
Ein weiterer Flug aus dem pakistanischen Islamabad soll gefährdete Afghanen und Afghaninnen nach Deutschland bringen. Doch die künftige Bundesregierung aus Union und SPD plant, sämtliche Aufnahmeprogramme zu stoppen. Damit steht ein zentrales Versprechen der deutschen Politik vor dem Aus – trotz der weiterhin desaströsen Sicherheitslage in Afghanistan. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Vorhaben. Was beinhaltet das Programm und wer hat Anspruch auf Schutz? Die wichtigsten Antworten im Überblick
Was ist das Aufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte?
Nach dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan im Sommer 2021 und der Rückeroberung des Landes durch die Taliban sind zahlreiche Afghanen und Afghaninnen, die zuvor für deutsche Behörden oder Organisationen gearbeitet hatten, in akuter Lebensgefahr. Besonders Frauen sind von Repressalien betroffen. Die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD versprach, gefährdete Personen aufzunehmen. Die nachfolgende Ampel-Koalition führte das Programm fort.
Wer gilt im Programm als „Ortskraft“?
Das Programm richtet sich laut Bundesinnenministerium und Auswärtigem Amt an zwei Gruppen: Erstens an afghanische Staatsangehörige, die durch ihren Einsatz für Frauen- oder Menschenrechte oder durch Tätigkeiten in Bereichen wie Justiz, Politik, Medien, Bildung, Kultur, Sport oder Wissenschaft gefährdet sind. Zweitens an Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Religion spezifischer Gewalt oder Verfolgung ausgesetzt sind. Bei der Auswahl berücksichtigt die Bundesregierung unter anderem den Bezug zu Deutschland – etwa durch Sprachkenntnisse oder frühere Tätigkeiten für deutsche Institutionen.
Wie viele Menschen wurden bislang über das Programm aufgenommen?
2022 versprach die Ampelkoalition, monatlich bis zu 1.000 Afghanen und Afghaninnen aufzunehmen. Bislang sind laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung rund 2.700 ehemalige Ortskräfte nach Deutschland eingereist – gemeinsam mit ihren Angehörigen über 12.500 Menschen. Hinzu kommen etwa 26.000 Afghanen, die bereits vor Beginn des aktuellen Programms über andere von der Bundesregierung ermöglichte Wege nach Deutschland gelangten. Insgesamt wurden seit dem Fall der Hauptstadt Kabul im August 2021 über 38.000 afghanische Staatsangehörige aufgenommen.
Aktuell warten laut Auswärtigem Amt rund 2.600 Menschen mit gültiger Aufnahmezusage auf ihre Ausreise, darunter auch Familienangehörige. Eine Recherche des ARD-Magazins Panorama aus dem Juli 2024 zeigt jedoch, dass zahlreiche Aufnahmezusagen teils Monate nach ihrer Erteilung zurückgenommen wurden. Zur Begründung verwies das Bundesinnenministerium auf neue Erkenntnisse aus erweiterten Sicherheitsüberprüfungen.
Wie bewertet die künftige Regierung das Programm?
Union und SPD wollen in einer künftigen Regierungskoalition sämtliche Aufnahmeprogramme einstellen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann behauptete im Sender Welt-TV, dass Personen nach Deutschland ohne vorherige Sicherheitsüberprüfung eingeflogen würden.
Die geschäftsführende Bundesregierung weist diese Kritik zurück. Laut Innenministerium erfolgt eine Einreise nur nach erfolgreicher Prüfung aller Aufnahmekriterien. Auch das Auswärtige Amt hält an den bisher erteilten Zusagen fest. Aufnahmebescheide könnten nicht willkürlich widerrufen werden. Betroffene hätten die Möglichkeit, rechtlich dagegen vorzugehen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Wie bewerten Menschenrechtsorganisationen das mögliche Ende?
Menschenrechtsorganisationen kritisieren das geplante Ende des Programms deutlich. Die Nichtregierungsorganisation Amnesty International teilte mit, „Die Einstellung aller humanitären Aufnahmeprogramme – ob aus Afghanistan oder einem anderen Land – ist unvereinbar mit einem Bekenntnis zu Menschenrechten.“ Pro Asyl sprach angesichts der Lage afghanischer Frauen und Mädchen von einer „schäbigen Entscheidung“, da es kaum andere, sichere Fluchtwege gebe. Die Initiative Kabul Luftbrücke bezeichnete das Programm in einem gemeinsamen Statement mit afghanischen Frauenrechtsorganisationen als „letzte Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit“.