair bislang noch nicht nachgedacht. „Ich glaube nicht, dass wir uns zurückziehen sollten, nur weil irgendein dummer Politiker oder eine idiotische Regierung entschieden hat, dass die Besteuerung von Flugpreisen der beste Weg ist, um die Wirtschaft zu retten“, sagt O’Leary. Nichtsdestotrotz werde die Airline die Anzahl der Sitze in Berlin weiter reduzieren, wenn die Kosten steigen sollten.
Allem Ärger zum Trotz prognostiziert der Ryanair-Chef dem Standort eine prächtige Zukunft. Deutschland werde in wenigen Jahren einer der am schnellsten wachsenden Luftverkehrsmärkte sein. „Bis dahin muss Deutschland weiter leiden und die deutschen Passagiere deutlich höhere Ticketpreise bezahlen.“ In Deutschland wächst der Luftverkehr nach Corona im Vergleich zu anderen europäischen Ländern deutlich langsamer. Laut Unternehmensangaben liegt das Verkehrsaufkommen bei 82 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Damit ist Deutschland der bei weitem am schlechtesten abschneidende Luftverkehrsmarkt in Europa.
Vorschläge stoßen im Kanzleramt auf taube Ohren
Kapazitäten hochfahren, um für die Zukunft vorbereitet zu sein, kommt für Ryanair zum jetzigen Zeitpunkt nicht infrage. „Die Chance bleibt. Es ist nicht so, dass wir aus Deutschland ausgesperrt werden, während wir in Albanien, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Polen und Rumänien mehr Geld verdienen“, sagt O’Leary. Wenn es eine Fluggesellschaft gäbe, die niedrige Tarife anbieten könnte, aber in Deutschland sehr hohe Kosten zahlt, müsse man die Strategie vielleicht überdenken.
„Deutschland ist in den nächsten Jahren am Arsch“, sagt O’Leary. Im Januar war der Airline-Chef für eine zweistündige Stippvisite im Kanzleramt zu Besuch. „Ich kenne keine andere Branche, die der deutschen Regierung angeboten hat, ihre Investitionen über einen Zeitraum von fünf Jahren zu verdoppeln.“ Bei der Bundesregierung sind die Vorschläge und die damit verbundenen Forderungen allerdings auf taube Ohren gestoßen.
Auch Wissel spricht sich dafür aus, die Erhöhung der Luftverkehrsabgabe wieder rückgängig zu machen. Dass die Abgabe komplett abgeschafft wird, hält er für illusorisch. Er fordert stattdessen, die Einnahmen daraus wieder in den Luftverkehr zu stecken. Dieses Geld könnte dann in die Digitalisierung der Luftraumkoordination fließen, die Kosten für die Beimischung von synthetischen Fules reduzieren und Abfertigung am Boden automatisieren.
„Nur Investitionen in eine stärkere Digitalisierung des Luftverkehrs können die Kosten zukünftig signifikant senken“, ist der Luftfahrtexperte überzeugt. „Die Zeit von Billigflügen ist vorbei. Die Kosten werden weiter steigen und das ist natürlich, was Ryanair umtreibt“, sagt Wissel. „Die Kosten werden aber auch nach und nach in anderen europäischen Ländern steigen. Davon bin ich überzeugt.“